Geschichten:Grauen am Darpat - Blutschwur

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Dramatis Personae


Junkertum Kaltengrundt

Die Frau wusste nicht was tun. Das Goldauge, dass eben hier herein geschneit war, war ihr gänzlich fremd, hatte also mit der gestrigen Nacht nichts zu tun. Und jetzt sollte noch ein weiterer Nebachote den Raum betreten. Sie wog ihre Chancen zu Flucht ab. Es stand denkbar schlecht, also ließ sie die bewehrte Hand in geübt fließender Bewegung hinter dem Rücken verschwinden. Bei dieser Geste wurden weitere Mal an ihren Oberarmen sichtbar.

Vor der Tür war die Verwirrung groß. Dem einen wachhabenden Mann wurde es nun allerdings zu bunt. Sicher, er glaubte kaum, dass die Frau verschwinden würde, aber ob seinem Herren die Aufmerksamkeit recht war, daran hate er so seine Zweifel. Die Schwester war eine Sache, aber ein Fremder, noch dazu nebachotischer Gast. Die Frau war ja nun wirklich keine Augenweide mehr.

„Geh such ihn.“ hörten sie noch, als sich dir Türe hinter Kor’win schloß.

Zornig funkelte nun Leomara die Männer an. „Es steht euch nicht an in diesem Ton über meine Wünsche hinweg zu gehen.“ Es kostete sie viel Mühe nicht zu schreien, sondern zu flüstern. „Ich war und bin der Meinung, dass es besser gewesen wäre, wenn der Jäger davon nichts gewusst hätte.“ Ihre Haltung drückte in hohem Maße Unzufriedenheit und Besorgnis aus. Vorsichtig ging sie auf die Frau mit beschwichtigender Geste zu, derweil sie weiter mit Marnion sprach.

„Eilt euch, sie holen ihn. Was wolltet ihr damit sagen? Quanion von Isenbrunn hat sie euch geschickt? Wer hat ihr Gewalt angetan, und warum ist sie dann unter Bewachung?“

Mißtrauen lag in ihrem Ton. Sie wusste genau wie sich diese Frau fühlte, wenn der Junker nicht log. Ein Brennen in der Bauch- und Schamgegend machte sich breit und alle Müdigkeit war verschwunden.

Der alte Jäger blieb derweilen an der Tür stehen und überflog die ihm gebotene Szenerie mit den Augen. Er erkannte in dem Mädchen eben jenes, dem Kain vorletzte Nacht gefolgt war. Doch so wie sie heute aussah, war sie eher zu bedauern, denn zu bewundern.

„Ich habe gute Gründe Eueren Wunsch zu wider zu handeln, Euer Wohlgeboren. Ich fürchte es gibt keinen Zweifel, das sich Quanion und seine Untergebenen an ihr vergangen haben. Ich selbst habe sie bereits einmal aus der Hand von Quanion heraus geredet, als er sie zwingen wollte ihm zu willen zu sein, in der Nacht als wir uns kennen lernten. Leider war der Erfolg nicht von Dauer und Quanion hat sie zu mir geschickt um seinen Triumph anzuzeigen und mich zu provozieren, er hat mir in jener Nacht gedroht und ich zweifle nicht daran, das er seiner Drohung Taten folgen lassen will. Die Bewachung zeigt mir an, das er mit Ta´ira noch nicht am Ende ist, nachdem er sie mir gezeigt hat, wird ihm nicht daran gelegen sein, wenn sie eine Aussage machen würde. Sie ist zwar nur eine rechtlose Zahori, aber er hat sie so übel zugerichtet, das sich das nicht mehr ohne Gesichtsverlust erklären läßt. Wenn ihr an meinem Worten zweifelt wird Euch Ta ´ira das sicher bestätigen. Nicht wahr Ta´ira?”

„Kor´win habt dank für Eueren Einsatz, der Grund weswegen ich Euch an meiner Seite wissen möchte, ist rechtlicher Natur. Ich brauche einen Zeugen aus meinem Volke. Ihr habt vielleicht schon gehört, das ich in den letzten Jahren nicht allzu wählerisch war, was Rekrutierungen für meine Sippe anging. Das mag den meisten unserer Brüder falsch erscheinen, aber die Götter hätten nicht so viele von meiner Familie zu sich geholt ohne uns dafür wieder etwas neues zu geben.”

Die Augen Kor’wins verengten sich jetzt zu schmalen Schlitzen, ahnte er doch, was nun folgen würde.

„Ta´ira. Wir haben nicht viel Zeit bis Quanion hier eintrifft. Hör mir deshalb jetzt genau zu."

In der Miene der Frau spiegelte sich nach wie vor ihre Unentschlossenheit aber auch der pure Wille zu überleben.

"Ich habe in jener Nacht die Entscheidung getroffen, mich in Dein Leben einzumischen, und ich stelle mich der Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidung. Du gehörst einem stolzen Volk an, aber ihr seid ein Volk ohne Heimat und ohne Recht. Mit bebenden Nasenflügeln maß sie ihn so herablassend, als ob er der Bittsteller wäre, der um Gnade fleht. Meine Sippe hat Heimat und Recht die so alt sind wie die Berge selbst in denen wir wohnen. Ein Umstand, der Dir nützen, Dich aber auch zerstören kann. Du hast einen starken Geist, das begrüße ich, aber wenn Du Dich nicht kontrollieren kannst wird es Dir zum Verhängnis werden. Ich kann Dicht nicht in meine Sippe aufnehmen, wie ich es mit anderen getan habe, dazu müßtest Du unsere Sprache sprechen und unsere Kultur leben. Aber wenn Du willst kannst Du ein Kel´zen Djer werden. Eine Schutzbefohlene meiner Sippe, im Raulschen Reich würden sie dazu Vasall sagen. Das trifft es aber nicht. Ein Kel´zen Djer ist mir als Sippenoberhaupt zur Treue und Gehorsam verpflichtet. Die Sippe aber ebenso zum Schutz und zur Förderung. Das heißt. das keiner von Dir solche Dinge verlangen oder erzwingen darf wie dieser Quanion. Ich würde dafür sorgen das Du eine Ausbildung erhälst, die es Dir ermöglicht, das zu erfüllen, was Du bei den Göttern geschworen hast. Machst Du aber der Sippe Schande, indem Du Befehlen nicht gehorchst, oder etwas tust, was der Sippe schadet, dann würde ich Dich ohne zu zögern töten, wie eine räudige Khoramsbestie. Hast Du verstanden was ich Dir sage?”

„Willlst Du ein Kel´zen Djer sein?”

Innerlich stöhnte Kor’win auf. Sicherlich, das Mädchen war in einem bedauernswertem Zustand, aber sie war auch nur eine Zahori. Wieso nahm der Maroulum (Junker) den Ärger auf sich, der auf dieses Angebot sicherlich folgen würde. Sie schüttelte den Kopf, als ob sie Wasser aus ihm vertreiben wollte. Dann legte sie den Kopf schief und schaute ihn erstaunt an. „Was willst du? Isch soll eine von deinen Mägden werden?“

Leomara ließ verzweifelt ihr Haupt auf die Brust sinken.

„Das ist doch alles Irrsinn hier! Was habe ich verbrochen, dass sich die Götter derart gegen mich stellen?“ Sie hatte mehr leise zu sich selbst gesprochen. Ihr Bruder war ein Narr. Dies ging eindeutig zu weit. Ihre Kraft sich auf den Beinen zu halten war erschöpft. Die Narben brannten und sie war unendlich müde. Kraftlos ließ sie sich auf die Bettstatt sinken.

„Marnion, wenn dass alles stimmt, könnten wir sie...“ Doch die Frau fiel ihr ins Wort.

„Ich werde eine Kelssenn Dierr sein. Aber wenn isch sähe, dass du Wort brichst bin isch weg.“

‚Nein, tot.‘ Dachte sich der alte Jäger, schwieg jedoch weiterhin.

Die Tänzerin zog die Scherbe hinter ihrem Rücken hervor, und ritzte sich den Unterarm damit leicht auf. Erwartungsvoll schaute sie den Nebachoten an. Der Junker schaute fast ein wenig überrascht, als hätte er Zweifel gehabt ob Ta ´ira sein überraschendes Angebot annehmen würde, doch als die Tänzerin sich schnitt lächelte er und ging zu ihr. Marnion streckte die Hand aus und die Scherbe wurde ihm zögernd und stockend überreicht. Daraufhn schnitt sich auch der Nebachote mit der Scherbe, zuerst in den linken Arm, dann in den rechten Arm.

Nicht schon wieder so viel Blut...Leomara wurde nun regelrecht schlecht.

Marnion tippte mit dem Zeigefinger in den frischen Schnitt von Ta´ira.

„Du bist würdig. Ich nehme DIch hier im Beisein von Kor’win Beshir’a Danal han Bahr ai Danal, einem ehrenwerten Streiter unseres Volkes, als Kel´zen Djer an.”

Dabei zeichnete er mit den in Blut getauchten Finger ein Dreieck auf Taíras Stirn.

„Fortan gibt Dir die Familie Kel´zen Tell Schutz und Obdach.” Sein Finger tauchte nun in den Schnitt an seinem linken Arm und zeichnete ein zweites Dreieck neben das erste.

„Ich Marnion ai Kel´zen Djer a Kel´zen Tell werde Dir als Sippenoberhaupt Weisung, Führung und Anleitung geben, damit Du dereinst Teil der Familie sein kannst.” Wieder tauchte der Finger herab, diesmal nahm er das Blut vom rechten Arm und zeichnete Ta´ íra zwischen die beiden Dreiecke einen Pfeil auf die Stirn. ,,Du bist fortan Ta´ira ai Kel´zen Djer. Ehre diesen Namen sabaam sharisar, das heißt meine tanzende Tochter.” Bei diesem Worten umarmte er die überraschte Frau, die sich sofort versteifte und zu zittern begann, als sie Panik erfaßte. Doch der Griff um ihren Leib löste sich wieder und vormalige Zahori war nun frei. Kor’win beobachtete das Ritual emotionslos.

„Das wird euch aber nicht wirklich schützen.“ Leomaras Stimme brach. Kraftlos sprach sie weiter. „Kor’win bringt ihr sie auf die Burg? Dort wäre sie sicher. Ich kann euch meinen Siegelring geben, damit wird sie sicher bis morgen dort untergebracht. Ihr könntet bei ihr bleiben.“

Zunächst schaute der Jäger die Ritterin fragend an, so in der Art als ob er sie fragen wollte , was habe ich damit zu tun. Dann jedoch verhärtete sich sein Gesichtsausdruck und er nickte Leomara zu. Auffordernd streckte er die Hand aus, um den Siegelring in Empfang zu nehmen. Umständlich überreichte ihm Leomara den Ring. Fast traurig war ihr Blick dabei, den sie auf das Wappen warf. Es war das Gnitzenkuhler nicht das Isenbrunner Wappen, das jetzt in einer Gürteltasche des Jägers verschwand.

„Wir brauchän Pfärde. Kain und maines stähen noch in där Stadt.“ Leomara fluchte innerlich, aber der Jäger hatte Recht. Zu Fuß würden sie ggf. nicht weit kommen.


„Geht runter in den Stall. Ich gebe Euch die Erlaubnis zwei Pferde zu nehmen.“

Der Junker war damit einverstanden.

„Wohl gesprochen Leomara, wir wollen nichts herausfordern. Doch bitte ich darum, das sie mit Verbänden und Kräutern versorgt wird, damit ihr nicht mehr Schaden bleibt als ohnehin schon geschehen. Natürlich werde ich gerne dafür aufkommen. Ich habe die Gastfreundschaft von Euch und Euerer Schwester schon über Gebühr in Anspruch genommen.”

„Schwester?“ fragte sie leicht fragend. Irritiert sah sie ihn an. Sie musste sich verhört haben. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit. Was hatte Unswin noch gesagt, der Kelsensteiner Junker wäre im Nebenzimmer gesessen, als der unsägliche Streit mit ihrem Vater und Bruder statt gefunden hatte. Ihre goldenen Augen wurden groß vor Überraschung als sie ihn musterte.

Marnion versuchte sich nichts vor Kor´win anmerken zu lassen. Er konnte aber nicht verhindern, das er rot anlief. Das hatte er nicht vorgehabt zu sagen. Laut sagte sie zu Kor’win gewandt.

„Schau zu, dass die Torwache euch in meinem Zimmer unterbringt. Die Tür läßt sich gut verriegeln. Dort findet ihr in meiner Truhe alles weitere was ihr für einen Verband braucht. Die Frau kann sich sicher fürs erste behelfen.“

Dann ging Kor’win auf die Tänzerin zu. Musterte sie kurz, hob sein Knie an, griff seitlich an seinen Stiefel und zog einen Dolch heraus. Diesen hielt er kurz in der Hand, so das sich das Licht der Kerzen auf seiner Klinge spiegelte und reichte ihn dann – mit dem Griff voran – Ta’ira. „Hier nimm! Där ist bässer als die albärne Schärbe.“

Marnion nickte Ta íra zum Zeichen der Erlaubnis zu, als Antwort auf ihren fragenden Blick.

„Ta´ira ich werde Dich morgen früh abholen. Du wirst Dich ausruhen und nichts weiter unternehmen. Wenn Du jemanden triffst, wirst Du sofort auf Kor´win verweisen und Deinen neuen Namen nennen. Und Du läßt Dich auf gar keinen Fall zu irgend einer Aktion provozieren, auch wenn Du Quanion sehen solltest. Dein Tag wird kommen, denke stets daran.”

Ta’ira musterte Leomara. Scheinbar hatte sie nun aus den Gesprächen geschlossen, dass diese Frau mit ihrem Peiniger näher bekannt war.

„Isch schwörä, ich werde läbän und der Tag meine Blutrache wird kommän.“

„Gänug geschworen, komm!“ Kor’win deutet der Tänzerin an, ihm zu folgen, während Marion die Tür offnen und die Wache ansprach, die sogleich herum gefahren war.

„Richte Deinem Herrn meinen Dank aus. Ich habe sein Geschenk angenommen. Dieses Weib, Ta ´íra hat mir den Lehneid geleistet. Sie ist ab heute keine rechtlose Zahori mehr, sondern ein Kel´zen Djer, ein Vasall vom mir und meiner Sippe. Wer ihr ab jetzt Unrecht tut, der tut es der ganzen Sippe Kel´zen Tell. Sagt das Eueren Herrn und sagt ihn auch, dass ich die Gastfreundschaft seines Hauses nicht auch noch mit meinem Vasallen belasten werde. Ich werde ihr anderweitig ein Quartier zuweisen.”


Wenig intelligent schaute ihn die Wache an. Er war inzwischen alleine vor der Tür, und hatte Order sich nicht zu rühren, bis sein Kumpan wieder da war.

„Befehl ist Befehl...“ Müde trat nun Leomara heran.

„Geh schon, ich bin ja hier. Schau unten im Weinkeller nach, gründlich! Ich bin mir sicher da wirst du ihn finden.“ Ein Lächeln huschte über das stopplige Gesicht des Mannes.

„Is gut, wie ihr wünscht Wohlgeboren.“ Leomara ging wieder zurück, und ließ sich auf ihren alten Platz sinken. Während Kor’win mit der Tänzerin den Raum verließ, war aus Leomaras Richtung nur ein Seufzen zu hören.



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Texte der Hauptreihe:
1. Rah 1032 BF zur nächtlichen Rahjastunde
Blutschwur
Unbequeme Wahrheiten


Kapitel 60

Eine Nacht geht zu Ende
Autor: Alex N., Eslam, Hermann K., Nicole R., Marcus F., Robert O.