Geschichten:Brot und Spiele
Schloss Briskengrund, Phex 1043 BF
„Exzellenz, wir sollten uns hier nicht zu lange aufhalten, es finden noch immer Kampfhandlungen in der Nähe statt.“ Ritterin Serapha von Wiesenbrück stand am hohen Fenster des Remters im Schlösschen Briskengrund und sah in die Weite gen Dämonenbrache. Zwischen dem Schloss und der unheimlichen Brache tummelten sich noch immer zahlreiche Kämpfer der gestern hier geschlagenen Schlacht. Dass die Ritter Reichsforst weiter- und in Grambusch eingezogen waren, bedeutet vor allem, dass nun da drau0en Reisige, Söldlinge und Leichenfledderer unterwegs sein würden – ungeachtet der Ritter, die mit weißen Wimpeln nach Angehörigen suchten, um sie mit Billigung der siegreichen Partei zu bergen und ordentlich zu bestatten. In irgendeiner geräumigen Familiengruft, in deren prunkvolle Ausgestaltung die Lebenden zu viel Gold gesteckt hatten, um nicht die Kadaver der Toten eben dort fürstlich zu betten.
„Kampfhandlungen?“, säuselte Quendan von Ahrenstedt mokant. „Weißt du denn, wie so etwas aussieht, meine Kleine?“
„Lasst sie in Ruhe, Quendan. Sie hat den Ritterschlag des Ogerfressers, das sollte selbst Euch genügen“, mischte sich Gerobald Leuhold von Ruchin ein, der sich wie Seraphas Beschützer aufführte, seit die Ritterin zu des Cantzlers Truppe gestoßen war, und damit eigentlich offenbarte, dass es ihm auch nicht genügte – sonst hätte er Serapha für sich einstehen lassen.
Turda Fuxfell zischte nur zwischen den Zähnen: „Scheusal“, doch es war nur der Cantzler, der sie kurz ansah, als hätte sie ihn gemeint.
„Ich weiß, wie Kämpfe aussehen, Ahrenstedt. Und ich zeige Euch auch gern, wie ein Kampf wirklich aussieht – aufs erste oder zweite Blut?“, sprach Serapha, indem sie den aalglatten Ausputzer des Cantzlers scharf in den Blick nahm.
„Kein Blut“, mischte dieser sich ein. „Das heißt: nicht zwischen euch. Quenden: Es reicht. Mach dich lieber nützlich und such einmal das Gepäck der beiden hier. Verdammt – wir sind einen Tag zu spät angekommen!“
„Zwei, Ewex“, gab Turda Fuxfell zu wissen, die bei den Leichen gekniet hatte, sich aber nun erhob, um sich die Hände an einem Tuch abzuwischen.
„Wie meinen?“ Horulf von Luring hatte sich auf eine Truhe unter einem anderen Fenster niedergelassen und von dort seine Leute beobachtet. Er wirkt völlig ruhig, fast schläfrig. Vielleicht klopfte doch das Greisenalter bei ihm an? „was meinst du: zwei Tage?“
„Die Brotmeisterin und unser wertvoller Informant hier wurden nicht in der Schlacht oder während derselben getötet, sondern bereits mindestens einen Tag zuvor. Überdies sind diese offensichtlichen Hiebverletzungen hier erst prost mortis zugefügt worden …“
„Post mortem“, korrigierte Luring sie abwesend.
„… wahrscheinlich, um zu verschleiern, dass beide sehr professionell mit einem Stilett erledigt worden sind. Vergiftet, würde ich sagen, aber da müsst Ihr einen Magus befragen oder einen echten Medicus.“
„Die haben meist den Dünkel, sich nur um Lebende kümmern zu wollen“, entgegnete der Cantzler trocken. Danke, meine Drossel. Hilf Quendan dabei, die Sachen der beiden zu durchsuchen. Vielleicht finden wir die Informationen, die uns Celessa versprochen hatte. Und schick mir Magister Maarblick – er soll die beiden untersuchen und aufhören, die Geheimnisse von Briskengrund zu erschnüffeln“
Turda Fuxfell tat, wie ihr geheißen.
„Gsevino, komm her. Fass zusammen.“
Der Schreiber des Cantzlers hockte sich zu Füßen desselben und entnahm seiner schweren Umhängetasche eine kleine Kladee, leckte sich die Fingerkuppe und schlug umständlich die gesuchte Seite aus. Murmelnd fand er die Stelle: „… Hoffing tot im Boron … Briskengrund frei, deshalb … Ah ja: Also: Die Brotmeisterin Celessa von Goyern hat das vakante Schloss im Hesinde in Beschlag genommen und ihren eigenen Vater, Globert von Hornbach hier als Verwalter installiert. Sie wollte Briskengrund für ihre Untersuchungen im Nachgang zur Vieroker Affäre und den „Verbrechen aus der Truhe“ nutzen. Dieser Hornbach – das ist die Leiche des alten Mannes vor dem Stall. Die Brotmeisterin hat dann einige Reisen durchgeführt, soweit die Fehde es ihr gestattete. Ich habe hier eine Liste der Briefe, die sie Euch seit Hesinde geschickt hat, immerhin sieben Stück. Sie kamen aus Vierok, Grambusch, dreimal Gareth, Bugenhog und von hier. Im letzten hat sie uns auf den 26. Peraine – das ist heute – hierher bestellt, um und abseits des Trubels mit ihrem wichtigsten Informanten zusammenzubringen. Das ist dann wohl dieser Herr hier.“ Gsevino wies auf die ziemlich ramponierte Leiche eines älteren Mannes, der mit verdrehten Gliedern unweit der Leiche der Brotmeisterin des Königreichs lag.
„Du hast ihn nicht erkannt?“, wollte Horulf müde wissen und strich sich mit der flachen Hand abwärts über Stirn und Augen.
„Nein. Wer ist es?“, wollte der Schrieber wissen.
„Abelmir von Krugelberge“, antwortete statt des Cantzlers Turda Fuxfell, die just mit Magus Maarblick und Serapha von Wiesenbrück zurück in den Raum kam. Alle drei trugen Taschen, Fuxfell hatte eine Schriftrolle in der Hand. „Hier, Ewex – ein Schreiben Krugelberges an irgendeinen Weinlieferanten. In seinen Sachen sind noch ein paar Schriftstücke ähnlicher Art, aber nichts Wichtiges.“
„Das werden wir abwarten, Drossel. Mir genügt zunächst zu wissen, dass Celessas Untersuchungen in Sachen Bugenhog zu den Freunden der Kurtzweyl und zu Krugelberge geführt haben. Dass beide ermordet wurden, bedeutet, dass Celessa zu nahe herangekommen ist – sonst hätte man nicht die Brotmeisterin und den Meister der Kurtzweyl ermordet, dafür sind beide eigentlich zu bedeutend. Dass die Schlacht so schnell entscheiden war, ist für die Mörder dumm gelaufen – sie können nicht gerade als Opfer der Fehde gezählt werden.“ Entschlossen erhob sich der Cantzler, in den die Spannkraft zurückgekehrt zu sein schien: „Brotmeisterin und Kurtzweyl – Brot und Spiele. Ein makabres Ende eines blutigen Mondes.“
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