Geschichten:Grauen am Darpat - Von Schlangen und Delfinen

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Dramatis Personae

Stadt Gnitzenkuhl- Ingerimm 1032 BF

Während Hakon mit unter den linken Arm geklemmten Dreispitz vor die Baronin trat, sah er sich kurz im Saal um und grüßte die übrigen Anwesenden mit einem kurzen Nicken. Stolz trug er den blauen Rock der Marine, dazu sein Schwert an der Seite. Auch wenn er vor allem Seefahrer war, so war er doch Ritter. Er verbeugte sich leicht in Richtung Geshlas, ehe er zu sprechen begann. "Die Zwölfe zum Gruß, Hochgeboren. Hakon von Sturmfels, Erster Markgräflicher Flusskapitän und Beauftragter zur Sicherung des Darpats." Er sah keinen Sinn darin lange um den heißen Brei herum zu reden und kam gleich zur Sache. "Der Markgraf entsandte mich mit der 'Admiral Dozman', um den Gerüchten ob eines 'Ungeheuers' nachzugehen. In meiner Begleitung sind seine Hochwürden, Taseco Efferdicas, Praetor des Efferdtempel von Dergelmund, und einer meiner Offiziere, Egilmar Winterkorn. Die Spur führte uns in Euer Lehen, so dass ich hoffe, von Euch weiteres erfahren zu können."

Geshla von Gnitzenkuhl erhob sich und strich sich mit einer geübten Geste eine ins Gesicht verirrte Haarlocke hinter das Ohr zurück. Blasse Haut bei der man die feinen Adern die darunter lagen erahnen konnte, ließ sie zart und zerbrechlich wirken. Das dunkle Haar und die ebenfalls fast schwarzen Augen boten dazu einen scharfen Kontrast. Lächelnd trat sie den Ankömmlingen einen Schritt entgegen. "Es ist mir eine Freude und Ehre gleichermaßen euch hier in Gnitzenkuhl willkommen heißen zu dürfen, Hochwürden Taseco Efferdicas und Wohlgeboren Hakon von Sturmfels." Sie wandte dann zunächst ihre Aufmerksamkeit dem Kapitän des Markgrafen zu. "Es freut mich, dass der Markgraf sogleich Unterstützung in Form eurer Person nebst Schiff auf den Weg geschickt hat. Ein willkommenes Zeichen in solch unruhigen Zeiten. Gut zu wissen, dass der Darpat als Handelsstraße zu Wasser sicher bleiben soll." Dann neigte sie das Haupt vor dem Praetor des Efferdtempels von Dergelmund. "Ich bin beruhigt, dass mit euch nun auch ein hoher Vertreter jener Kirche eingetroffen ist, der dieses Geschöpf, welches aus dem Wasser zu kommen scheint, wohl am ehesten einzuschätzen vermag." Sie trat nun inmitten unter die versammelten Männer und sprach während sie mit hinter der Taille verschränkten Händen umher schritt. Ihre Ritterin beobachtete sie dabei aufmerksam und kam ihrerseits aus dem Schatten des Thrones herausgetreten. Der Staub in der Kleidung und auch die Reste von Stroh im Haar legten nahe, dass sie mitten in ihrer Arbeit gestört worden war. Ihre Statur war wesentlich robuster und muskulöser. Die Schritte der Baronin nahm man nicht wahr, derweil die beiden, die Leomara von Isenbrunn zu ihnen herantrat durch die schweren Stiefel laut und fast unangenehm aufdringlich wirkten hier in dieser edlen Umgebung.

"Inzwischen sind wir davon überzeugt Kapitän, dass es sich hier nicht nur um ein Hirngespinst betrunkener Seeleute und Fischer handelt, sondern zumindest um eine Störung die selbst gestandene Recken in die Flucht treibt. Verletzte und auch verschollene Handelsgüter galt es schon zu beklagen. Allerdings können wir bislang keine gesicherten Erkenntnisse vorweisen wann sich das Tier wo, und wie zu erkennen gegeben hat." Diese Äußerung tat sie in Richtung der Abordnung der Zornesritter, die ja zuvor genau dies in Erfahrung hatten bringen wollen. Dabei blieb ihr Blick irritiert auf dem vernarbten Antlitz des jungen Edelknappen hängen. So als ob sie ihn erst jetzt wahrnehmen würde betrachtete sie sein Gesicht. Als wenn eine Grenze es in zwei Hälften teilte, schien die eine Seite unversehrt, die andere jedoch aufs übelste vernarbt. Sie senkte kurz den Blick und fuhr nach einem Räuspern ihre Rede fort. "Einzig die Bewegung vom Meer landeinwärts den Darpat hinauf kann man als gesichert annehmen. Ich schlage vor wir erwarten noch die Ankunft der beiden Junker aus Löwentor und Kelsenburg um anschließend gemeinsam zu beratschlagen wie man unsere Kräfte am effizientesten einsetzen kann. Sicher liegt die größte Schwierigkeit darin nicht zu wissen wann dieses Untier auftaucht. Wohin es will und was es treibt. Ihr könnt bis zum frühen Abendmahl gerne die Annehmlichkeiten in meinen bescheidenen Räumen in Anspruch nehmen. Diener und mein guter Praiowyn hier werden sich um eure Unterkünfte kümmern. Solltet ihr lieber noch im Tageslicht nach draußen reiten wollen um euch die Stelle am Darpat anzusehen, wird euch meine Ritterin Leomara von Isenbrunn dorthin geleiten." Aufmerksam betrachtete sie sich noch einmal die Anwesenden und nickte dann zuversichtlich.

Für einen Moment hatte sie ihm direkt in die Augen geschaut, bevor ihr Blick zu seiner entstellten linken Gesichtshälfte abgeglitten war. Der vergebliche Versuch das Gesehene zu begreifen hatte sich deutlich in ihrem Gesicht widergespiegelt. Eine Reaktion die Unswin nur allzu bekannt war und die bei ihm kaum noch mehr als ein leichtes verbittertes Lächeln hervor rief. Trotzdem hielt er seinen Blick weiter auf sie gerichtet um auch den meist zwangsläufig folgenden Ausdruck des Ekels in ihrem Gesicht zu sehen. Immerhin besaß die Baronin genügend Anstand um sich fast augenblicklich wieder zu fangen und ihre Rede zu beenden. Zu Unswins Verwunderung zeigte sie aber kein Anzeichen der Abscheu oder eine ähnliche von ihm erwartete Reaktion, sondern schien einfach unbekümmert an der Stelle fortzufahren wo sie sich unterbrochen hatte. Ganz so, als hätte sie sein Anblick in keinster Weise berührt. Das wiederum verunsicherte Unswin nun ungemein, da er viele Reaktionen gewohnt war jedoch nicht diese. Deswegen war es nun an ihm den Kopf zu senken als die Baronin ihren Blick erneut durch die Runde schweifen ließ, da er seine Verunsicherung zu verbergen suchte.

"Wenn vorerst keine dringenden Fragen mehr anliegen, würde ich mich gerne in mein Arbeitszimmer zurückziehen. Ich muss mich noch meinen Geschäften widmen, bevor ich mich ebenfalls zu Euch und damit wohl der Hatz auf das Untier anschließen kann."

"Hochgeboren", der Sturmfelser verbeugte sich kurz in Richtung Geshlas und wartete nur so lange wie es die Höflichkeit gebot, ehe er sich der Ritterin zuwandte.

"Euer Hochgeboren, verbindlichsten Dank!" fügte der Leutnant des Zornesordens hinzu und so verabschiedete auch er sich von der Gastgeberin mit dem rondrianischen Gruß.

Derweil richteten sich die Blicke den verbliebenen Bediensteten Geshlas zu. Sowohl Praiowyn als auch Leomara von Isenbrunn richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Wünsche der Versammelten. Der befehlsgewohnte Kapitän machte ohne Umschweife den Anfang.

"Hohe Dame, ich nehme an die Stelle ist nicht allzu weit. Wenn Ihr beschreibt, wo wir suchen müssen, würde ich mich mit meinem Schiff auf den Weg machen. Es kommt aus dem Darpat, also sollten wir auch am und auf dem Fluss nachsehen."

Jetzt kam Leomara in ihre Runde hinzu. Neugierig musterte sie die versammelte Truppe und schien deutlich gelöster als noch vor wenigen Augenblicken, als der Vogt und die Baronin noch zugegen waren. Die Frage des Flusskapitäns quittierte sie mit einem zustimmenden Nicken, und antwortete so laut, dass auch die anderen Anwesenden mithören konnten was sie sagte. "Eine sehr gute Idee Wohlgeboren. Allein bin mir unsicher, ob ich die Stelle finden würde, vom Wasser aus besehen meine ich." Sie lächelte und zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Es gibt wenig markante Stellen in diesem Bereich des Ufers, der Röhrichtgürtel ist breit." Sie rieb sich nachdenklich das Kinn. "Ach ich denke die Gelegenheit auch einmal die Sache vom Wasser aus zu betrachten wird sich für mich zwangsläufig in Bälde erneut ergeben. Ich glaube es wäre dienlicher, wenn ich euch vom Ufer aus anzeige, wo der Wagen abkam und die Tiere durchgingen. Dann sind wir uns wenigstens sicher. Solltet ihr vom Fluss aus etwas Absonderliches sehen, könnte ich wiederum schnell mit dem Pferd hin reiten." Abenteuerlustig funkelten dabei ihre hellen Augen. Dann drehte sich so, dass sie auch die Reaktionen der Mitglieder es Zornesordens sehen konnte.

Alfred Beradje, der Leutnant der Zornesritter wandte sich dem Sturmfelser zu. "Euer Wohlgeboren, sollte indes noch Platz auf Eurem Schiff sein, ist es uns ein Anliegen Euch zu begleiten – ist dies wohl möglich?"

"Die ‚Admiral Dozman' wird Euch tragen und jedes weitere Augenpaar wird uns in dieser Sache helfen, " reagierte dieser auf die Frage des Zornesritters. "Machen wir es so, wie Ihr es vorschlagt, Hohe Dame. Doch eines noch. Ich bin weder Edler noch Junker. Auch wenn es wohl neuerdings der Etikette entspricht uns Ritter wir diese zu titulieren, will mir dies doch als Anmaßung erscheinen."

"Hoher Herr?" Unswins erste Worte die er innerhalb der Burgmauern äußerte klangen rauh und spröde, als hätte er zuvor schon lange geschwiegen. "Wenn Ihr erlaubt hielte ich es für ratsam auch an Land ein Paar Augen und ein Schwert des Ordens zu wissen. Da Ihr und Ihro Gnaden an Bord des Schiffes gehen wollt, biete ich mich an die werte Ritterin an Land zu begleiten." Abwartend und mit demütiger Zurückhaltung sah er seinen Schwertherren Alfred Beradje an und wartet auf seinen Entschluss.

Irgendwie schien Alfred etwas abgelenkt zu sein oder an etwas anderes zu denken als er sagte, „Ja, Unswin, das ist eine gute Idee, machen wir es so!"

***

Praiowyn seufzte, und schaute schicksalsergeben der Schar zu, die nun aus dem Burgtor hinunter in die Stadt zog. Die Hohe Dame Leomara von Isenbrunn würde den Herrschaften die Stelle zeigen an dem das Ungeheuer sich gezeigt hatte. Der junge Knappe sollte auf dem Schiff des adretten Kapitäns mitfahren. Glücklich hatte er darüber nicht ausgesehen, doch was sollte er machen bei einer Schwertmutter wie Leomara. Sie wusste genau, dass der Bengel das Wasser mied wo es nur ging. Zum Abendessen wurden sie zurück erwartet. Bis dahin galt es viel zu richten. Das Bad musste angeheizt werden, die Küche hatte überraschend viele Münder zu stopfen. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle, doch schon hörte er den Ruf einer vertrauten Stimme: "Verdammt Praiowyn wo seid ihr nur wieder?" Schwerfällig brachte die müden Knochen in Bewegung und eilte so gut es ging in das Arbeitszimmer der Baronin.

Inzwischen war es im Thronsaal ruhig geworden. Die hohen Herren hatten sich zusammen mit der Ritterin bereits auf die erste Spurensuche begeben und alles, was jetzt noch von ihnen zurückblieb, waren schlammige Fußabdrücke auf dem Holzboden. Doch der Moment der Stille währte nicht lange. Kurze Zeit später kündigte die Torwache bereits das Eintreffen der beiden Junker aus der Baronie Wasserburg an. Baronin Geshla von Gnitzenkuhl ließ sie in ihr Arbeitszimmer bringen, wo sie sich noch mit ihrem Vogt besprach. Von draußen vom Gang näherte sich das klickende Geräusch der Sporen auf dem Steinboden und die Tür schwang auf. Den Raum betraten zwei Herren, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Als erster erschien der Junker von Kelsenstein. Forschen Schrittes betrat der dunkelhäutige Nebachote den Saal. Der Hüne mit schwarzem glatten Haar und mit für sein Volk ungewöhnlich kantigen Gesichtszügen, ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, schien aber die schöne Baronin nicht zu bemerken, obwohl sie doch nur durch einen Schreibtisch getrennt vor ihm saß. Der Junker trug den Mantikor unter einem Berge als Wappen auf seinem gülden glänzenden Wappenrock. Er ging einfach zur Seite, als suche er nach einer weiteren Tür, ohne die Baronin eines weiteren Blickes zu würdigen. Dabei klirrte sein an der Seite mit einer Schärpe gegürtetes Schwert leicht an die beschlagene Lederrüstung, die unter dem Wappenrock hervorlugte.

Dem Kelsensteiner folgte der Junker von Sturmfels in den Saal. Ein großgewachsener Mann mit wohl schon etwas über 30 Lenzen, hellem Haar und heller Haut. In seinen Bewegungen waren noch immer Jahrzehnte militärischer Ausbildung und Dienst zu erkennen, doch trug er inzwischen die Schultern nicht mehr ganz so gerade und den Kopf nicht mehr ganz so aufrecht. Als er den Saal betrat huschte ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht, das jedoch nicht seine Augen erreichte. Diese schienen der höflichen Geste nicht ganz Folge leisten zu wollen und wirkten eher kalt, müde und traurig. Gewandet war der Junker in ein rotes Wams mit einer weißen Pelerine, den Farben des Hauses Sturmfels. Am obersten Rand des Wamses konnte man noch die letzten zwei Reihen silbriger Ringe erkennen, die darauf schließen ließen, was der Junker unter der Jacke trug.

"Rondra zum Grüße, Euer Hochgeboren," begann der Sturmfelser, "und seid Euch unseres Dankes gewiss, dass Ihr uns noch heute empfangt. Es scheint mir, als seien wir nicht die einzigen Gäste, mit denen Ihr an diesem Tage schon gesprochen habt. Nun, auch uns scheint Rondras Drängen zur Tat hierhin verschlagen zu haben, auf der Suche nach einer Kreatur aus den Tiefen des Darpat. So berichtete man mir zumindest. Habt Ihr von der Kreatur bereits gehört? Wisst Ihr uns mehr zu berichten, was uns auf der Suche helfen könnte?"

Die Baronin trat um den Schreibtisch herum auf die beiden Junker zu. "Die Zwölfe zum Gruße, Rondra voran, Wohlgeboren von Kelsenstein und auch ihr Wohlgeboren von Löwentor." Wo sie dem Nebachoten ausdruckslos ein Nicken geschenkt hatte, lächelte sie den anderen Junker fast überschwänglich an bei ihrer Begrüßung. Die Endzwanzigerin begann eine Haarsträhne gedankenverloren zwischen den Fingern zu drehen während sie sprach.

"Ihr geht ganz recht in der Annahme, dass sich durch … wollen wir es einfach Glück nennen? Nun aus welchen Gründen auch immer, haben sich just hier in Gnitzenkuhl einige der Unsrigen versammelt, um diese Gefahr die von diesem Wesen aus dem Darpat ausgeht zu bannen." Sie hatte das Wort Unsrigen merkwürdig betont, und dabei abschätzig den dunkelhäutigen Mann angesehen. "Meine erste Rittfrau Leomara von Isenbrunn ist gerade mit den Herrschaften am Darpat um die Stelle, an dem es aus dem Wasser kam noch einmal zu untersuchen. Ein Händler hat des Nächtens eine Begegnung mit ihm gehabt, und nur weil ihm seine Zugtiere durchgingen, hat er wohl überleb. Die Erkenntnisse der Untersuchung am Ufer des Flusses werden dann am heutigen Abend gemeinsam erörtert. Schließlich muss man auch beratschlagen was in dieser Sache weiter zu tun ist. Es war ja nicht so, dass nur in Gnitzenkuhl dieses Monster gesehen wurde. Es gilt nun zu sammeln was man weiß und zu beratschlagen was man tun kann."

Regungslos betrachtete der Sturmfelser die Baronin von Gnitzenkuhl. Die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt, sein Kinn nach vorne gereckt und lediglich die kalten Augen folgten den Bewegungen der Baronin. "Da habt Ihr wohl Recht," erwiderte er. "Zumindest wurde die Kreatur, wie man mir sagte, zweimal auch am Darpatufer in Löwentor gesehen. Es scheint nur, dass sie dort kehrt gemacht haben muss, und sich nun den Darpat flussabwärts bewegt. Macht es wohl Sinn Eurer Rittfrau zum Darpat zu folgen, oder sollten wir eher hier auf die Rückkehr der Herrschaften warten?"

"Kor zum Gruß. Euer ... Hochgeboren?" beendete nun endlich der Nebachote sein Schweigen. Er schien ehrlich erstaunt zu sein. „Verzeiht, mir wurde gesagt, die Herrin von Gizien´Chul wäre die Tochter eines wahren Kriegers. Gehört Ihr wirklich der Sippe Wolfszahn an, oder hat man hier im Thale schon wieder die Lehen neu vergeben?"

Kurz erkannte man an bebenden Nasenflügeln, dass Geshla ob dieser offenen Geringschätzung in Aufruhr geriet. Auch der Sturmfelser hatte sich zu seinem Nachbarn gewandt und musterte diesen mit hochgezogenen Augenbrauen. Die Baronin hingegen faltete ihre Hände betont konzentriert vor ihrem Schoß und antwortete erst nach einigen Augenblicken mit ausdrucksloser Stimme.

"Anscheinend war eure Knappenzeit am Hofe des Grafen nicht sonderlich von Erfolg gekrönt - Mundschenk des Grafen." Ein kleines Kräuseln ihrer Lippen verriet, dass sie diesen Titel keinesfalls als Auszeichnung sah. "Meine Rittfrau zumindest bemüht sich schon jetzt ihrem 12 Götterläufe zählenden Knappen beizubringen, dass man Menschen nie nur nach deren offensichtlichen Erscheinungsbild einschätzen soll, will man nicht unterliegen, weil man den Feind unterschätzt hat." Sie machte eine Redepause in der sie ihn von oben nach unten einer sorgfältigen Musterung unterzog, die sie mit einem Zucken ihrer rechten Augenbraue beendete. "Doch dieses kleine Missverständnis soll uns nun nicht länger beschäftigen. Sicher, ich bin Geshla Alvinja von Gnitzenkuhl - Tochter des Seraminor Wolfszahn von Gnitzenkuhl. Zurück zu der Frage, die ihr gestellt hattet, Wohlgeboren von Löwentor. Es lässt sich schwer sagen, ob ihr die Anderen wohl noch erreichen könntet. Ich würde sagen, wenn ihr euch vielleicht erst einmal nach dem Ritt in einem Bad erfrischen wollt, solltet ihr nun die Gelegenheit nutzen, solange noch nicht alle Gäste wieder hier eintreffen. Selbstverständlich seid ihr in Travias Namen eingeladen auf Burg Gnitzenkuhl zu nächtigen. Ansonsten wird euch entweder mein Vogt Roderick Gneishold von Isenbrunn oder Praiowyn behilflich sein. Wir sehen uns dann zum Mahl- man wird euch holen." Geshla winkte noch den Vogt, der während ihrer Unterhaltung im Halbdunkel einer Ecke gewartet hatte, heran und verließ dann das behagliche Arbeitszimmer.

"Habt Dank, Hochgeboren," verabschiedete sich der Sturmfelser von der Baronin und zum Kelsensteiner gewandt: "Bis zum Abendmahl werde ich mich wohl auf mein Zimmer zurückziehen. Bitte entschuldigt mich."

Mit diesen Worten verließ er den Saal und folgte dem Vogt hinaus auf den Gang. Der hoch gewachsene blonde Edle der Baronin wartete bis er zu ihm aufschloss. "Schade, dass erst ein solches Ereignis dazu führt, dass sich die Nachbarn am Darpat einmal wieder sehen. Wie stehen die Dinge auf Löwentor?"

Anstelle des Vogtes beeilte sich Praiowyn, ein alter, gebeugt gehender Mann, wohl der Haushofmeister, zu ihm zu kommen. Er räusperte sich umständliche bevor er ansetzte ihn anzusprechen. Irritiert registrierte der nebachotische Junker ein Grinsen auf dem runzligen Gesicht. Sollte er die Worte, die im Arbeitszimmer gewechselt worden waren, gehört haben? Hatte er gelauscht? "Wohlgeboren, so ihr ein Bad nehmen möchtet werde ich euch zu eurem Zimmer führen und anschließend zu dem Raume, wo sich das Bad befindet." Geduldig und mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht schauten ihn hellgraue Augen an.

"Geh er nur vor und zeige mir die Räumlichkeiten." Gedankenverloren folgte der Junker dem Diener. Er dachte zurück an die kurze, intensive Begegnung mit der Baronin. Etwas Wahres war an ihren Worten, hatten doch die Götter verfügt, dass sie Baronin war und er nur Junker eines Volkes, das lediglich noch eine Minderheit war, im eigenen Land. Ein offensichtlich selbst im Angesicht der Gefahr für ihr Lehen eitles, selbstverliebtes, wehrloses Frauenzimmer sollte er ernst nehmen. Bei Kor, die Welt sollte einfacher beschaffen sein. Als Frau konnte er sie in ihrer zweifellos vorhandenen Schönheit annehmen und die Götter hatten ihr eine scharfe Zunge geschenkt. Er nahm sich vor sie noch etwas mehr zu reizen. Wer wusste schon zu sagen, ob dabei nicht eine amüsantere Ablenkung zustande kommen könnte, als bei der Hatz auf das Untier.



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Texte der Hauptreihe:
29. Ing 1032 BF zur abendlichen Hesindestunde
Von Schlangen und Delfinen
Ein Bild fügt sich zusammen


Kapitel 12

Ein Zaungast mit Absichten
Autor: Alex N., Robert O., Nicole R., Christian K.