Geschichten:Grauen am Darpat - Schellenklang in der Nacht

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Dramatis Personae

Besucher auf Abwegen

Stadt Gnitzenkuhl – Im Burghof– Ingerimm 1032 BF

Die Luft war frisch, ganz so wie er es erhofft hatte. Doch der Duft, der in der Luft war, kündete vom Sprießen und Wachsen der Natur im Ingerimm. Tagsüber hatte man an sonnigen Plätzen schon die erstarkende Kraft des Praiosmals gespürt, doch jetzt in der Dunkelheit der Nacht merkte man, dass die Erde diese Wärme noch nicht ausreichend gespeichert hatte. Vage erinnerte sich der Junker daran, dass nahe bei den Ställen ein Weg in Richtung der Koppeln führte wo auch ein Platz war, an dem sich die Büttel am Tage mit ihren Waffen ertüchtigt hatten. Diesen Ort wollte er nun aufsuchen. Es war ein heller Boden gewesen, sodass er dort auch bei Nacht ausreichend zu recht kam. Doch leider war in dieser Finsternis nicht viel zu erkennen, das Madamal war durch aufziehende Wolken verdeckt. Solange er sich im Schatten der Burg bewegt hatte war noch Licht von vereinzelten Fackeln zu ihm gedrungen. Doch sobald er sich auf die Nebengebäude zu bewegte schritt er im Schatten der Gebäude voran. Das Schnauben der Pferde war es schließlich, das ihn erkennen ließ, dass er fehl gegangen war. Er wollte sich schon abwenden, als er raues Männerlachen hörte und ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Fieberhaft versuchte er sich zu erinnern, wo genau er sich befand.

Etwas abseits des Hofes ging es durch einen Nebeneingang in einen weiteren Hof, in dem er vermutet hatte, dass vielleicht ein Garten sei oder die Tiere gehalten würden. Marnion war alarmiert. Die Jahre im Feld hatten ihn gelehrt, dass es ihm selten trog, wenn er ein schlechtes Gefühl bekam. Seinen Umhang hatte er nicht mitgenommen. So könnte ihn sein heller Wappenrock verraten. Doch in dieser Dunkelheit sind alle Katzen grau, sagte er sich. Er hielt die linke Hand etwas über die Augen, damit sie nicht etwa schon von weitem gesehen werden konnten und er seine direkte Umgebung etwas besser zu erkennen hoffte. Langsam und vorsichtig ging er in die Richtung aus der er das Lachen vernommen zu haben glaubte. Dabei hielt er sich weiter im Schatten der Häuser und bemühte sich möglichst nicht in der Dunkelheit gegen irgendetwas zu stoßen. Bald würde er wissen ob ihm seine Sinne einen Streich gespielt hatten, oder ob das Wesen aus dem Darpat nicht die einzige Gefahr in der Gegend wäre. Ein helles Klingen drang an seine Ohren. Irritiert hielt er inne und lauschte weiter. Ein Geräusch fast wie von einem Schellenkranz eines Musikers mutmaßte er. Vielleicht vergnügten sich hier die beiden Herren, die ihnen auf der Burg aufgespielt hatten? Er versuchte dem Laut folgend die Richtung beizubehalten. Sein alarmiertes Gehör registrierte, dass das Klingeln nun abrupt aufhörte und darauf stattdessen ein gutturaler Laut folgte, wie wenn jemand versucht zu sprechen, wobei ihm aber ein anderer den Mund zuhält. Derweil konnte er deutlich eine große Gestalt ausmachen, die in diesem zweiten Hof, in dem ordentliche Reihen einen Gemüsegarten erkennen ließen, vor einem Brunnen stand. Er war gut sichtbar, denn seine Beinkleider waren hell und er trug nur einen halblangen Umhang auf dessen Seite ein Wappen prangte, dessen Aussehen er von Leomara nur zu gut kannte. Sollte das dort ihr Mann sein?

„Hab ich dich du Weib! Lass deine Spielchen, ich hab genug. Wenn du jemals wieder in dieser Stadt hier auftreten willst solltest du wissen was du nun zu tun hast.“ Grob nahm er daraufhin die zierliche Frau, die er bislang völlig verdeckt hatte weg vom Brunnen und stieß sie vor sich auf die Erde. Kein Laut war von ihr gekommen. Marnion sah nur dunkles Haar und einen Mantel, unter dem ein ziemlich unbekleidetes Bein hervorlugte. Sie hob ihr Gesicht und nun sah er dass es sich vielleicht um eine Zahori handelte, die hier im Burggarten gefangen worden war.

„Was kann ich dafür, dass die da oben schon fertig waren mit ihrem Gelage, sonst hättest du da sicher vor Geshla auftreten können. Aber was nicht ist…!“ Er lachte höhnisch und knöpfte sich den Hosenlatz auf ohne die Frau aus den Augen zu lassen. Seine Stimme klang nicht mehr nüchtern. Mit der einen Hand nahm er noch einen Krug vom Brunnenrand, aus dem er einen Schluck nahm.

Die Frau rappelte sich auf, und legte hoch erhobenen Hauptes den Mantel ab. Darunter trug sie ein prächtiges Gewand welches zum Tanz bei den Zahoris gerne getragen wurde. Auch mehrere Bauchkettchen, Fußkettchen und eine Kette, die vom Ohr zur Nase ging wurden sichtbar. Sie hatte eine außerordentlich verführerische Figur und wirkte fast noch wie ein Kind neben dem großen Mann. Er hatte eine imposante Nase, blondes Haar, und mochte vielleicht einige Jahre älter als Leomara sein. Ihre Haltung drückte keinerlei Angst aus, es schien ihm eher als hätte sie einen Entschluss gefasst.

Marnion mochte es nicht, wenn Frauen so behandelt wurden. Es imponierte ihm, dass sich die Tänzerin selbst in dieser Situation noch etwas von ihrer Würde bewahrte. Und er konnte diesen Kerl nicht leiden, egal in was für einer Beziehung er zu Leomara stand. Allerdings wollte er auch nicht ein endgültiges Zerwürfnis mit Leomara riskieren, sollte er gezwungen sein mit diesem Betrunkenen zu kämpfen. `Hah` dachte er bei sich, `ich werde ihm seine Beute schon abjagen`.

Der Nebachote ging nun deutlich hörbar schnurstracks zum Brunnen. ,,Bei Phexens Bart, so ein Glück!” rief er, den offenen Hosenlatz des Mannes einfach ignorierend. „Ihr habt die Tänzerin gefunden. Ihre Hochgeboren Baronin Geshla hat nach ihr geschickt. Kommt mit Weib, die Baronin will nun umgehend von Eurer Kunst erfreut werden. Sie hat noch einen privaten Gast, dem sie Euren Auftritt versprach.“ Marnion hatte sich zwischen den Mann und die Zahori gestellt. Er wandte sich nun ganz dem Isenbrunner zu, seine Bewegungen genau beobachtend. Dieser baute sich zu seiner vollen Größe auf und funkelte ihn gefährlich an. Marnion war sich in diesem Moment sicher, dass der Mann sehr zornig war. Bevor der jedoch etwas sagen konnte, legte der Junker schon wieder los.

„Euer Wohlgeboren, ich kann doch auf Eure Verschwiegenheit zählen. Die Baronin bat mich die Angelegenheit diskret zu behandeln, ob der sehr privaten Natur ihres Treffens.” Der Kelsensteiner zwinkerte dem verhinderten Wüstling zu, wartete aber dessen Antwort nicht ab, sondern packte die Tänzerin fest am Arm und zog sie mit sich fort vom Brunnen zurück in die Dunkelheit, den Betrunkenen weiter im Blick behaltend. Er hoffte das der Mann in seinem Zustand nicht schnell genug dachte um die offensichtlichen Schwächen seines kleinen Märchens zu entdecken Er sah, wie der Mann, der so aus der Nähe besehen sehr ansehnlich aussah, sich rasch den Latz zuknöpfte und den Mantel, der noch immer auf dem Boden lag aufhob. Man sah förmlich, wie er über das eben Gehörte nachdachte.

„ Ta’ira? Hier, den hast du liegen lassen. Wir wollen die Baronin doch nicht enttäuschen, nicht wahr?“ Er warf den Mantel achtlos in den Dreck vor ihren Füßen. Dann maß er den Kelsensteiner mit einem kalten Blick. Er schaute weiter auf die Burg, die im Rücken der beiden lag, und nur noch an einigen erhellten Fenstern von wachen Bewohnern kündete. Eine Tür quietschte und man hörte, wie etwas schweres, vermutlich aus der Küche, in den Hof gezerrt wurde. Das nun folgende Geräusch verriet, dass wohl ein Bottich ausgegossen worden war. Die Hand des Ritters lag auf seiner Waffe- ein Säbel, wie ihn die Reiter trugen, registrierte Marnion geübt. Dann zog er die Hand zurück, seine Entscheidung war gefallen.

„Wir sehen uns!“ Der Ton war kalt und eine deutliche Drohung, die er sowohl gegen die Frau, als auch gegen den ihm fremden Mann ausstieß. Vermutlich wusste er von den Besuchern auf der Burg, sonst hätte er es nicht zugelassen, dass Marnion derart handeln konnte, ohne dass er nach den Wachen rief, oder ihn einfach angriff.

Der Isenbrunner, drehte sich von ihnen weg, und verschwand in der Dunkelheit des Gartens. Es musste also noch einen anderen Zugang zu diesem geben. Ein Rascheln und Klingeln an seiner Seite erklang, als die Frau in einer geschmeidigen Bewegung ihren Mantel aufhob, und ihn sich wieder umlegte. Mandelförmige Augen musterten ihn eindringlich. Als sie schließlich lächelte konnte er sehen, wie ebenmäßig ihre Zähne blitzten.

„ Danke oisch Fremderr. Isch soll tanzen?“ Die Stimme war glockenhell und erinnerte ihn daran wie jung die Tänzerin vermutlich war. Sie schaute ihn fragend an.

Einen Moment zögerte der Nebachote. Das war knapp gewesen. Hätte ihn der Mann angegriffen, dann wäre ihm nach dem Kampf wohl nur noch die überstürzte Abreise geblieben. Mit seiner Geschichte hatte er das Gastrecht sicherlich überdehnt, während dem Mann kaum etwas vorzuwerfen war. Ein Adeliger der sich eine Zahori gefügig machte, das war kein Vergehen, sondern höchstens eine Peinlichkeit. Immerhin würde der Isenbrunner kaum etwas ausplaudern, um sich nicht selbst bloß zu stellen. Er atmete tief durch und sprach freundlich zu der Zahori.

„Ich bin Marnion von Kelsenstein, ein Gast der Baronin.” Bei diesen Worten hob er ihr Kinn sanft mit der Hand etwas an, so daß er der jungen Frau direkt in die Augen schaute. ,,Leider kannst Du heute nicht bei der Baronin vortanzen, ich habe mir das nur ausgedacht, um Dich von der Gesellschaft dieses Rüpels zu befreien.”

Marnion bemerkte ihre Enttäuschung und fügte hinzu. „Ich kann Dir aber versprechen, dass ich mich dafür einsetzen werde, dass Dein Wunsch bald in Erfüllung geht. Dafür musst Du mir aber nicht Deine Gunst erweisen, gleich wohl ich Dich sehr reizvoll finde. Wenn Du heute noch tanzen möchtest, kannst Du das gerne für mich tun, auch wenn meine Börse sicher nicht mit der der Baronin vergleichbar ist. Doch zunächst erzähl mir über Dich und sage mir, wer dieser Isenbrunner ist und was Du mit ihm zu schaffen hattest?”

Sie scharrte unsicher mit ihrem Fuß im aufgewühlten Erdreich herum. Sie schien nachzudenken. Er hatte sich mit Namen vorgestellt, und sie sozusagen gerettet, doch das schien sie nicht weiter zu beeindrucken. Ein misstrauischer Ausdruck lauerte in ihren Augen, das hatte er gesehen. Sie warf den Mantel in einer spielerischen Geste über die Schultern, sodass er nur noch spärlich ihren Körper bedeckte. Der Rock hatte mehrere bauschige Lagen, die aber leicht durchscheinend waren. Das Oberteil war eng geschnitten und hatte ein sehr großzügiges Dekollete. Die Anmut dieser Bewegung hatte ihn so abgelenkt, dass das Messer, dass sie ihm unvermittelt vor die Brust hob, völlig ungesehen in ihre Hände geraten war. So schnell, wie es dort erschienen war, zog sie es auch wieder zurück, wieder begleitet von einem glockenhellen Lachen.

„Marnion, dein Name ist schön. Du darfst misch Ta’ira nennen.“ Sie begann einen Schellenkranz vom Fußgelenk zu binden. „Dieser Caballero, der glaubbt, dass er sich alles nehmen darf? Er hatte Geschäfte zu erledigen, und ich sollte tanzen, damit der alte Comerciante seinem Handel zustimmt. Das habe ich auch getan, auch ein Cancion vorgetragen, und ich glaube der Handel wurde abgeschlossen, aberr dann meinte er ich könnte meine Geldkatze mehr füllen, wenn isch auch noch hier tanzen würde, da Gäste auf der Burg wären…nunja den Rest kennst du ja sozusagen. Cortezza ist ihm fremd, und jede Frau, die mit ihm das Bett teilen muss ist zu bedauern. Isch wäre mit ihm fertig geworden, aber trotzdem danke. Sieh disch vor, er ist ein…ein…“ Sie spie vor ihm auf den Boden aus, um zu zeigen was sie meinte. „Wir fahren weiterr, ist besserr so!“ Sie sah ihn wehmütig an, und verbeugte sich graziös. „Leb wohl Marnion der auf Ta’ira ein Auge hatte.“ Sie lächelte ihn wissen an und huschte hinter ihm in die Dunkelheit.

,,Lebe wohl Taíra. Möge der Listenreiche Dich auf all Deinen Wegen geleiten.” rief er Ihr noch nach. Ihm war fast ein wenig wehmütig zu Mute. In ihrem Alter hatte er auch noch geglaubt, das Ihm alle Wege offen stünden. Doch was dann kam, hatte seinen Jugendträumen ein jähes Ende bereitet. Er mußte wieder vorsichtiger werden. Kaum war er wieder in der sogenannten Zivilisation, schon lies er die Menschen so weit an sich heran, das sie ihn abstechen konnten wie einen Karnikel.

Das Mädchen hätte ihm niederstechen und seine Börse an sich nehmen können, wäre sie von anderen Schlag gewesen. So wie es aussah hatte er heute abend auf jeden Fall einen Menschen gerettet, doch ob es Taíra war, oder der Isenbrunner das würde nie jemand erfahren. Marnion hatte genug Lebenserfahrung, dass man mit Dank niemals rechnen darf. Im Gegenteil schien es ihm das der guten Tat die Strafe auf dem Fuße folgte. So wie Taíra den Isenbrunner beschrieb, war es sicher das Beste, wenn sie mit ihren Leuten umgehend das Weite suchte. Er selbst würde bleiben und damit wohl zur Zielscheibe dieses Kerls werden. Sollte es sich womöglich auch noch um den Mann von Leomara handeln, was er sich eigentlich nicht vorstellen konnte, sicher hätte Leomara diesem Laffen selbst längst ein Messer zwischen die Rippen gejagt, dann wäre er doppelt bestraft. Der Kelsensteiner nahm sich vor, solange sein Besuch noch dauerte, besonders achtsam zu sein. Leute wie dieser Kerl, waren sich für keine Gemeinheit zu gut. Damit lies er es bewenden und kehrte nun endgültig in seine Kammer zurück. Morgen wollte er Leomara ausgeschlafen gegenübertreten und bei der Jagd seinen Teil tun.


***


Mißmutig hatte Kain sich eben entschlossen endlich wieder hinunter zu gehen, als sich abermals das Tor nur einen winzigen Spalt öffnete und eine zierliche Gestalt sich herauswand. Sie gab sich nicht die Mühe es zu schließen, sondern rannte erste ein paar Schritte auf dem Weg entlang, bevor sie geradewegs auf sein Versteck zuhielt, wohl um erst einmal zu sehen, ob ihr noch jemand folgte. Keinen Laut hatten ihre bloßen Füße auf dem Boden verursacht. Ihren Mantel hatte sie um die zierliche Mitte mit einem Strick fest um sich gezogen, und die Schellen scheinbar sicher verwahrt, zumindest hatte er sie nirgendwo ausmachen können. Ein Duft, wie von wilden Rosen und köstlichen Gewürzen wogte zu ihm, als sie sich anschickte weiter hinab in die Stadt zu hasten. Der junge Nebachote witterte seine Möglichkeit. Entweder jetzt oder nie, dachte er sich. Leise trat er aus seinem Versteck und winkte der jungen Frau zu.

„Hä’da, hierrhär!“ Rief er ihr unterdrückt zu. Das Mädchen hielt kurz inne und schien zu überlegen wie sie reagieren sollte.

„Gehörrst Du zu Marnion von Kelsenstein?“ Fragte sie leise uns vorsichtig. Kain war überrascht, dass sie Marnion kannte, zu dem er am nächsten Morgen gehen sollte, doch überlegte er nicht zu lange. Für dieses Mädchen würde er jetzt alles sein. Zudem lies ihr Verhalten nichts erahnen, dass sie mit dem Wiesebrunner, oder wie der Schnösel aus der Schenke hieß, keien guten Erfahrungen gemacht hatte. Oh ja, er hatte einiges über die Jagd bei Kor’win gelernt. „Ja, är ist ein Freund von mir. Ich bin Kain han Bahr ai Danal. Kuomm wäg von hier, ich wärde auf Dich achtgäben, dass Dir där andäre Kärl Dir nicht nachsätzt.“

Blicke, die er eher einer Kriegerin als diesem zarten Geschöpf zugetraut hätte, musterten ihn kurz. „Ich kann ganz gut auf mich selbst achten, aber ein wenig Hilfe am Stadttor kann nicht schaden.“

Kain grinste bei diesen Worten. Oh ja, dieses Mädchen gefiel ihm immer mehr. „Abär, wer wird denn durch die Torä gehen?“ Raunte er ihr zu. „Auf däm Weg zur Mauär kommen wir wieder an unserär Herberge vorbei.“

Der Nebachote beachtete den fragenden Blick Tairas nicht und nahm sie stattdessen an der Hand und zog sie hinter sich her durch die dunklen Gassen des Ortes. Einmal fluchte er leise und drückte die Tänzerin in eine von Schatten verdeckte Häuserecke, während er sich dicht an sie presste, so dass er ihrem Körper ganz nahe war. Taria wollte noch fragen, was los sei, doch unterbrach ein leises ‚scht‘ sie. Der Nebachote bemerkte dabei nicht, wie ihre Finger den Griff ihres Messers umschlossen, bereit es – sollte Kain wirklich aufdringlich werden – ihm zwischen die Rippen zu stoßen. Als sie beide regungslos und dicht aneinander in der Ecke standen, konnte auch Taira Schritte von sich nähernden Leuten hören, doch versperrte die Schulter Kains ihr die Sicht auf die Gasse. Ganz allmählich wurden die Schritte wieder leiser. Erst als sie fast nicht mehr zu hören waren, entspannte sich der Nebachote und trat wieder auf die Gasse. Sein Grinsen verriet jedoch nicht, ob es dem Umstand galt, dass er so früh die „Wachen“ – wenn es denn wirklich Gardisten Gnitzenkuhls gewesen sein sollten – bemerkt und sie somit vor eventuellen unangenehmen Fragen bewahrt hatte, oder der Tatsache, dass er ihr so nahe gewesen war. Schließlich nickte er ihr wieder zu. „Kuomm, wir sind gleich da.“

Als die beiden an der Herberge „Zum alten Speicher“ vorbeikamen, schlich der Nebachote vorsichtig und leise in den nahe stehenden Stall. Tairas Körper verspannte sich erneut. Sollte er sie doch nur ins Heu ziehen wollen und war dies eine Falle? Überrascht stellte sie jedoch fest, dass dieser Gedanke ihr gar nicht so unangenehm war. Neugierig folgte sie Kain also, gespannt was dieser nun vor hatte. Sie hatte das Tor, welches Kain einen kleinen Spalt offen hatte stehen lassen noch nicht richtig erreicht, als der Nebachote bereits wieder aus der Dunkelheit auftauchte. Über der Schulter trug er ein langes Seil. Augenzwinkernd deutete er ihr an, ihm erneut zu folgen.

Leise führte Kain die Tänzerin durch die spärlich beleuchteten Gassen, bis sie schließlich die Stadtmauern erreicht hatten. Einige Augenblicke verharrend spähte der Nebachote in die Dunkelheit. Als er jedoch keine Silhouette einer Wache ausmachen konnte und auch kein verräterisches Atmen hörte gab er dem Mädchen das Zeichen ihm geduckt zu folgen. Taira fragte sich noch immer, wieso sie nicht einfach durch das Stadttor gehen würden. Für die dortigen Gardisten wäre ihnen bestimmt etwas eingefallen. Auf der anderen Seite machte ihr dieses Unterfangen mit Kain auch Spaß. Eine kribbelnde Spannung hatte sich ihrer bemächtigt, als sie dem jungen Mann auf die Stadtmauer folgte. Oben angekommen hatte er geschickt das Seil an einem Überwurf befestigt und mit Dreck eingerieben, so dass es sich oben an der Mauer von eben jener fast gar nicht mehr unterschied.

„Ich gähe als ärstes. Du kommst nach.“ Raunte er ihr zu und verschwand auch schon über der Mauer. Schalkhaft fragte sich Taira ernsthaft, ob sie sich unten nicht – aus Versehen natürlich – fallen lassen sollte, so dass Kain sie auffangen mußte…

Sie wartete ab, bis sich das Seil beruhigt hatte, und Kain unten angekommen war. Dann kletterte sie daran hinab. Nicht ganz zufällig geriet das Seil dabei so in Schwingung, das der Nebachote sichernd danach greifen musste, und sie daher genau in seinen Armen landete. Ta’ira überlegte, dass dieser Mann ihr vielleicht ähnlicher war, als angenommen. Er machte keine Anstalten sie abzusetzen, stattdessen hielt er sie fest in seinen Armen, den Kopf nur wenige Handbreit von ihrem entfernt. Das Grinsen in seinem Gesicht und der Schalk, der ihr aus seinen Augen entgegenblitzte, machte ihr eine Entscheidung einfach. Er würde sicher keine Probleme machen.

„Oh mir schaint, mein Retter will eine Belohnung? Was könnte das wohl sein? Euer Freund Marnion war da bescheidener.“ Ihr graziler Körper schmiegte sich dabei an ihn und ihre Augen zeigten ihm, dass ihre anfänglichen Zweifel wohl beseitigt waren.

Kain genoß das Gefühl ihres Körpers so eng an seinem. „Ich wais noch nicht. Was kennte ich wohl verlangän?“ Fragte er sie flüsternd. „Immerhin habä ich Dir gerade das Läben gerettet und Dich aufgefängen.“ Langsam näherten sich seine Lippen den ihren. Innig und leidenschaftlich erwiderte sie den Kuss während sich ihre schmalen Finger dabei ihn Kains Haare vergruben. Schließlich riss sich der Nebachote zusammen. Erregt ging sein Atem jetzt stoßweise, doch war die Lage hier an der Mauer zu gefährlich. Sanft setzte er Ta’ira daher ab und führte sie flink, aber leise von der Stadt weg. Ihre Hand ließ er nicht mehr los.

Als sie schließlich soweit außerhalb der Stadt sich befanden, dass sie die Mauern nur noch in der Dunkelheit erahnen konnten, hielt Kain an einem einsamen, von kleinen Sträuchern umgebenen Baum nahe des Darpats an. Ta’ira genoß den Augenblick und wartete an den Baum geschmiegt, was wohl als nächstes geschehen würde. Auffordernd und spielerisch musterte sie ihn. Wie ein schwarzer Panther näherte sich der Nebachote dem Mädchen. Fixierte sie dabei mit den Augen und Ta’ira konnte in diesen das Feuer der Leidenschaft erkennen. Es war deutlich, wie Kain sich die Belohnung vorstellte. Fast stürzend kam er über sie und küsste sie erneut. Seine Finger erkundeten dabei die Rundungen ihres Körpers und erst nach einiger Zeit löste er seine Lippen wieder von ihren und funkelte sie wild an. Aber Ta’ira war kein Kind von Traurigkeit, auch sie wollte diesen Mann jetzt und hier spüren. Ihre Hände hatten längst den Weg unter sein Hemd gefunden und noch während sie wie eine Wildkatze auflachte gruben sich ihre Fingernägel in seinen Rücken, was ein Stöhnen bei ihm erzeugte. Immer mehr und mehr Kleidungsstücke fielen zu Boden während sie im Mondschein immer leidenschaftlicher, immer inniger Rahja opferten.



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Gnitzenkuhl.svg   Wappen blanko.svg  
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Texte der Hauptreihe:
29. Ing 1032 BF zur nächtlichen Traviastunde
Schellenklang in der Nacht
Nächtliche Streifzüge


Kapitel 20

Überraschung am Morgen
Autor: Alex N., Christian K., Rafael K., David L., Nicole R., Marcus F., Robert O.