Geschichten:Der uralte Bund - Erkenntnisse

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Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Fredegard von Hauberach bereitete sich auf eine private Unterredung samt gemeinsamem Mittagessen mit Josline von Eslamsgrund, der Seneschallin der Pfalz, vor. Sie richtete ihr Kleid und überprüfte den Sitz ihres Schmucks. Die Einladung zu dem Treffen hatte sie diskret von einem Pagen erhalten, der zudem betont hatte, wie sehr seiner Herrin daran gelegen sei, die edle Dame ganz privatim zu empfangen und mit ihr zu speisen. Die Reichsedle hatte die Einladung schon allein aus purer Neugier sofort angenommen. Was mochte Josline bloß von ihr wollen? Eines war aber für Fredegard gewiss: Um eine leichte Plauderei über allerlei Belanglosigkeiten bei einem guten Mahl ginge es bei dem Treffen ganz bestimmt nicht. Die Adlige wollte sich gerade zum Gehen wenden, als es an der Tür ihrer Kammer klopfte.
„Herein!“

Janne, ihre Zofe, betrat den Raum und schloss direkt die Türe hinter sich. „Es gibt neue Entwicklungen, Herrin“, begann sie ohne Umschweife.

„Ich höre. Und fasse Dich bitte kurz, da ich gleich mit der Seneschallin zum Essen verabredet bin. Das könnte vielleicht interessant werden; wir werden sehen.“

„Im Ort unten erzählt man sich, dass die Bekenner versucht haben, die Familie Amselhag zu verbrennen und die Seneschallin bestrebt sei, dies mit der kaiserlichen Garde zu vertuschen. Ach ja: Und dass niemand von Rang und Adel mehr sicher sei“, ergänzte das Mädchen mit einem leichten Schmunzeln.

„Nun, letzterer Umstand ist ganz gewiss kein Gerücht.“, bemerkte die Altbaronin trocken. „Aber der Rest ist schlichtweg Unsinn. Aufgrund der mittlerweile zahlreichen Verdachtsmomente gegen diesen maraskanischen Magier mit dem unaussprechlichen Namen hat unsere liebe Gastgeberin eine Durchsuchung seines Quartiers befohlen, an der neben dem Hauptmann der Wache und einigen seiner Leute auch ich als neutrale Zeugin teilnahm. Bei der Durchsuchung wurde von einem Gardisten eine Rauchfalle ausgelöst, die aber offensichtlich eher als Alarmsignal denn zur Brandlegung gedacht war und auch keinen weiteren Schaden anrichtete. Du siehst also, Liebes, wie leicht es ist, Belanglosigkeiten zu scheinbar spektakulären Nachrichten aufzubauschen und zu verbreiten. Merke Dir dies gut, denn Du wirst sicherlich auch einmal zum Erreichen Deiner Ziele so verfahren wollen. Aber viel interessanter ist doch die Frage, woher dieses Gerücht stammt. Unterhalte Dich doch einmal, natürlich in entsprechender Verkleidung, mit den Gassenkindern im Dorf. Dass diese kleinen Ratten weit mehr wissen, als hochmögende Adlige wie ich sich vorzustellen vermögen, brauche ich Dir am allerwenigsten zu sagen. Das genaue Vorgehen überlasse ich Dir.“

„Ich verstehe. Ich kümmere mich sofort darum und kehre dann umgehend zurück.“

„Gut. Und ich werde nun schauen, was meine teure Freundin von mir will. Wir sehen uns dann später.“

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Josline hatte die zunehmende Unruhe unter den Gästen aber auch innerhalb des Hofstaates schon früh registriert. Zunächst war versucht worden, die zahlreichen unerfreulichen Ereignisse zu leugnen oder zumindest herunterzuspielen, doch spätestens nach dem alles andere als natürlichen Tode einer Hesindegeweihten, Gerüchten über einen Fluch auf dem Kaiser-Eslam-Ring und einem Giftanschlag auf die Küchenmeisterin samt totem zwergischen Hilfskoch waren selbst bei den feierwütigsten und unbedarftesten Gästen Fragen aufgekommen. Fragen, die immer häufiger und vehementer von Leuten gestellt wurden, die zumeist selbst über Einiges an Macht und Einfluss verfügten und daher auf Dauer nicht mit ein paar beschwichtigenden Worten abgespeist werden konnten. Und der Hoffnung, dass die Anwesenden Diskretion wahrten, hatte sich Josline gar nicht erst hingegeben. Dazu waren es zu Viele, darunter auch einige der größten Tratsch- und Lästermäuler des garetischen Adels. Der Kehle der Seneschallin entrang sich ein beinahe verzweifelter Seufzer: Der Traviabund samt Feierlichkeiten sollte zum größten Triumph ihrer Amtszeit werden und hatte sich nun in einen wahren Alptraum verwandelt.

Mit fragendem Blick wandte sich die Adlige an ihre Freundin Fredegard, die sie auf Wunsch der Seneschallin in ihrem Arbeitszimmer besucht hatte. Doch noch bevor sie die Frage formulieren konnte, hub die Perricumerin zu einer vorweggenommenen Antwort an.

„Ich kann mir schon denken, was Dir auf der Seele lastet, meine Liebe. Zu retten dürfte momentan wenig sein, aber Schadensbegrenzung kannst Du durchaus noch betreiben und Dir so zumindest den Ruf als entschlossen handelnde Herrin der Pfalz bewahren.“

„Und was genau schlägst Du in dieser mehr als verfahrenen Situation vor?“, ein Hoffnungsschimmer lag nun in Joslines Augen.

„Die Flucht nach vorn.“, antwortete die Reichsedle lakonisch. „Versammele alle Gäste sowie die wichtigsten Mitglieder des Hofstaates morgen früh im Thronsaal, entschuldige Dich für die bisherigen, nun ja, Zwischenfälle und erläutere, warum Du Dich dazu bisher nicht geäußert hattest. Deine vorherige Passivität begründest Du damit, dass Du schon vor einiger Zeit im Hintergrund mehrere Untersuchungen veranlasst hattest, welche nicht durch frühzeitige 'Plaudereien' gefährdet werden sollten. Nun aber sei die Zeit gekommen, gewissermaßen aus Phexens Schatten heraus- und in Praios´ Licht hineinzutreten.“
Fredegard hielt einen kurzen Moment inne, um einen Schluck Wein zu trinken.

„Gar keine so schlechte Idee, meine Teure, nein, sogar eine ganz hervorragende“, merkte Josline an, die nun wieder Hoffnung zu schöpfen schien. „Aber es muss sorgfältig abgewogen werden, welche Informationen ich in welcher Form kundtue.“

„Zweifelsohne. Du hattest mir vorhin doch erzählt, dass seine Ehrwürden Silvano dank der Gnade des Götterfürsten mehr über den Kaiser-Eslam-Ring herausgefunden habe. Die Ergebnisse könnte er doch gleich morgen in der angedachten Versammlung vorstellen.“

„Wäre das Haus des Praios da nicht naheliegender?“

„Für den Geweihten vielleicht. Aber es geht ja darum, dass DU den Anwesenden zeigst, wer hier immer noch die Fäden in der Hand hält sowie für Ruhe und Sicherheit unter den Gästen sorgt. Und das solltest Du am besten in Deiner eigenen Halle demonstrieren. Das ist zwar letztlich nur ein Symbol, aber ein nicht unbedeutendes, denke ich.“

„Ja, das klingt einleuchtend. Aber ich fürchte, dass die neuen Erkenntnisse zum Ring alleine nicht wirklich zur Beruhigung der Leute ausreichen werden, dazu bedürfte es wohl noch ein wenig mehr. Aber mir kommt da eine Idee: Wie wäre es, wenn Du noch etwas zum Stand der Ermittlungen den Giftanschlag auf meine Küchenmeisterin mitteiltest? Du kannst aus erster Hand berichten und ich zeige dadurch, dass ich Dir in dieser Sache das Wort überlasse, allen, dass ich auch vertrauenswürdige Gäste in die Untersuchungen mit einbezogen habe, womit ich ferner verdeutliche, dass letztere nicht nur von meinen Untergebenen geführt werden. Dadurch entkräfte ich zugleich auch den bisher zumindest noch nicht offen ausgesprochenen Vorwurf, hier irgendwas unter den Teppich kehren zu wollen.“

„Eine exzellente Idee, die Sache in der Küche ebenfalls anzusprechen! Und natürlich trage ich die bisherigen Erkenntnisse hierzu gerne morgen in großer Runde vor.“

„Danke. Auch für den Einfall, morgen gewissermaßen in die Offensive zu gehen. Das nimmt mir doch einige Sorgen ab. Ach, noch etwas: Beschränke Dich bitte nur auf die Fakten und verzichte auf eine offene Anklage gegen den Amselmagier Anaxagoras. Das könnte sonst zu sehr nach Vorverurteilung und vor allem Suche nach einem Sündenbock aussehen, was in der jetzigen Situation eher kontraproduktiv wäre, auch wenn ich persönlich ob der Vielzahl an Beweisen und Indizien mittlerweile davon überzeugt bin, dass es sich bei der Amsel um weit mehr als nur einen schrägen Vogel handelt.“

Die Perricumererin konnte sich bei der letzten Bemerkung ihrer Freundin ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. „Ja, ungerupft wird dieses Federvieh wohl nicht davonkommen. Aber sei unbesorgt, ich werde versuchen, die Ermittlungen neutral und ohne Schuldzuweisungen zusammenzufassen. Das Viele der Anwesenden sich ihre eigenen Gedanken dazu - und zu den Amseln - machen dürften, wird sich, so fürchte ich, allerdings nicht vermeiden lassen.“

„Mag sein. Aber zum einen lässt sich dies bei der momentanen Sachlage wohl kaum vermeiden und zum anderen bin ich zwar bestrebt, eine Vorverurteilung zu vermeiden, nicht aber, andere daran zu hindern.“

Fredegard nickte verstehend und erhob sich aus ihrem Sessel. „Bitte entschuldige mich nun, meine Teure, aber bis morgen ist noch Einiges zu tun. Wir sehen uns dann spätestens im Thronsaal.“

Nun erhob sich auch Josline und umfasste in einer ungewöhnlichen Geste der Vertrautheit die Hände der Reichsedlen. „Ich weiß gar nicht, wie ich Dir für Deinen Rat und Deine Hilfe heute danken soll. Du hast damit eine große Last von meiner Seele genommen.“

„Nicht doch, meine Liebe. Wozu sind Freundinnen denn sonst da?“ Mit einem warmherzigen Lächeln verließ Fredegard das Zimmer. Als sie die Tür hinter sich schloss, lächelte sie immer noch, doch Wärme suchte man darin vergebens.

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Janne, eine große Ledertasche über die Schulter tragend, lief nicht direkt hinunter in den Marktflecken Randersburg, sondern verschwand vorher, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie niemand beobachtete - und selbst wenn: dann musste sie eben kurz austreten - in einen kleinen Hain. Dort wechselte sie ihr Kleid gegen ein deutlich einfacheres mit allerlei Rissen und Schmutzflecken, schmierte sich ein wenig Dreck in das Gesicht und verbarg das blonde Haar unter einer Haube. Ihr bisher getragenes Kleid hatte sie zuvor sorgfältig zusammengefaltet in der Tasche verstaut und diese unter einem auffälligen Baum versteckt, den sich die Halbwüchsige gut einprägte.
Nun in der Verkleidung einer einfachen Magd, begab sich Janne hinunter in den Ort. Durch genaues Zuhören, vordergründig belanglosen Nachfragen und in einem Falle dem (falschen) Versprechen einer unvergesslichen Nacht richtete sich das Augenmerk der 'Magd' auf eine kleine Gruppe Kinder, lediglich ein paar Jahre jünger als sie selbst. Es dauerte nicht lange und sie hatte deren Anführerin ausgemacht. Für jemanden wie Janne, die selbst einmal eine kleine Bande kontrolliert hatte, war diese nicht allzu schwer zu erkennen, denn das Mädchen trat gegenüber den anderen Kindern sehr bestimmend und herrisch auf und manches Mal setzte es auch Schläge, wenn zu wenig Geld erbettelt oder gestohlen worden war. Ein grimmes Lächeln huschte über das Antlitz der Zofe. Sie würde Randersburg bald etwas sicherer machen.
Vorsichtig folge Janne der Anführerin, die ihre Bande gerade wieder zum 'Arbeiten' weggeschickt hatte, in eine kleine Seitengasse. Dort befand sich ein kleiner Verschlag, offenbar das Versteck dieser Tölpel. Festen Schrittes betrat sie diese traurige Unterkunft, dabei verzweifelt mit tränenerstickter Stimme rufend: „Ist da wer? Ich habe mich verlaufen und finde nicht mehr zurück. Bitte helft mir!“

„Verpiss´ Dich, Du blöde Kuh, bevor ich Dir die Scheiße aus Deinem dämlichen Schädel prügele!“, kam es wenig charmant zurück, was Janne kurz schmunzeln ließ, da sich ihr Gegenüber gerade erleichterte.

„Und das von jemandem, der sich selbst gerade ausscheißt, ts, ts. Und Deine Wortwahl ist übrigens nicht minder beschissen.“ Noch bevor die Angesprochene reagieren konnte, sprang Janne auf sie zu und knallte ihren Kopf gegen eine der Bretterwände, woraufhin ihr Opfer benommen zu Boden sackte. Rasch fesselte die 'Magd' das Mädchen, zückte ihr Messer und warte einen Augenblick, bis dieses wieder zu sich kam.
„Ich habe nicht viel Zeit, Du Anfängerin. Daher komme ich gleich zur Sache: Woher stammt das Gerücht, dass die sogenannten Bekenner die Amseln verbrennen wollten und die Seneschallin dies vertuschen möchte? Und stell´ Dich besser nicht dumm oder lüge mich an, sonst lernst Du mich von meiner weniger wohlmeinenden Seite kennen.“

„Pah, für was hältst Du Dich? Leck´ mi-“

Mit einem lauten Knacken zertrümmerte Janne der Gefesselten die Nase und drückte ihr sogleich einen schmierigen Lappen auf die untere Gesichtshälfte, um die Schreie der Halbwüchsigen zu dämpfen. Dann beugte sie sich zu deren linken Ohr hinab und flüsterte: „Du brauchst mir für die Verschönerung Deiner Fratze nicht zu danken, gern geschehen. Aber nun genug gespielt. Rede! Ach ja: ich bin übrigens auch sehr geschickt und kreativ mit dem Messer. Ein paar Sachen wollte ich damit schon immer mal ausprobieren.“

Die schreckgeweiteten grünen Augen der kurz zuvor noch so selbstbewussten Bandenführerin verrieten Janne, dass diese verstanden hatte.

„Schon gut, schon gut! Das reicht! Ich sag´ ja alles.“

„Braves Kind. Warum nicht gleich so? Und nun-“

„-stichst Du mich ab, was?“

„Und besudele mir mein Kleid, was draußen ganz bestimmt auffiele? Nein, da weiß ich was Besseres. Mit einem kräftigen Ruck drückte Janne den Kopf ihres Opfers nach vorne und presste ihn in den Nachttopf. „Ein beschissenes Ende für ein beschissenes Miststück wie Dich; wie passend!“
Nachdem sie sich versichert hatte, dass sie unbeobachtet war, verschwand die Halbwüchsige aus dem Verschlag und machte sich auf den Rückweg in die Pfalz. Unterwegs wechselte sie im Hain wieder ihre Kleidung, säuberte ihr Gesicht und vergrub das zuvor getragene Kleid unter einer Schneedecke, die sie danach sorgsam wieder herrichtete. Dann begab sich die Zofe wieder in die Burg, um ihrer Ziehmutter die jüngsten Neuigkeiten mitzuteilen.

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Nach und nach versammelten sich die Gäste sowie der Hofstaat der Pfalz in deren Thronraum. Auch Salix von Hardenstatt, Yolande von Raukenfels, und Jolande von Grevinghoff waren der Verlautbarung der Seneschallin gefolgt und hatten sich hier eingefunden. Von würdevollem Schweigen konnte jedoch keine Rede sein - allerorten wurde eifrig diskutiert, Verdächtigungen geäußert, allerlei Spekulationen angestellt und teilweise auch über Sinn und Unsinn dieser Zusammenkunft gestritten. In einem Punkt waren sich jedoch alle Anwesenden einig: Von diesem Traviabund samt 'Begleiterscheinungen' würde man noch lange sprechen. Das dreimalige Knallen des Heroldstabes auf den steinernen Boden ließ alle Gespräche schlagartig verstummen und die erwartungsvollen Blicke der Versammlung auf den Eingang richten. Gemessenen Schrittes betrat die Seneschallin in Begleitung von Hofmarschallin Perainka Adersin von Dunkelsfarn und des Hauptmanns Hagen von Rallerau den Saal. Das Trio durchquerte diesen in einigen beinahe endlos scheinenden Momenten, bevor es auf dem Absatz des Thronpodests zum Stehen kam, vorne Josline und dahinter ihre Begleiter. Kurz ließ die Seneschallin den Blick über die Anwesenden schweifen, dann hob sie zu sprechen an.
„In den letzten Tagen haben sich einige, vorsichtig ausgedrückt, unerfreuliche bis furchtbare Dinge ereignet, die zudem bereits Anlass für allerlei Diskussionen und Spekulationen lieferten. Wie mir ebenfalls zu Ohren kam, hat man sich mancherorts auch bereits zu fragen begonnen, warum ich als Seneschallin der Pfalz und gewissermaßen Gastgeberin dieser Zusammenkunft bisher zu alledem geschwiegen oder bestenfalls kurz angebunden geäußert habe. Manche schienen gar zu glauben, dass mich dies alles nicht interessiere, ich Unwillens oder gar unfähig sei, den Vorkommnissen nachzugehen. Doch seid versichert: Dem ist nicht so. Die von mir bisher geübte Zurückhaltung diente allein dem Zweck, die Ermittlungen möglichst ungestört durchführen zu können und erst dann vor euch, geschätzte Anwesende, zu treten, wenn es auch tatsächlich etwas Substantielles zu berichten gäbe. Und dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Zunächst möchte ich seine Ehrwürden Silvano bitten, vorzutreten und zu berichten, was er über den Kaiser-Alrik-Ring, eines der Geschenke an das Brautpaar, herausgefunden hat und so in diese Angelegenheit praiosgefälliges Licht ins gerüchtegeschwängerte Dunkel zu bringen.“

Der Geweihte erhob sich und schritt in die Mitte der Halle, wo ihn alle gut sehen konnten. Etwas im Hintergrund hielt sich der hünenhafte Wilbur von Eichstein, der Silvano begleitet hatte. Nach einem kurzen Nicken in Richtung der Seneschallin sprach er mit volltönender Stimme: „Gerne will ich dies tun, doch zuvor fordere ich die Anwesenden auf, sich zu erheben und mit mir gemeinsam ein Gebet an den Götterfürsten zu sprechen, um ihm für die Erkenntnis, die er mir in seiner Gnade schenkte, zu danken, aber auch als Fürbitte, auf dass er sein Licht über die hier Versammelten ausgieße, um Dumpfsinn und praioslästerliches Gerede aus dieser Halle zu verbannen.“ Mit tadelndem Blick und ebensolchem Tonfall fuhr Silvano nach einer Kunstpause fort: „Mir scheint dies nämlich nach dem bisher Gehörten und Gesehenen höchst angebracht.“ Die pikierten, empörten aber teilweise auch schuldbewussten Blicke verrieten ihm, dass er mit seinem letzten Satz ins Schwarze getroffen hatte.
Nach dem Gebet fasste der Praiot für alle Unwissenden noch einmal die Hintergründe des Rings und warum er ihm zur weiteren Untersuchung übergeben worden war, zusammen und resümierte seine gewonnenen Erkenntnisse. „...und so war es mir mit der Gnade des Götterfürsten möglich, zu erkennen, dass das Kleinod mitnichten mit einem Fluch belegt oder gar - Praios behüte! - dem göttlichen Feind der Zwölfe anheimgefallen war. Nein, das Schmuckstück wurde von der Essenz eines der finsteren Orkgötzen - deren Namen hier nicht genannt werden sollen - besudelt. Eine solch´ frevlerische Tat bedarf jedoch gewisser Vorbereitung und auch ein hierfür erforderliches unheiliges Ritual benötigt einiges an Zeit. Da aber weder hier noch in der näheren Umgebung irgendwelche Schwarzpelze gesichtet wurden, bleibt nur ein logischer Schluss übrig: In unserer Mitte oder zumindest unmittelbaren Umgebung befindet sich mindestens eine menschliche Existenz, die ihre Seele besagten Götzen verschrieben und sich so auf ewig von der zwölfgöttlichen Ordnung abgewendet hat. Dieses Subjekt und seine Helfershelfer gilt es, um eure unsterblichen Seelen willen, schnellstmöglich aufzuspüren und der Inquisition zu übergeben. Aber vielleicht sind die Schuldigen ja unter uns und verspüren nun so etwas wie Reue. Dann mögen sie im Haus des Herrn Praios vorsprechen und um Läuterung bitten.“ Mit einem durchbohrenden Blick musterte der Geweihte für eine gefühlte Ewigkeit die Anwesenden, bevor er wieder auf seinen Platz zurückkehrte, begleitet von gleichermaßen ungläubigen, verängstigten, aber auch empörten Blicken.

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Josline wartete noch einen Moment, bis sich die Versammelten wieder beruhigt hatten, bevor sie erneut das Wort ergriff.
„Ich danke Euch, Ehrwürden, für Eure Ausführungen. Seid versichert, dass nichts unversucht gelassen wird, um diese Ketzer aufzuspüren und ihnen Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen. Aber auch von einem hinterhältigen Giftanschlag soll hier berichtet werden. Um bei den Untersuchungen möglichst unauffällig vorzugehen, damit die Übeltäter nicht frühzeitig aufgeschreckt werden und so Gelegenheit erhalten, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen, habe ich einige vertrauenswürdige Außenstehende aus unserer Mitte gebeten, der Sache mit der nötigen Diskretion nachzugehen. In diesem Zusammenhang möchte ich in Vertretung dieser kleinen Gruppe meine teure Freundin, die Reichsedle Fredegard von Hauberach, bitten, der Versammlung einmal kurz zu berichten.“

Die Perricumerin erhob sich von ihrem Stuhl, trat in die Mitte des Saales und nickte der Seneschallin kurz zu.
„Es ist mir eine Ehre. Ich werde mich, Eurem Wunsche sowie der knapp bemessenen Zeit der Anwesenden Rechnung tragend, auf die wesentlichen Punkte beschränken, auch, weil einige Details noch weiterer Untersuchungen bedürfen. In der Burgküche gab es bei der Zubereitung des Festbanketts einen Giftanschlag auf die Küchenmeisterin, Elene von Erlenfall, den sie nur knapp überlebte. Zur Anwendung kam hierbei das Gift Tulmadron, was schon allein deswegen bemerkenswert ist, da Angehörige des kleinen Volkes dagegen resistent sind. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass ein zwergischer Hilfskoch auf Betreiben seiner bisherigen Dienstherren - einer Adelsfamilie]], deren Angehörige ebenfalls hier zugegen sind - erst kurz zuvor eingestellt worden war, um für sie Augen und Ohren offenzuhalten. Wieso und warum, mochte der verstockte Angroscho nicht sagen, doch muss die Schuld wohl schwer auf seiner Seele gelastet haben, denn in der folgenden Nacht erhängte er sich in seiner Zelle. Daraufhin konzentrierten wir unsere Ermittlungen auf seine ehemaligen Dienstherren, speziell auf einen von ihnen, der zuvor schon durch, sagen wir, 'ungewöhnliche Aktivitäten' aufgefallen war. Durch eine Küchenmagd erfuhren wir weiter, dass sie diese Person dabei beobachtet hatte, wie sie kurz vor dem Mordanschlag ein kleines Beutelchen an den Zwergen übergab. Also wurde eine Durchsuchung der Unterkunft dieses Individuums vorgenommen, bei der in einem Versteck ein weiterer Beutel mit eben jenem Tulmadron gefunden wurde. Daneben wurde auch noch eine gewisse Menge Rauschkraut sichergestellt sowie eine Art Rauchfalle ausgelöst, deren Qualm wohl unerwünschte Eindringlinge vertreiben und den Bewohner des Zimmers selbst außerhalb seiner Unterkunft alarmieren sollte. Warum, dürfte nach dem Auffinden des Giftes, denke ich, offensichtlich sein. Besagte Person konnte leider bisher noch nicht festgesetzt und verhört werden.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass alle von meinen Begleitern und mir unternommenen Schritte allzeit mit Wissen und explizitem Einverständnis von Frau Josline erfolgten. Das Verhör des Zwerges wurde selbstverständlich vor Zeugen ordnungsgemäß geführt und dokumentiert, sodass hier alles seine praiosgefällige Ordnung hat.“ Nach einer kurzen Verbeugung in Richtung der Seneschallin setzte sich Fredegard wieder auf ihren Platz.

„Ich danke Euch für diesen akkuraten Bericht sowie eure wertvolle Unterstützung in dieser Angelegenheit, Frau Fredegard. Und euch allen hier sei gesagt, dass nichts unversucht gelassen wird, um beide Vorgänge restlos aufzuklären und die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Sollten sich hierzu neue Erkenntnisse ergeben, so werdet ihr natürlich umgehend darüber in Kenntnis gesetzt werden. Damit möchte ich euch nun entlassen, in der Hoffnung, mit diesen Informationen zumindest ein wenig zur Beruhigung der Lage beigetragen zu haben“, schloss Josline, die hoffte, mit dieser Aktion wenigstens für den Moment die Gemüter beruhigt, das Gerede eingedämmt und etwas aus der Defensive herausgekommen zu sein.


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Erkenntnisse
Einen Baum zu fällen


Kapitel 42

Erkenntnisse II
Macabros großer Auftritt


Kapitel 17

Erkenntnisse II
Autor: Bega, Wallbrord