Geschichten:Der uralte Bund (Vorspiel) - Praios heller Schein

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Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:

Es war bereits Abend als Wilbur von Eichstein einen der unzähligen, schier endlos langen Gänge der Pfalz lang schritt um den hiesigen Praios-Tempel zum Gebet aufzusuchen. Er atmete tief durch und ließ seine Gedanken schwelgen. Er war froh, dass die Winterhochzeit für ein zeitweises Ruhen der Großen Fehde sorgte.

Während der aus dem Kosch stammende Praiot weiter durch die Gänge schritt, hörte er durch eine hölzerne Tür grölende, junge Männer, die offenkundig sehr dem Gersten- und Rebensaft zusprachen.

„Genieß deine letzten Tage in Freiheit“, hörte er eine dumpfe Männerstimme rufen. - „Auf dich und deine Braut!“, eine andere.

Ja, eine Adelsfeierlichkeit wie diese war auch immer eine Möglichkeit der Zerstreuung und des geselligen Beisammenseins – was nicht nur bei der ungestümen Jugend oft vollends ausartete. Ja, auch die Koscher machten da keine Ausnahme und galten als trinkfest.

Ein Rempler riss den bedächtigen Geweihten aus seinen Gedanken. Eine Frau mittleren Alters hatte Wilbur, bei ihrem Versuch ihn eilig zu überholen, angerempelt und war dabei ins Straucheln gekommen, so dass nur ein beherzter Griff des Praioten ihren Fall zu Boden verhinderte. Die Pergamente, die die Dame mit sich führte, erging es nicht so gut. Diese landeten weiträumig auf dem steinernen Boden. Verlegen und mit leicht geröteten Wangen rappelte sie sich wieder auf, und versuchte eilig ihre Pergamente wieder zusammenzuklauben.

Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte, sammelte sie sich erst mal einen Moment und straffte ihr dunkelbraunen Wams, der schlicht gehalten war, aber gut in Schuss war, wobei ihr Blick auf das Ornat des Praioten fiel.

„Eure Gnaden, ich bin … es tut mir furchtbar leid, ich wollte Euch nicht … bitte verzeiht mir! Heute läuft aber auch alles schief! Wilbur meinte einen greifenfurter Akzent bei der Frau herauszuhören. „Ich hab mich noch nicht mal vorgestellt, mein Name ist Jolande von Grevinghoff und ich bin Ritterin der Mark. Lasst mich das wieder gut machen, aber jetzt muss ich wirklich los.“

Mit einem gehetzt wirkenden Gesichtsausdruck entfernte sich die Greifenfurterin und lief schnellen Schrittes den langen Gang entlang und ließ Wilbur sprachlos zurück.

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Schließlich erreichte Wilbur den Praios-Tempel. Dieser war selbst für einen Tempel des Götterfürsten äußerst opulent und reich ausgeschmückt. Mit Blattgold geschmückte Heiligen-Statuen und Reliefs strahlten dem Besucher entgegen. Das Deckengewölbe zeigte aufwendige Malereien die die Herrschaft Praios priesen. Besonders bemerkenswert war das großen Greifenmosaik im kreisrunden, gläsernen Tempelfenster oberhalb des mit unzähligen Bernsteinen verzierten Altars, dass den Raum in einem goldgelben Licht erstrahlen ließ. Bei all der Schönheit, Prunk und Pomp waren nicht das, was Wilbur in den Schoß der Kirche geführt hatten. Er stand den Braniboriern nahe, die für eine universelle Gerechtigkeitslehre eintraten und dem Prunk der Amts-Kirche zuweilen kritisch gegenüberstanden.

Bedächtig schritt Wilbur die einzelnen Sitzbänke ab. Außer ihm waren noch zwei weitere Personen im Tempel. Ein mittelgroßer Mann um die Mitte 40 mit dunkelblonden Haaren, angetan in einem einfachen Ornat der Kirche des Götterfürsten, schien in ein hitziges Gespräch mit einer älteren Frau vertieft zu sein.

„Eure Gnaden Silvano, was soll ich denn jetzt machen?“ Die fahlen und mit tiefen Falten durchzogenen Gesichtszüge bebten einen Augenblick.

„Bleibt standhaft im Glauben, Gwendare! So wie es dein Blut von dir verlangt. Die Bergensteens waren immer götterfürchtig, denkt an die Briefe Eures Neffen“, hörte Wilbur den ihm unbekannten Praioten sprechen, bevor das Gespräch versiegte.

Die alte Frau, die ihre Kleidung nach zu urteilen eine Adelsdame war, blickte kurz zu Wilbur, nickte kurz zum Gruße, raffte sich auf und entfernte sich. Der Praiot wandte sich dem Altar zu, um einen Moment innezuhalten. Dann machte auch er Anstalten sich zu entfernen.

„Welch prächtiger Hort des Götterfürsten, nicht wahr? Möge Praios mit Euch sein!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Praiot von seinem Glaubensbruder.

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Nachdem Wilbur einige Zeit im Praios-Tempel verweilt hatte, machte auch er sich zurück auf den Weg in seine Unterkunft. Als der das mit vergoldeten Schnitzereien Portal des Tempels durchschritt, bemerkte er auf dem Boden stehend eine ungefähr einen Spann große Fuchsstatue aus Speckstein, die vorher dort noch nicht gestanden hatte. Beim genaueren Betrachten fiel ihm auf, dass die Statue leicht beschädigt war: Ein Ohr des Fuchses war abgebrochen.

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Am nächsten Tag machte sich Wilbur nach einem reichhaltigen Frühstück auf, um erneut den Praios-Tempel aufzusuchen, um nach der mittäglichen Praios-Messe mit dem Hofkaplan über die vor der Schwelle des Tempels aufgefundene Fuchsstatue zu sprechen. Custos Lumini Praiobur Neiding war ein alter Mann erzkonservativer Prägung, der schon über 40 Götterläufen dem Tempel des Götterfürsten auf der Kaiserpfalz vorstand.

„Eine Fuchsstatue, sagtet Ihr? Nein so was ist mir noch nicht untergekommen.“ Der greise Prälat der Praios-Kirche schüttelte eindringlich mit dem Kopf. „Dafür aber Aufrührer, Unruhestifter und Aufwiegler gegen die heilige Ordnung des gleißenden Götterfürsten. Ich sage Euch, sie kleiden ihre verdorbenen, doppelzüngigen Worte in den Mantel der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit, aber ihre Zunge ist die des Bösen.“ Der Lichthüter redete sich schier in Rage. Als er Wilburs fragenden Gesichtsausdruck gewahr wurde, ergänzte er: „Diese Ketzer hinterlassen blasphemische Verse im Heiligtum des Herrn und lästern seiner Heiligen.“

„Ist das so? Erzählt mehr darüber. Vielleicht hängen die Ereignisse zusammen?“ erwiderte Wilbur. Nicht, dass er den Ereiferungen der meisten Traditionalisten zugeneigt war, doch konnte es hier eventuell einen Zusammenhang geben?

„Diese Häretiker verstecken ketzerische Nachrichten im Tempel, die in gespaltener Zunge unsere heilige Lehre spotten. Die blasphemischen Verse sähen Misstrauen und künden von baldiger Aufruhr gegen die Praios gegebene Ordnung. Wie können es diese Ketzer wagen, meinen Tempel derart zu beschmutzen. Die heilige Inquisition muss dieses Rattennest ausräuchern! Das wohl!“

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Wilbur tat das Offensichtliche und versuchte im Phex-Tempel sein Glück. Fuchs und Phex, das lag doch auf der Hand. Nach einem ausgiebigen Mahl im Gasthaus '‘‘Zum Goldenen Stiefel des Kaisers‘‘' suchte er die Rakulls-Sakrale auf, die sich zentral am Marktplatz von Randerburg befand. Das Gotteshaus war ein außergewöhnlicher Kuppelbau – und für einen Tempel des listigen und Schatten liebenden Herrn Phex sehr offensichtlich und exponiert. Architektonischer Höhepunkt der Anlage war die Sternenhalle aus der Rohalszeit, deren Mittelpunkt der kopfgroße Rakullsstein bildete, der das nächtliche Sternenlicht tausendfach in der Halle brach - wundersamer Weise aber im Licht des Praios dunkel blieb.

Vogtvikarin Eslamina Sternenkind begrüßte den Koscher Praioten mit einem Lächeln. Wilbur berichtete der Phex-Geweihten von seiner sonderbaren Begegnung mit einer kleinen, leicht beschädigten Fuchsstatue. Die Vogtvikarin schwieg einen Moment lang, bis sie schließlich ihre melodische Stimme erhob.

„Eure Gnaden, habt Dank für Eurer Kommen. Die besonderen Zeiten verlangen es, dass Fuchs und Greif gemeinsam streiten. Haltet Euch bereit. Der Ruf wird Euch ereilen.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich die Vogtvikarin. Wie so oft, vermieden es die Diener des Herrn Phex also mit klarer Zunge zu sprechen, was Wilbur achselzuckend zur Kenntnis nahm.

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Nachdem nun dieser Ausflug zwar Fragen beantwortete, aber auch neue schuf, erinnerte sich Wilbur an seine alte Heimat. Eine Fuchsstatue kommt nicht aus dem Nichts – möglicherweise konnten die Handwerker aus der Region etwas zur Klärung der Frage beitragen, woher diese Statue gekommen sei. Und auch ein Besuch im Tempel des Ingerimm wäre eine Möglichkeit, Licht ins Dunkel der Statue zu bringen. Oder zumindest zu erfahren, woher sie kam und wer sie vielleicht in Auftrag gegeben haben mochte?

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Wenige Tage später, Wilbur hatte wie so oft den Praios-Tempel der Pfalz aufgesucht und war gerade in ein stilles Gebet an seinen Herrn vertieft, stürmte ein junger Mann mit dem Wappen der kaiserlichen Lande Randerburg auf der Brust, in den Tempel.

„Ihre Gnaden Hagenau-Ehrenfeld? Ist er hier? Nein, verdammt … ah verzeiht, ich wollte ihm heiligen Haus des Praios nicht fluchen. Seid Ihr ein Geweihter des Götterfürsten? Wunderbar, kommt bitte unverzüglich mit!“

Noch eh Wilbur sich versah, folgte er dem jungen Mann auf den Burghof in Richtung Bergfried.

„Es ist ungemein wichtig“, keuchte der junge Mann, „die Seneschallin braucht Euren Beistand. Oh verzeiht, mein Name ist Aldemar von Plitzenberg. Ich diene als kaiserlicher Hausritter dem hiesigen Pfalzgrafen.“

Wilbur hatte kaum Gelegenheit, sich dem Mann vorzustellen, während er gemeinsam mit ihm ging. „Wilbur von Eichstein mein Name. Um was geht es denn?“ fragte er, während sie voranschritten.

„Oh eine sehr delikate Angelegenheit … die Seneschallin braucht Euren … Beistand!“, stammelte der Hausritter vor sich hin.
Schnurstracks schritt Plitzenberg auf den Bergfried zu. Vor diesem stand ein Frau, angetan in den Wappenrock des Reichsforster Grafenbannes, dazu einen farblich passenden Mantel. Ihr blondes Haar war lang und fiel über ihre Schultern. Die Frau begrüßte gerade einen jungen Edelmann. Dieser hatte einen braunen, fast bodenlangen Umhang mit Pelzbesatz oben an, dazu einen dunkelgrünen Gehrock, ein schwarzes Hemd und dunkelbraune Stiefel. Er hatte blondes, kurzes Haar und keinen Bart. Begleitet wurde der Mann von einem etwa 14 Sommer zählenden Jungen, der in einfachen braunen Gewändern gekleidet war und struppige, kastanienbraune Haare hatte.

Wilbur folgte dem Hausritter eilig und kam dabei kaum dazu, die Personen vor dem Bergfried zu mustern. War dies die Seneschallin? Vermutlich nicht. Er wartete ab, ob der Hausritter innehalten oder direkt an den Personen vorbeigehen würde. Zeit für einen höflichen kurzen Gruß, ein kurzes Nicken mit dem Kopf, bliebe sicher immer.