Geschichten:Ankunft in Madramund VII

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Hinn hatte die Worte der Perricumer und des Angroscho mit nüchterner Ruhe aufgenommen und schaute seinem aufgewühlten Freund hinterher.

„Mir scheint, jetzt habt ihr mir den Nächsten vergrault. Und nebenbei noch so leichtfertig den Grafen mit euren Vorwürfen insultiert. Dabei ist euch scheinbar aus euren Erinnerungen entfallen, dass die vorangegangene Wasserburger Fehde, im Vorgarten des Markgrafen, von seiner Gnaden und den kaiserlichen Seinen keine so auffällige Zügelung erfuhr, wie ihr sie vom Grafen scheinbar fordert. Da wir nun so offen sind und die Masken fallen. Ich bin nun jedenfalls gespannt, welche neue Ordnung aus dieser... Strategie entspringen soll und warum das Volk der Kaiserin und ihrem Gemahl für dieses zweierlei Maß letztendlich zujubeln sollte. So hoffe ich doch inständig, dass diese Fehleinschätzung ganz bei mir liegt. Aber schon alleine die famose Idee, mir für mein Mitwissen um dieses Perricumer Intrigenspiel, diesen Orden an das Brevier zu heften und wirklich zu glauben, man könne mich hier derart einseitig vor den Karren spannen, um meinen Grafen oder den Schlund zu diskreditieren, scheint mir wenig weitsichtig. Ich hatte von Euch eigentlich etwas mehr Spielbereitschaft erwartet, so wie ich euch in Perricum kennenlernen durfte. So muss ich mich doch bei euch für diese Fehleinschätzung entschuldigen und das ich uns jetzt in diese peinliche Lage gebracht habe. Aber ich danke euch, dass ihr jetzt die wichtigsten Details des Unterfangens offenbart habt. Wenn alles also darauf abzielt die Mächtigen unterhalb der Krone zu schwächen, muss es um das Kaiserhaus selbst doch schlimmer bestellt sein, als ich gedacht habe.“ Der Hinn wurde kurz etwas nachdenklich bevor er weiter sprach. „Das bedrückt mich sehr. Ich hatte sehr viel Hoffnung in die Kaiserin gesetzt und würde dem Reich gerne weiter dienen, wie ich es als kleiner Landvogt vermag. Einen treuen, wie politisch wenig ambitionierten Grafen, wie dem vom Schlund, sollte man sich aber nicht leichtfertig vergrätzen. Noch dazu weil solcherlei Anschuldigungen gegen meinen Grafen ins Leere laufen dürften, da spätestens ich sämtliche Verantwortung für die Fehde auf meine Schultern nehmen kann, wenn es zu dieser Frage kommt. Ich fürchte die neue Ordnung, die uns hier präsentiert wird, wird unweigerlich in ein Desaster führen. Da scheint mir die Wacht an der Brache doch nun weniger heikel, als das was der neuen Marschällin noch bevorsteht. Ich werde mich nach einer ausgiebigen Beichte, über das was mir noch auf der Seele lastet, gleich morgen Früh zur Klausur nach Sankt Ogdolf begeben und dort mein Fasten beginnen.“, der Hinn nickte der Phexgeweihten am Tische zu. „Von einem Besuch in Perricum sehe ich daher auf absehbare Zeit ab, wie ihr verstehen werdet. Aber ihr könnt mich in den Mauern des Klosters gerne für weitere Konsultationen aufsuchen, solange euer Zeitfenster es euch erlaubt. Ich danke für den aufschlussreichen Besuch!“

Hatte Siegerain den ebenso stürmischen wie unerwarteten Abgang des Zwergen noch lediglich mit einem Kopfschütteln und der knappen Bemerkung, dass man Reisende nicht aufhalten solle, quittiert, so strapazierte die erneute Rede Praiosmars des Obersts Selbstbeherrschung beinahe bis zum Äußersten. Dann setzte der Offizier mit eiseskalter Stimme und Miene zu einer Erwiderung an.
“Nun, dann wäre damit wohl beinahe alles gesagt. ‘Beinahe’, denn auf zwei Punkte möchte ich zum Abschluss dieser Unterredung noch hinweisen. Erstens: Wir betreiben hier kein ‘Perricumer Intrigenspiel’; dazu ist die Lage viel zu ernst. Und was hätten wir hier auch zu gewinnen? Richtig, gar nichts. Zweitens: Ein Urteil darüber, inwieweit das Handeln ihrer kaiserlichen Majestät, für die wir hier mittelbar sprechen, nun weise oder gerecht war und ist, steht uns nicht zu. Bona causa nullum iudicem verebitur! Klug hingegen erscheint es mir allemal, diese närrische Fehde jetzt mit der nötigen Entschlossenheit beenden zu wollen. Ich wünsche alles Gute und Hesindes Erleuchtung während Eurer anstehenden Klausur.”
Nach einer knappen Verbeugung vor dem Vogt wandte sich Siegerain zum Gehen.
Auf halbem Wege zum Ausgang umspielte jedoch plötzlich ein beinahe wölfisches Lächeln das zuvor so beherrscht wirkende Antlitz des Obersts. “Und vielen Dank für den Kuchen!”, rief er plötzlich aus, bevor er den Saal verließ.

Während Salix der Verabschiedung des Zwergs lediglich ein Nicken in dessen Richtung schenkte, war er dem Monolog des Landvogts aufmerksam, jedoch stumm, gefolgt. Und nur ein wahrlich meisterhafter Boltanspieler hätte die Enttäuschung in seinen Gesichtszügen bemerkt. Als der Oberst dann jedoch, sichtlich um Beherrschung ringend, seine Erwiderung auf Praiosmars Worte folgen ließ, schreckte er zusammen. Perplex blickte er Siegerain einen kurzen Moment hinterher, wandte sich dann zu den restlichen im Raum verbliebenen Leuten, stand auf, verbeugte sich angemessen und ging dann gemächlichen Schrittes dem Mann des Bombardenregiments hinterher.

Astaran von Pfiffenstock hatte die Szenerie nach außen ungerührt verfolgt und wandte sich nach dem Abgang vom Oberst und vom Hardenstatt an die beiden verbliebenen Perricumer am Tisch. ”Ich denke, wir werden hier nun nicht mehr gebraucht.” An die Schlunder gerichtet ergänzte er: ”Ein Ausflug in den Schlund ist doch immer was erbauliches. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch.” Der Nebachote stand auf und Arion von Sandern sowie Yanda von Gerben taten es ihm gleich. An der Tür angekommen, zauberte sich ein breites Grinsen auf seine Gesichtszüge. Er wusste nicht, wie die anderen Perricumer den Ausgang der Gespräche bewerteten, er jedenfalls war sehr zufrieden. Einen Moment dachte er an Hinns Vergleich mit der Wasserburger Fehde. Nun, der Markgraf hatte in dem Fall den amtierenden Lehnsnehmer entlehnt. Womöglich hatte dieses Vorgehen Vorbildcharakter? Wie er aus sicherer Quelle wusste, bereitete das Meilersgrunder Krongericht bereits Klagen gegen Hochadlige vor.

Nach dem der letzte Gast gegangen war, wandte sich die alte Amsel an die Baronin von Ritzewull, die still neben ihr saß. „Interessante Spielfiguren haben das Spielbrett betreten. Besonders dieser Hardenstatt, der mir bei der Winterhochzeit schon auffiel. Ich liebe sein Mienenspiel. Schauen wir, wo das Spiel noch hin führt.“ Die Baronin schloss die Gucklöcher, die sich in den Augen spielender Füchse, hoch oben im Wandgemälde des Saales, verbargen und setzte ein hintergründiges Lächeln auf.