Geschichten:Ankunft in Madramund III

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Mit zunehmender Ungeduld hatte Siegerain den langen Ausführungen Praiosmars gelauscht. Zuweilen hatte der Oberst hierbei den Eindruck, keinen politischen Verhandlungen, sondern einem Verkaufsgespräch über allerlei Waffen beizuwohnen. Und ob es nun wöchentlich eine Wagenladung Bier gab oder nicht, war für ihn ebenfalls kaum von herausragender Bedeutung. Als der Gastgeber seine Ausführungen beschloss und dem Befehliger des Bombardenregiments seinen Verhandlungsvorschlag überreichte, bemühte sich letzterer um ein Lächeln und erwiderte, während er das Dokument überflog:
“Ich danke Euch, Hochgeboren, für Eure ebenso ausführlichen wie freundlichen Worte sowie Eure vorbildliche Gastfreundschaft. Wir werden uns jetzt, wie von Euch vorgeschlagen, zu weiteren Beratungen zurückziehen und-”
Siegerain stutzte kurz und wirkte für einen kleinen Moment recht irritiert, bevor er einige Augenblicke später fortfuhr: “-und, äh, werden Euch umgehend in Kenntnis setzen lassen, wenn wir es geprüft haben und eine erste Einschätzung hierzu abgeben können.”
Mit einer kurzen Verbeugung und gemessenen Schrittes verließ er den Saal in Richtung der ihm und seinen Begleitern als Unterkunft zugewiesenen Villa.
Im Salon des Gebäudes angekommen, warf er die Offerte mit säuerlicher Miene auf den Tisch und wandte sich an die übrigen Mitglieder seiner Verhandlungsgruppe.
“Ich bin beinahe sprachlos. Entweder ist der Mann gänzlich von Hesinde verlassen, unglaublich naiv oder spielt hier sein ganz eigenes Spiel. Wobei ich nicht weiß, was schlimmer wäre. Doch lest selbst, bevor wir hier weiterreden.”

Salix nahm mit einem Stirnrunzeln den Stoß an Blättern entgegen und ging damit zu einer gepolsterten Sitzbank, die mit einer weiteren und zwei Sesseln eine gemütliche Möglichkeit bot, sich gemeinsam zusammenzusetzen und lange Abende zu verbringen. Nach Außen hin wirkte er ungerührt von der Einlage des Hinns, auch der Stoß, welcher die Worte des Hinns noch einmal ausgiebig wiedergaben, schaffte es nicht eine größere Regung in sein Gesicht zu zaubern. Erst als er fertig war legte er das Schreiben auf einen niedrigen Tisch vor sich und griff sich an den Nasenrücken, während er hörbar ausatmete. “Ja, das frage ich mich allerdings öfters, wenn ich es mit diesen Vögeln zu tun habe…”, murmelte er mehr zu sich. “Ich befürchte der gute Mann scheint nicht ganz verstanden zu haben, dass wir nicht von seiner Erlaucht geschickt wurden, sondern von seiner kaiserlichen Hoheit. Selbiges dürfte wohl auch für die uns bald folgenden Truppen gelten”. Er warf dem Oberst einen Blick zu, “das können wir so nicht stehen lassen”.

Elegant gekleidet und grazil wie immer schlenderte Astaran von Pfiffenstock zu dem Tischchen mit dem Hinn-Schreiben, nahm es und ließ sich in einen der Sessel fallen. Mit analytischen Blick las er das Geschriebene, ließ sich aber, ganz Diplomat, keinerlei Regungen anmerken. Als er geendet hatte, legte er es wieder behutsam auf das kleine Tischchen. "Meine lieben Freunde, welche erquickende Lektüre. Die Schlunder wollen also ihre Spielchen mit der Kaiserin spielen… das nenne ich mutig, oder aber lebensmüde. Wie dem auch sei, der Hinn soll seine Antwort bekommen, doch wir sollten behutsam vorgehen, ich ahne hier in Madramund haben die Gemäuer Ohren."

Der Edle zu Zackenberg kratzte sich am Kinn und blickte etwas misstrauisch Richtung Wand, eher er zustimmend nickte. “Ja, ich denke auch… Eine Antwort sind wir dem Hinn und Schlund schuldig. Ihre Findung sollte jedoch… Ohne aufbrausende Worte von statten finden, da bin ich bei Euch”.

Nachdem sich mit dem jungen Arion von Sandern und der Wächterin vom Darpat, Yanda von Gerben, auch die übrigen Delegationsmitglieder ablehnend zu der Offerte ihres Gastgebers geäußert hatten, ergriff nach einer kurzen Pause Oberst Siegerain wieder das Wort.
“Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir dieses, hm, ‘Angebot’ nicht als ernsthafte Verhandlungsgrundlage betrachten können. Ich sehe uns auch nicht in der Verpflichtung, hier ein Gegenangebot zu unterbreiten, denn dies sind keine Verhandlungen unter Gleichen sondern zwischen den Vertretern des Reiches und einem gräflichen Vogt. Eines Vogtes, der das ihm anvertraute Stück Land in einem Königreich verwaltet, dessen Herrscherin zugleich die Kaiserin ist. Die Kaiserin, die den anstehenden Feldzug befohlen hat und für die wir hier zumindest mittelbar sprechen. Es geht bei den Gesprächen hier also lediglich um Gesichtswahrung - dass des Hinns, wohlgemerkt - und um die Vermeidung unnötiger Verzögerungen beim Vormarsch des Heeres. Um dies sicherzustellen, wäre ich grundsätzlich auch zu kleineren Zugeständnissen unserem Gastgeber gegenüber bereit gewesen, aber das da-” Siegerain deutete mit beinahe angewidertem Antlitz auf das Verhandlungsangebot Praiosmars, “ist schlichtweg eine Frechheit oder ein mehr als schlechter Witz. Ich plädiere daher dafür, die Unterredungen gleich morgen früh - höflich aber bestimmt - mangels Verhandlungsgrundlage für beendet zu erklären und nach Perricum zurückzukehren. Meinungen?” Der Offizier ließ seinen Blick über die übrigen Anwesenden schweifen.

Der Adlige aus den Zacken nickte knapp, “Ihr habt Recht, Herr Oberst. Es gebietet die Selbstachtung und die Achtung vor der kaiserlichen Krone, dass wir auf so ein… Angebot mit genau einer Reaktion antworten können”. Der Adlige blickte kurz zum Edlen zu Haselpfort, “Wenngleich ich ob unserer gemeinsamen Vergangenheit auf einen einvernehmlichen Ausgang gehofft hatte”.

“Ich auch.”, erwiderte Siegerain lakonisch. “Aber offenkundig ist ein solcher Ausgang der Verhandlungen nicht gewünscht. Ob nun aus Torheit oder Selbstüberschätzung, kann uns einerlei sein. Bedauerlich ist es allemal, dachte ich doch bis vorhin, dass uns mit dem Vogt seit den Ereignissen damals in der Reichsstadt etwas miteinander verbände”, schloss der Offizier mit Blick auf Arion, Astaran und Salix.

Astaran wirkte gedankenverloren und tippte sich dabei auf seine Unterlippe. “Der Hinn ist der Hinn und der Schlund ist der Schlund.“ Dann sprang er auf und goss sich guten Perricumer Roten ein, den er aus seiner Heimat mitgebracht hatte und nippte daran. “Was die hier am Bier so finden, wenn die doch auch Rotwein trinken könnten? Aber wie dem auch sei … können wir den Schlundern wirklich verübeln, dass sie aus dieser Situation ihren Vorteil schlagen wollen? Wir hätten doch dasselbe getan. Versteht mich nicht falsch, meine Herren, verehrte Dame, natürlich finde auch ich die Vorschläge des Hinn so nicht hinnehmbar, aber bei der Überbringung der frohen Botschaft ist dann doch eher diplomatisches Fingerspitzengefühl, als militärisches Poltern angebracht.“

“Das versteht sich, denke ich, von selbst.”, antwortete Siegerain. "Aber bevor wir zum ‘Wie’ kommen, sollten wir erst das ‘Was’ klären".