Geschichten:Guter Hoffnung

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Tempel des Weißen Raben, Stadt Hexenmühle, 30. Travia 1043 BF

„Seid Ihr... Yolande?“

Augenblicklich schreckte sie zusammen.

„Verzeiht“, fuhr der Knabe mit leiser Stimme fort, „Es lag mir fern Euch zu erschrecken, Hohe Dame.“

Yolande von Raukenfels wandte ihren Kopf in Richtung der Stimme. Im düsteren Schein der flackernden Kerzen erkannte sie einen halbwüchsigen Novizen neben sich. Aus seinen dunklen, fast schwarzen Augen blickt er sie sanftmütig an.

Die Raukenfelserin nickte instinktiv. Gänsehaut breitete sich über ihren ganzen Körper aus. „Ist etwas…“, hob sie mit zitternder Stimme an, „Ist etwas... etwas passiert? Ist etwas mit... Narzisschen?“

Der Knabe antwortete ihr darauf nicht, sondern forderte sie auf: „Folgt mir bitte, Hohe Dame. Folgt mir.“

Sie folgte ihm. Gemeinsam durchquerten sie stockfinstere Flure und Gänge, durchschritten in absoluter Finsternis liegende Räume. Yolande hatte schon längst die Orientierung verloren. In Gedanken war sie ohnehin bei etwas oder vielmehr jemand ganz anderem: Nurinai.

Als der Knabe dann plötzlich stehen blieb, stand die Raukenfelserin so neben sich, dass sie beinahe in den Novizen hineingelaufen wäre. Eine flüchtige Berührung seinerseits konnte sie jedoch noch rechtzeitig ins Hier und Jetzt zurück bringen.

„Wir haben sie hier her gebracht“, erklärte der Knabe ruhig wie zuvor auch und deutete auf die Tür. Yolande dachte nicht nach, sie stürmte in den Raum hinein, erkannte ihre Liebste reglos auf einem Bett liegen und eilte sofort an ihre Seite.

Narzisschen“, wisperte sie immer wieder und betastete die kalten Stirn Nurinais, „Narzisschen. Was machst Du immer nur? Kaum lässt man Dich allein...“ Sie blickte sich zu dem Knaben um, fand ihn aber nicht mehr hinter sich vor und wollte dennoch wissen: „Was... was... was ist denn passiert?“

„Ihro Ganden war die ganze Zeit über schon sehr blass“, ertönte die Stimme des Novizen erneut neben ihr und wieder erschrak die Ritterin zutiefst, weil sie ihn nicht zu ihr hatte treten hören.

„Sie verträgt den Weihrauch nicht“, meinte die Raukenfelserin tonlos. Da schaute der Knabe sie fragend an. „Sie erwartet ein Kind“, platzt es aus ihr heraus. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Novize erwiderte es. „Und in der ersten Zeit spielt der Körper dann ein bisschen verrückt. Er muss sich an das in ihm wachsende Leben erst gewöhnen. Da kann allerlei Merkwürdiges geschehen und Dinge, die einem bisher nie etwas ausgemacht haben, werden ganz plötzlich schwierig. Ich kenne das. Ich habe zwei Kinder. Ich hätte fast ein Drittes gehabt...“

Er schenkte ihr einen tröstenden, verständnisvollen Blick.

„Sie ist erst später zusammengebrochen“, lenkte der Knabe das Gespräch zurück auf die Geweihte, „Mein Oheim... also seine Hochwürden war sich allerdings nicht ganz sicher, ob es ein Schwächeanfall oder vielleicht doch eine Botschaft unseres Herren ist. Manchmal ist das eine auch mit dem anderen verbunden. Der Schweigsame geht manchmal seltsame Wege. Und ich habe noch nicht so viel Erfahrung...“ Er hielt einen Moment inne. „Sie hat mir Euren Namen zugeraunt. Und ich dachte, dass ihr nun an ihrer Seite sein solltet...“

Yolande nickte dankbar.

„Ich habe Euch alles hier her gebracht, was Ihr die Nacht über brauchen werdet. Bitte verlasst das Zimmer nicht. Und wenn Ihr nun erlaubt, dann möchte ich gerne zu meinen Glaubensbrüdern und -schwestern zurückkehren um mit ihnen die Nacht der Ahnen weiter zu begehen.“

„Natürlich. Geh ruhig. Ich bleibe hier und gehe auch nicht weg. Nicht bevor es Narzisschen wieder besser geht“, sie hielt einen Moment inne und strich der Geweihten sanft übers Gesicht, „Sie ist all mein Glück, all meine Freude, meine Liebe und mein Leben. Ich habe nicht mehr erwartet, dass ein anderer Mensch mir so wichtig werden könnte...“

Er lächelte, wollte gerade gehen, da fiel ihm noch ein: „Es kann sein, dass Ihro Gnaden träumt. Im Schlaf spricht. Und vielleicht lässt unser Herr ihr die Ehre zuteil werden, eine Vision zu empfangen. Seid ohne Furcht, Hohe Dame, unser Herr gibt in seinen Hallen auf seine Diener Acht. Es genügt, dass Ihr an ihrer Seite seid. Gewiss spürt sie, dass Ihr da seid.“

„Danke...“

Efferdan“, stellte sich der Knabe vor.

„Danke“, ein Lächeln umspielte die Wangen der Ritterin, „Efferdan“