Geschichten:Hülle und Fülle – Quitten-, Grenz-, Mühlenstein

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Wir näherten uns dem reichen und üppigen Gut Perrinehr, von weitem war schon zu erkennen, dass es seinem Namen gerecht wurde. In Mitten von weichen Feldern, Wiesen und Hainen bettete es sich wie auf den sanften Kissen eines Divans. Das Gebäude selbst erinnerte vage an ein altes Kloster, mit soetwas wie einem großen Schrein mit achteckigem "Kuppel"dach als Zentrum. Einen Teil der Anlage bildete eine alte Wassermühle ohne Rad an einem Bachbett, durch das nur noch ein schmales Rinnsal führte. Und als wir näher kamen, erkannten wir Fliesen- und Steinmotive an den Wänden, die auf die Götter, allen voran die lieblichen Schwestern und/oder Herrinnen (Perrin) und das reiche Land der Marschen verwiesen. Wenn ich zuvor einmal hier gewesen wäre, hätte ich es beiläufig schlicht als schöne Arbeit abgetan, nun aber, konnte ich die offensichtlichen Bezüge nicht mehr übersehen. Den anderen ging es auch so, das sah ich ihnen an. Dementsprechend enthusiastisch wurden wir beim Verwalter des Guts vorstellig, sagten ihm dass sein Vetter Kian uns schickte. Sein Name war Galdor von Peirish, er war zwar zuvorkommenend, beinahe unterwürfig, aber viel konnte er uns nicht über die Geschichte des Guts sagen. “Meine Gattin wüsste sicherlich mehr, nur weilt sie nicht all zu häufig hier.” Nur soviel - “und dabei bekomme ich sicherlich etwas durcheinander” - die Wassermühle die hier einst die reichen Gaben der Felder gemahlen hatte, versiegte einst, was den Verwalter sehr ärgerte, da die neue Mühle - schon “vor Ewigkeiten” dort errichtet wurde, wo heute das Dorf Neumühlen steht, was hin und zurück eine Tagesreise bedeute. Wo der alte Mühlenstein verblieben war, fragten wir ihn daraufhin eher beiläufig und aus gehäucheltem Interesse. “Der wurde - soweit ich weiß - irgendwann als Grenzstein zwischen Mühlengrund und Quittenstein gestiftet. Eine beiläufige Frage, eine unerwartete Antwort, die uns wie ein Blitz in den Kopf fuhr. Das war es.

“Und auch dort wo die Quitten blühn am Wege zwisch’ alt mahlend Steine Grund.”

Der Satz aus der Reimgeschichte war tatsächlich wörtlich zu nehmen. Artig nahmen wir noch einen Häppchen und einen Getränk mit dem Peirrish ein, machten uns dann aber schnell zur nahen Grenze auf. Dort, Gut Perrinehr noch fast im Rücken und das Flüßchen Perrine in Sichtweite links von uns, konnten wir den Grenzübergang zwischen den Junkertümern Quittenstein und Mühlengrund gut ausmachen. Er war gekennzeichnet mit zwei Fahnenstangen mit blauweißen und gelbschwarzen langen Wimpeln. Zwei Quittenbäume flankierten sie, ein großer Grenz- bzw. Meilenstein komplettierte das Bild. In der Ferne sahen wir eine Patrouille, die aber von uns abgewandt, weiter nach Quittenstein hineinritt.

Unverkennbar handelte es sich bei dem Grenzstein um einen sehr alten Mühlenstein. Wie alt, vermochten wir auf die Schnelle nicht zu sagen, aber dem Zustand und dem Moosbewuchs nach zu urteilen, waren es sicher einige hundert Jahre, in denen der Stein der Witterung ausgesetzt war. So waren auch hier nur noch wenige Originalspuren zu erkennen. Selbst die aktuellsten Verweise waren schon recht stark mitgenommen, die Wappen von Quittenstein und Mühlengrund, eine Meilenangabe zu den nächsten Orten und bis zur Reichstadt. Man konnte jedoch erahnen, dass es zuvor schon Gravuren, bildliche Darstellungen und Ziffern bzw. Buchstaben dort gegeben haben musste. Hatten wir den rechten Zeitpunkt verpasst, als es noch Hinweise gegeben hatte? Nazir umrundete den Stein: “Aha. Sie haben wohl irgendwann die Rückseite benutzt. Die ursprüngliche Vorderseite scheint sich hier im Schatten und zwischen den Gräsern zu befinden.” Der Stein war deutlich in Schräglage, so dass die jetzige Rückseite vom Himmel abgewandt war und somit besser vor Regen und Wetter geschützt, ebenso vor neugierigen Blicken. Roban und Ashina stemmten sich dagegen, um den alten Mühlstein wieder etwas aufzurichten. Und tatsächlich gab er sein Geheimnis Preis. Zwischen deutlich älteren Ornamenten waren auch hier Angaben zu den Junkertümern bzw. ihren Vorgängern, Meilen und Richtungen angegeben. Sie passten sich aber eindeutig mehr den weitaus älteren Ornamenten an, die wiederum auf einen noch älteren, früheren Meilenstein zu verweisen schienen. Die Zahlen waren dementsprechend noch auf bosparanische Art angegeben. Und die Art der Wappengestaltung entsprach eher spätbosparanischer oder frühraulscher Zeit, als der heutigen, erleuterte und Roban, der ganz begeistert war von diesem Fund, vllt sogar mehr als bei den vorherigen Funden.
Was auch auffiel war die bosparanische Zahl “VIII”, die zu keiner sonstigen Angabe gehören zu schien und bei der die “III” besonders lieblich-verschnörkelt hervorgehoben war. Eine der Verschnörkelungen wuchs nach Unten und wir mussten Moose und Gräser entfernen, damit wir sehen konnten wohin sie wuchs.

Eine Inschrift - dort stand auf Bosparano (übersetzt):

“Ehret Perrin, SIE hütet/hüten das LAND, das LAND hütet SIE. Der Boden ist fruchtbar noch, nehmet und gebet seinen Reichtum.”

Nazir war der erste, der anfing den Boden unter dem Stein auszuhöhlen. So dass wir ihn bremsen mussten, damit ihm das Gewicht des Steins nicht etwa plötzlich auf die Hände fiel. Und nach kurzer Zeit konnten wir tatsächlich ein rostiges, poröses Metallkistchen aus dem Erdreich bergen. Während Roban und Nazir unsere Missetat schnell wieder zubuddelten, bejahen Sarana, Ashina und ich uns die Kiste. Natürlich beherbergte sie unser letztes Puzzlestück, welches grob eine Siedlung raulsch-bosparanischer Art an einem kleinen Flüsschen zeigte, das neben zwei weiteren Ortchen in der Ferne existierte, deren Beschaffenheit man nicht mehr erkannte. Doch darüber prangte die bosparanische VIII, wie auf dem Stein.

Roban entriss uns mit dreckigen Händen und voller Freude das Stück, als wir den beiden buddelnden davon berichteten. “Nach all den Alhaniern, Nebachoten und Araniern auch mal was für mich.”, sagte er eher froh, amüsiert und scherzhaft, denn ernstgemeint. Wir lachten, auch weil wir erleichtert waren unsere Reise bald zu beenden. Wir richteten dementsprechend schnell alles wieder einigermaßen sauber her und schritten wieder gen Mühlengrund, um von da aus weiter gen Reichsgard zu reisen. Kurz darauf kam uns die Patrouille der Quittensteiner Junkerin wieder entgegen. Was die hohen Herrschaften dort zuschaffen gehabt hätten, fragten sie, Nazir antworte schlicht “Wir haben nur den alten Grenzstein etwas bewundert und gerichtet.” Die Patrouille bedankte sich freundlich und alle zogen weiter.