Geschichten:Ankunft in Madramund

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Nachdem die Reisegruppe um Oberst Siegerain von Bregelsaum-Berg und Flusswächterin Yanda von Gerben, die von Astaran von Pfiffenstock und Salix von Hardenstatt sowie Arion von Sandern und eine Hand voll Schreibern und Wachen begleitet wurden, in dem beschaulichen Marktflecken Drosselau Rast gemacht und sich gestärkt hatten, überquerten sie kurze Zeit später die Grenze zum Schlund. Die Gruppe trug keine offiziellen Insignien der Markgrafschaft Perricum zur Schau. Auch ein Banner fehlte. Ihr Besuch sollte keine hohen Wellen schlagen.

Ehe die Perricumer Delegation Mardramund erreichte, durchquerten sie das Junkertum Amselsang, was besonders Salix von Hardenstatt ein verspieltes Lächeln ins Gesicht zauberte. Bestimmte Erinnerungen wurden wach – aber es dämmerte in ihm auch sorgenvoll, denn überall wo die Amseln nicht weit waren, drohte Ungemach – eine der großen Lehren der Winterhochzeit. Doch etwas ließ das Lächeln aufgesetzt wirken, denn Salix beschäftigte etwas. Als die Gruppe in Drosselau aufbrach, fand er in seinem Gepäck ein schwarzes und ein weißes Steinchen. Der Edle von Zackenberg ahnte, dass hinter dem Fund mehr als nur ein Zufall stecken würde.

Arion von Sandern, mit Abstand der Jüngste, hielt sich eher vornehm zurück. Es erfüllte ihn mit großem Stolz, an solch einer wichtigen Mission teilnehmen zu dürfen, doch stieg so auch der Erwartungsdruck enorm an. Er heftete sich daher an Astaran von Pfiffenstock, der sich des Jungen auch liebevoll annahm. Doch noch etwas anderes beschäftigte den sonst so selbstsicheren Knappen: Vor seiner Abreise vom Marschenhof war er zu einem Gespräch mit Landvögtin Maia von Perricum gerufen worden. Ein Gespräch, an das er sich noch lange erinnern würde ...

Am letzten Tag der Reise wirkte Siegerain für seine Verhältnisse eher still, ja beinahe ein wenig in sich gekehrt. Erst jetzt realisierte er, was für eine große Verantwortung der Heermeister auf seine Schultern gebürdet hatte. Und dass der alte Rabicumer hier ebenfalls mitmischte, machte die Sache nicht einfacher.
In der Reichsstadt hatte der Auftrag so simpel, ja beinahe trivial gewirkt und seine Erfüllung schien mehr oder weniger nur eine Formsache. Hier und jetzt musste sich der sonst so selbstsicher wirkende Offizier jedoch widerwillig eingestehen, dass er es bei den anstehenden Gesprächen ohne die Unterstützung seiner Mitreisenden wohl sehr schwer haben dürfte, zumal der Oberst bis dato über keine relevanten Erfahrungen in der Kunst der Diplomatie verfügte. Eines wusste er – oder glaubte er zumindest zu wissen – jedoch genau: Er durfte sich weder gegenüber dem Rest seiner Gruppe noch gegenüber den Schlundern irgendeine Blöße geben, denn sonst wären die Verhandlungen und seine Autorität ernstlich in Gefahr - und damit auch seine Zukunft.

Der nebachotische Edelmann Astaran war für seine Verhältnisse einen Hauch dezenter gekleidet als üblich – schließlich wollte er den armen Schlundern nicht den Reichtum Perricums vor die Nase halten. Immerhin befand er sich ja auf einer diplomatischen Mission. Der Edle von Haselpfort wusste immer noch nicht so recht, warum ausgerechnet ER für diese Mission ausgewählt worden war. Aber, so war sich der Schöngeist sicher, er würde das schon herausfinden. Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte er sich an den jungen Sandern, als die Gruppe auch schon die Brücke mit dem Perricumer Tor erreichte. „Willkommen in Mardramund!“, säuselte Astaran vergnügt, „Mögen die Spiele beginnen!“

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Mardramund war an jenem Efferdtag ein emsiger Bienenkorb. Zur Rechten des Weges, der die Gäste auf das Perricumer Tor zuführte, wurde an einer Bastion zum Flusse hin tatkräftig gebaut. Ein Kran zog gerade neue Quadersteine auf die wachsende Flusswehr und eine Handvoll Baumeister vom kleinen Volk ließen eine Wehrmauer Stein für Stein wachsen. Zur Linken war man bemüht, die Mardramündung jenseits der Brücke zu einem neuen Hafenbecken auszuheben. Eine mit Schüttgut gefüllte doppelte Bohlenreihe trennte derzeit den Fluss vom Aushubkrater. Hinter dem wachsenden Hafenbecken, war ein kleiner Wall mit einer Palisade entstanden. Der provisorisch befestigte Platz vor der Stadt hatte im ersten Fehdejahr schon dem ein oder anderen Söldnerhaufen aus den Perricumer Landen als Zeltstadt gedient. Nun grasten dort ein paar Phraischafe die gewachsene Wiese ab.
Am Perricumer Tor wurden die Gesandten von einem jungen Ritter höflich empfangen. Als Geron von Dachsen stellte er sich vor. Der Schlunder führte die Perricumer zu einem stattlichen Herrenhaus an der Ostmauer. Das alte Stadthaus des Barons Tabur, nebst kleinem Stall für die Pferde, stand für den Aufenthalt den Gästen und ihrer Entourage frei zur Verfügung. „Genießen Sie die gute schlunder Küche und den Ausblick auf den Darpat!“, wünschte der Ritter. In einer Stunde würde er die Gäste dann gerne zum Empfang führen.
So führte der zuvorkommende Ritter die Anführer der Gruppe ein Stundenglas später auf den Marktplatz und zum prunkvollsten Gebäude des Marktfleckens, der Markthalle. Unter dem umlaufenden Arkadengang boten Händler aus vielen Regionen ihre Waren feil. Aranier, Perricumer, Garetier und Angroschim feilschten wie es dem Fuchs Freude machte. Sogar ein augenscheinlicher Norbarde hatte sich hierher verirrt. Am etwas ruhigeren nördlichen Eingangsportal wartete die Hüterin der Halle, Silvana Fuxtreu. Sie begrüßte die Gäste und geleitete die Herrschaften in die Markthalle, in der schon so mancher Handel mit Perricum geschlossen wurde.
Über eine breite Treppe gelangte man aus der belebten Halle zu einer ruhigen Galerie in der oberen Etage, von der mehrere Salons und ein kleines Kontor der Nordlandbank abgingen. Hinter einem Torbogen, den man mit zwei Türen hintereinander verschließen konnte, um Ruhe zu haben, gelangte die Gruppe in einen großen Salon mit reichlich Fenstern und einem illustren Wandbild, das die Zyklen des Madamals über einem Fluss zeigte, an dem Füchse tollten und Angroschim mit Menschen handelten. Ein langer, mit reichlich Kuchen und Plätzchen eingedeckter Tisch nahm die Mitte des Raumes ein und prunkvoll gedrechselte Eibenholzstühle luden zum bequemen Verweilen ein. Der junge Ritter Geron öffnete den Gästen die Türen, blieb aber selbst zur Wacht außen vor den Portalen stehen.
Ein sichtlich gut gelaunter Praiosmar von Hinn zwinkerte der Geweihten beim Eintreten zu, begrüßte die Gästeschar und lud sie an den gedeckten Tisch ein. „Herzlich Willkommen in Mardramund. Schön, euch alle wieder zu sehen. Ihr habt doch sicherlich Appetit auf eurer Anreise gesammelt. Eine junge Ritterin gesellte sich an seine Seite. Dies ist meine Knappin Madara von Amselhag. Vielleicht kennen sie die ein oder anderen bereits. Sie wird uns als Protokollantin dienen. Die junge Ritterin schenkte dem Edlen Salix ein kurzes Schmunzeln. So setzt euch doch und bedient euch, bevor ihr uns erläutert, wie wir unseren Gästen entgegenkommen dürfen.“ Der Landvogt von Gräflich Ingerimsschlund wies auf die Plätze und nahm als letzter zwischen seiner Knappin und der Herrin der Halle Platz.
Hinter den Landvogt, am Rande des Raumes, hatte bereits beim Eintreten der Kaiserlichen ein breitschultriger Angroscho mit auf dem Rücken verschränkten Händen gestanden. Er wirkte sehr aufmerksam angesichts der hochrangigen Gäste, hielt sich aber zunächst bewegungslos im Hintergrund. Der Wappenrock des Soldaten war in den gevierten Farben der Gräflich Schlunder Bombarden gehalten: Oben links die schwarze Blide auf goldenem Grund, unten rechts die gekreuzten Äxte in identischer Farbgebung. Die anderen Felder waren schlicht schwarz gehalten. Auffällig an dem Zwergen mit den kupferroten Haaren war der zu einem dicken Zopf geflochtene Bart, der von einer Eisenkugel, die dicker sein mochte als eine Kinderhand, immer perfekt zum Boden ausgerichtet wurde. Erst bei der Aufforderung Praiosmar von Hinns, sich zu setzen, kam Bewegung in den bulligen Zwergen und er nahm nahe beim Landvogt Platz und wurde von ihm als Thorin, Sohn des Thorgrimm vorgestellt.
Dann forderte Silvana Fuxfell zu einem kleinen Tischgebet auf, das den Handel segnen sollte, bevor sie das Gebäck empfahl.

„Vielen Dank Frau Fuxfell.“, nahm Praiosmar den Gesprächsfaden nach dem Gebet wieder auf. Frau Fuxfell wird dafür Sorge tragen, dass die wichtigen Ergebnisse unseres Treffens an die richtigen Stellen im Schlund gelangen und wir so unsere Gesprächsrunde klein halten können, ohne jemanden auszuschließen. Nun, kommen wir doch gleich zu den wichtigen Punkten. Wie ist die neue Marschallin und welche Unterstützung wünscht sie sich?“
„Zunächst einmal meinen herzlichen Dank für das freundliche und traviagefällige Willkommen, mein werter Praiosmar“, begann Siegerain. „Da aber noch nicht alle der hier Anwesenden einander kennen dürften, möchte ich mir zunächst erlauben, meine Begleiter und mich kurz vorzustellen.“
Nachdem sich alle miteinander bekanntgemacht hatten, fuhr der Oberst fort:
„Und nun zu Euren Fragen. Zur Marschallin vermag ich leider nichts zu sagen, da sich in der Kürze der Zeit noch keine Gelegenheit zu einer Begegnung ergeben hat. Aber Frau Veriya wird sowohl im Felde als auch in der Konversation als sehr durchsetzungsstark beschrieben. Sie dürfte daher ihrer neuen Stellung mehr als gewachsen sein. Allerdings sind wir nicht in ihrem Auftrag hier, sondern dem einer höheren Instanz, nämlich des Markgrafen und Kaiseringemahls Rondrigan Paligan, aus dessen Provinz das Gros der zu entsendeten Streitmacht stammen wird. Ich bin von seinem Heermeister Zivko von Zackenberg bevollmächtigt, mit Euch über die von der Grafschaft Schlund erwartete Unterstützung des Heerzuges zu sprechen, womit vorrangig Verpflegung und Unterbringung der Truppen gemeint sind.“
Siegerain hoffte, insbesondere mit seinen letzten Sätzen ebenso höflich wie bestimmt klargemacht zu haben, dass es sich bei diesem Treffen, bei aller persönlichen Sympathie für Praiosmar, nicht um Verhandlungen zwischen Gleichgestellten handelte, sondern um einigermaßen freundlich verpackte Forderungen der einen an die andere Seite. Etwas versöhnlicher setzte er noch hinzu:
„Aber bevor wir mit den eigentlichen Gesprächen beginnen, nähme ich – und meine Begleiter vermutlich ebenfalls – die Einladung an, uns zunächst ein wenig zu stärken; mit leerem Magen redet es sich so schlecht.“