Geschichten:Das Flüstern des Silk

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Fröhlich sprudelte der noch junge Silk die Felswand hinunter in ein prächtiges Muschelbecken. Bis zum Rand war es gefüllt, wo der Bach über den Rand floss und sich zurück in sein Bett schmiegte. Selbst hier im Tempel des launenhaften Herrn Efferd hatte er sich dieses in den felsigen Boden gegraben. Länger als Menschengedenken tat er dies bereits und würde es auch dann noch tun, wenn die Menschen dieses Götterhaus längst aufgegeben hatten. Die Menschenkinder sprachen dem Wasser im Becken eine segensreiche Wirkung zu, auch wenn die Bewahrerin von Wind und Wogen Efferdane Quelltreu dergleichen in den zahlreichen Monden als Tempelvorsteherin nur selten beobachtet hat. Klein und aufbrausend war die Geweihte, deren langes Haar, trotz ihrer gerade einmal fünfunddreißig Götterläufe, bereits schlohweiß war, während ihre blauen Augen rein und klar waren wie die Quelle, die sie behütete.

Vor einigen Praiosläufen hatte sich ein Mann in das kleine Silksquell verirrt. Eigentlich hatte er den Ort bewusst aufgesucht, da die Zahl der Besucher in dem Dorf jedoch überschaubar war, sprach man gemeinhin davon, dass sie sich verirrt hätten. Die Gabe der Quelle wurde nicht leichtfertig gewährt, und so hatte der Mann, ein Abenteurer, der sich selbst als Tabur Silberstreich vorgestellt hatte, lange Stundengläser damit verbracht, von seinem Leben und seinen Verfehlungen zu berichten. Nun war die Zeit des stummen Wartens gekommen, die bange Zeit der Ungewissheit.

Derweil kniete die Götterdienern, die Handflächen gen Alveran gestreckt, vor dem Muschelbecken. Wie die tosende See rief sie den Unberechenbaren an, nur um Augenblicke später dem Flüstern des Silk gleich weiterzusprechen. Immer wieder schwoll ihr Ruf an und ebbte ab. Aufbrausend wie die Brandung bei Sturm und ruhig wie das Meer bei Flaute. Als sie geendet hatte, erhob sich Efferdane schwer. Ihr Gewand war unterhalb der Knie vollkommen durchnässt und auch darüber hatten es zahlreiche Tropfen benetzt. Die Augen fest gen Himmel gerichtet, tauchte sie die Hände in das Becken, griff einen darin befindlichen Krug und hob ihn an. Blaues Licht umspielte ihn und erfüllte zunehmend das Becken, dies war kein Wunder, lediglich das Licht des Gwen Petryl, der im Beckenboden verankert war. Am ganzen Leib vom kalten Nass des Silk durchtränkt schritt die Geweihte zum vor den Altar knienden Tabur und schüttete den Krug über diesem aus. Ein erschrockenes Ächzen entfuhr dem Mann, dem eisigkaltes Wasser vom Kopf aus in den Nacken, über den Rücken floss.

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Seit dem Gebet im Tempel waren inzwischen drei Praiosläufe vergangen. Noch immer plagte Tabur das Leid, das ihn hierher geführt hatte und dennoch grämte ihn dieser Umstand nicht mehr. Das Wasser hatte ihn reingewaschen. Es hatte den Ballast vergangener Tage hinfort gespült und einen geläuterten Mann zurückgelassen. Mit seinem gesamten Habe beladen und um diese wichtige Erkenntnis reicher, kehrte er ein letztes Mal zu Efferdane Quelltreu zurück.

„Ehrwürden, ich danke Euch. Ich danke Euch vielmals, und so wahr ich hier vor Euch stehe, so gelobe ich, fortan ein götterfürchtigeres Leben zu führen. Ich werde Heimkehren und meinen Vater in der Werkstatt unterstützten.“

„So sei es!“, säuselte die Geweihte zufrieden mit dem Sinneswandel des Pilgers, eh sie ihm mit einem ebenso barschen: „Und jetzt raus hier!“ aus ihrem Tempel schmiss, während sie sich im Stillen dachte: 'Wenn eine anständige Beichte und ein Schank eiskalten Wassers doch nur immer solch eine Wirkung hätten.'