Geschichten:Schäumende Wasser - Zusammenkunft der Bruderschaft von Wind und Wogen

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Halle der Gezeiten, Reichsstadt Perricum, 5. Efferd 1043 BF

Am Efferd gefälligen vierten Tag nach dem fest der Lichter von Perricum rief der Bewahrer von Wind und Bogen Efferdan dylli Turakis seine Amtsgeschwister aus den anderen Efferd-Tempeln des Darpat wie ein Fischschwarm zu sich in die Halle der Gezeiten um Rat zu halten. Die grausigen Ereignisse des Lichterfestes vor wenigen Tagen war tief in das Gemüt des Perricumer Efferd-Hohepriesters gesunken.

Jovis, der als Zeuge der Ereignisse ebenfalls geladen wurde, war noch wie benommen. Einerseits die Schrecken des Lichterfestes und anderseits seine eigenen zutiefst spirituellen Erfahrungen ließen den jungen Novizen erschaudern. Um seine aufwühlenden Gedanken wegzuschwemmen, ließ er seinen Blick, wie ein Leuchtfeuer gleich, durch die Menge gleiten. Neben dem deutlich mitgenommen wirkenden Perricumer Hochgeweihten standen Kadan Weidenwind und Trine Korbmacher. Beide entstammten ebenfalls dem Perricumer Tempel. Ersterer galt als außerordentlicher Kenner des Darpat. Wenige Meter entfernt stand Taseco Efferdicas, der Hochgeweihte des Tempels zu Dergelmund, im gedämpften Gespräch mit den Hohepriestern aus Rabicum und Gaulsfurt, Sturmbold Wagener und Darpatine Gornian.

Wie ein unerlässlicher Quellfluss spülte Efferd die Seinen durch das Portal. Als die gleichsam fanatische, wie launenhafte Hochgeweihte des Tempels zum heiligen Flussvater zu Wasserburg Aleidis Rabek das Tempelinnere betrat, verstummten für eine Windbrise die Gespräche. Die junge Frau galt als Ausnahmeerscheinung, wurde sie doch gleich nach ihrer Weihe zur Tempelvorsteherin ernannt und galt als treibende Kraft hinter der Heiligenverehrung ihrer Vorgängerin Elina von Wasserburg. Aleidis blickte sich kurz suchend um und steuerte dann auf Efferdi Falswegen zu, dem Hochgeweihten aus Hausnerhaven.

In einem der Seitenschiffe, an eine der Säulen gelehnt, plauderte der einfache Geweihte Ludrian von der Brücke einem Wasserfall gleich mit dem greisen Abt des Klosters der Ertrunkenen Simmering Flößler, der ob des Redeschwalls seines Gegenübers kaum zu Wort kam.

Als Efferdan dylli Turakis mit wässriger Stimme zur Begrüßung der Anwesenden ansetzte, versandeten die Gespräche im Echo der Tempelhalle.

„Mögen Wogen und Wellen in dieser schwierigen Zeit mit euch sein, meine Brüder und Schwestern und das Auf und Ab der Wasser euer Leben bereichern! Schwer wiegen die Umstände unserer Zusammenkunft auf den Gewässern unsere Seele. Im Namen des Unberechenbaren und Unergründlichen habe ich euch gerufen um Rat zu halten auf das der stürmischen See lieblicherer Wogen folgen mögen.“

So rief der Bewahrer von Wind und Wogen die Efferd-Hohepriester zu sich. Auch Jovis sollte zu den Geschehnissen befragt werden. Bei den späteren Beratungen im Zeichen des heiligen Dreizacks dürfte er freilich nicht zugegen sein.


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Wie eine Welle die von Ufer zu Ufer schwappt, pirschte Yanda von Gerben vor dem großen Portal der Halle der Gezeiten hin und her.
Endlich ergoss sich der erste Strom Geweihter aus der Pforte und die Kommandantin fühlte sich an Zeiten zurück erinnert, als sie ihre Tochter von der Praiostagssschule abgeholt hatte.
Und da tauchte diese eine Person auf die sie die ganze Zeit gewartet hatte auch schon aus dem Portal auf. Er war, wie so häufig in ein angeregtes Gespräch mit der Tempelvorsteherin Aleidis Rabek vertieft.

Ungeachtet dessen trat Yanda an die beiden heran und unterbrach Ludrian von der Brücke rüde mitten im Satz.
“Euer Hochwürden ich bitte vielmals um Entschuldigung, doch wie so oft vertraue ich in wichtigen Fragen nur dem Rat des Herrn Efferd und dazu muss ich Euch kurz den Geweihten der Sonderflottille entführen.”

Dabei schaute sie zu Ludrian, der ob der abrupten Unterbrechung seiner Gespräche nicht sehr begeistert aussah.

“Diese Einstellung lobe ich mir, Kapitänin.
Und wie könnte ich Euch diesen Wunsch ausschlagen, wenn ihr doch den Rat der Stadt Wasserburg und vor allem Arwide Darpathaus so eindrucksvoll in ihre Schranken verwiesen habt.”
Ein verschmitztes Lächeln machte sich auf dem Gesicht der jungen Hochgeweihten breit, bevor sie den Geweihten an ihrer Seite auffordernd anblickte.
“Nehmt ihn mit, aber sorgt dafür, dass er zur zweiten Efferdstunde wieder im Tempel ist. Ich möchte seine Expertise bei den folgenden Gesprächen nicht missen.”

Mit sanftem Druck schob Yanda "ihren" Geweihten einige Schritt in eine ruhigere Ecke, weg vom Ausgangsportal des Tempels.

“Kommt, kommt.
Was geht da drin vor sich? Konnte man sich einigen?”, es sprudelte nur so aus Yanda heraus und sie konnte ihre Aufregung nicht verbergen.

“Ich habe bereits mit fast allen anwesenden Hochgeweihten gesprochen. Und wenn man mich nicht unterbrochen hätte...”, Ludrian warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, als er vor einem kleinen Wassergraben zum stehen kam, "hätte ich auch noch etwas versöhnlicher auf die Vorsteherin meines Heimattempels einwirken können.
Sie ist rigoros gegen jedwede Einbindung Dritter, außerhalb der Efferd-Kirche, in die Untersuchung der Umstände.
Sie wirkt mir nahezu fanatisch.”

Die Kommandantin runzelte die Stirn.

“Ich hoffe sie wird nicht zu viele Fürsprecher für diese Idee bekommen.
Es würde kein gutes Licht auf mich werfen, wenn ich bei den Ermittlungen nur am Rand stehen und zuschauen könnte...
Aber das soll mich erstmal nicht beschäftigen.
Konntet Ihr etwas sehen? Konntet Ihr Ihn befragen?”

“Wie ich schon sagte, so einfach funktioniert das nicht… aber der Unergründliche hat mir dennoch etwas gezeigt.”

Ludrian kramte kurz in seiner grauen Umhängetasche und zog dann ein Stück Büttenpapier hervor.
Er begann zu lesen.

“Ich fliege wie eine Libelle nahe der Wasseroberfläche, bis auf einmal etwas nach mir schnappt.
Mehrmals muss ich dem gefräßigen Maul ausweichen, bis ich hoch genug über den Wellen des Flusses bin.
Jetzt sehe ich meinen Häscher das erste Mal. Ein großer zweiflügeliger Schatten einige Schritt unter der Wasseroberfläche, wie ich ihn in einem Fluss noch nie zu Gesicht bekommen habe. Ihm folgt eine Spur aus blutrotem Wasser.
Er lässt sich nicht beirren und folgt dem Verlauf des Stroms zügig flussaufwärts, so dass ich ihn bald aus den Augen verliere.
Doch die rote Spur bleibt bestehen und ich folge ihr. Zuerst nur ein Schimmer, dann wird sie immer leuchtender und intensiver, bis sie aus der Strömung abbiegt und am Ufer in eine Art Traumgebäude führt.
Es ist kein wirkliches Haus, aber ich weiß in dem Moment wo ich es erblicke, dass es ein Tempel ist. Ein Tempel des Flussvaters. Doch der Eingang liegt Unterwasser. Unter einem großen Felsen und die Spur beginnt langsam zu verblassen. Was soll ich als kleine Libelle denn nur tun? Die Fluten werden mich verschlingen. Dann nehme ich all' meinen Mut zusammen und tauche im Sturzflug in Richtung der kalten Wasseroberfläche, obwohl ich weiß, dass dies meinen Tod bedeuten wird. Als ich spüre wie mein Gesicht hart auf das eisige Wasser klatscht, schrecke ich hoch.”

Ludrian hielt kurz inne. Ihm schien selbst die Erinnerung an die Visionssuche sehr nahe zu gehen.

“Darf ich?”, fragte Yanda nach einer Pause sanft, während sie die Hand nach dem Papier ausstreckte.

Mit einem leichten Nicken übergab der Geweihte ihr das Papier.

“Ich denke das Traumgebäude.. dieser Felsen... könnte..”

“Na!”, unterbrach der Glatzköpfige die Kommandantin, “Sagt nichts!
Wenn man sich zu schnell über Visionen unterhält ohne einige Zeit alleine darüber nachzudenken, verlieren sie ihre Bedeutung.
Zumindest glaube ich das.
Wenn Ihr mir oder ich Euch jetzt bereits verrate, was ich von einzelnen Dingen halte, kann ich mich nicht mehr unvoreingenommen damit beschäftigen.
Es wird immer Eure Interpretation in meinem Hinterkopf herumspuken und das kann nicht das Ziel des Unbändigen gewesen sein.”

“So habe ich es noch nie betrachtet.
Wobei ich gestehen muss, dass ich überhaupt noch nie eine Vision analysiert habe.”

Ein unsicheres Lachen kam über Yandas Lippen, als sie das Blatt mit der auffällig schönen Handschrift vor ihr betrachtete.
Auch wenn es so unergründlich wie der Launenhafte selbst schien. Es war ein Anfang.

“Vielen Dank. Ich bin mir sicher, dass es nicht leicht war dem Herrn Efferd zuzuhören.”
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, was ihm sichtlich unangenehm war.
“Und jetzt seht zu, dass Ihr zur Versammlung zurück kommt!”


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Zur zweiten Efferdstunde des Tages rief Efferdan dylli Turakis die Geweihten des Launenhaften wieder in die Halle der Gezeiten. Wie gebannt verfolgte Jovis die folgende Ansprache des Bewahrers von Wind und Wogen.

„Wie die stürmische See viele Strömungen kennt, so sprechen auch die Diener des Gebieters des Wassers mit vielen Stimmen.“ Jovis meinte einen tadelnden Blick in Richtung der Hohepriester von Dergelmund und Wasserburg in Efferdans Augen erkannt zu haben. „Am Ende fließen alle Wasser zusammen und so sei hiermit verkündet: Die Kirche des Herrn der Gezeiten wird eine Untersuchung der schändlichen Ereignisse einleiten, die unseren heiligen Flussvater Darpat heimsuchten. In Efferd gefälligen zwei mal vier Tagen werden wir im Kloster der Ertrunkenen zu Gaulsfurt wieder zusammenkommen um die Ergebnisse zusammenzutragen und zu beraten. Ausdrücklich sind auch andere Gelehrte und Institutionen eingeladen, diesem Treffen beizuwohnen. Wir sitzen alle in Efferd Boot, was glaubt ihr, was geschieht, wenn die Besatzung meutert? Zusammenhalten müssen wir – innerhalb und außerhalb der Kirche!“

Nach dem der Redefluss des Bewahrers von Wind und Wogen abebbte, verließ er fließenden Schrittes mit Bruder Kadan und Schwester Trine die Halle der Gezeiten.


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Jovis verblieb noch etwas im Tempel um seine Gedanken zu ordnen. Was war da vor wenigen Augenblick passiert? Auch wenn nach Außen hin Einigkeit zur Schau gestellt wurde, so wirkte die Mannschaft an Bord des Bootes von Herrn Efferd doch so zerstritten wie nie.

Ganz klar, die Wasserburgerin Aleidis Rabek war mit Sicherheit gegen eine Öffnung der Untersuchung für Nicht-Geweihte – da war sich Jovis so sicher wie die Flut, die der Ebbe folgte. Der Dergelmunder Taseco Efferdicas dürfte mit allen Mitteln verhindert haben, dass die nächste Zusammenkunft wieder in der Halle der Gezeiten stattfinden würde. Nach Perricum waren die Tempel in Wasserburg und Dergelmund die bedeutendsten am Darpat – und deren Hohepriester galten als kircheninterne Gegenspieler von dem Bewahrer von Wind und Wogen Efferdan dylli Turakis. Wie Muränen belauerten sie sich. Das Kloster der Ertrunkenen war der kleinste gemeinsame Nenner.

Auch die unterschwellig angedeutete Zusammenarbeit mit Außenstehenden war auf dem ersten Blick bemerkenswert, für Jovis aber keine Überraschung. In den letzten Tage hatte er mehrere Male die Wächterin vom Darpat Yanda von Gerben von der Sonderflotille im ernsten Gespräch mit dem Bewahrer von Wind und Wogen gesehen.

Mit einem mulmigen Gefühl verließ Jovis die Halle der Gezeiten. Noch nie hatte er sich so weit entfernt von Efferd gefühlt wie heute.


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Texte der Hauptreihe:
5. Eff 1043 BF
Zusammenkunft der Bruderschaft von Wind und Wogen
Nicht schon wieder


Kapitel 22

Nicht schon wieder
Autor: Bega