Geschichten:Hülle & Fülle – Der Alkrawald und Irrungen

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Das Geäst war dicht und knorrig, das Unterholz tückisch und verworren. Der Alkrawald, den ich eigentlich nur aus den Sagengeschichten Ashinas kannte, war ein märchenhafter und dunkler Ort. Und wenn man erstmal in ihn eingetreten war, schienen sie alle wahrhaftig sein zu können. Und das obwohl wir uns nur am Rande davon befanden. Das allgegenwärtige Krächzen der diversen Krähenvögel verriet uns, dann auch wer hier Herr des Waldes war, laut den Geschichten ein mythischer Sohn Borons oder Golgaris, halb Drache, halb Rabe. Ashina genoss es diese Geschichte immer wieder aufzuwärmen und ergänzte gerne immer wieder neue Details, z.B. dass seit Vorkommnissen im Jahr 1037 BF die Bauern, Holzfäller und Köhler der Region wieder vermehrt von düsteren Vorzeichen sprechen und dass der Rabensohn - der Al'Kramar - geweckt wurde. Ich muss sagen, richtig behaglich fühlte ich mich dadurch nicht, auch Nazir hätte auf die Schauergeschichten vermutlich verzichten können. Sarana kicherte zumeist und Roban konnte sich als tapferer Held und Ritter aufspielen, was ihm gefiel. Ashina selbst wiederum schien das schon ernster zu nehmen als die anderen, aber ging mutig voran.
Zum Glück hatten wir eine lokale Führerin namens Lorika angeheuert, nachdem wir uns in der Wegstaverne ein wenig erkundigt hatten. Dort hatte man uns ganz ähnliche Schauergeschichten aufgetischt, aber kannte keine über einen Brunnen im Wald, nur eine über wirres Gekrächze von Drudenweibern, die am Fuße der Berge in einer Anderswelt auf Männer warteten, um sie zu verspeisen, angeblich waren sie gar Dienerinnen des Rabensohns. Lorika hatte die alten Männer in der Schänke belächelt und uns ihre Hilfe angeboten, natürlich gegen eine nicht geringe Bezahlung.
Doch auch mit Lorika irrten wir durch den Wald und kamen nur mäßig voran, nicht auszudenken, hätten wir sie nicht mitgenommen. Sie war nicht sonderlich gesprächig, aber sie war waschechte Perricumerin, sagte sie, Mutter aus Haselhain, Vater aus der Perrinmarsch, kannte sie alle, Raulsche, Nebachoten, “Die Neuen aus den Zacken”, Aranier. “Im Grunde alles die gleichen Leute mit ähnlichen Problemen, aber streiten tun sie alle gern. Nagut, einige mehr als andere, aber alles in allem, ist das halt so in Perricum. Irgendwie fühlt sich das auch nach Heimat an. War ja nie anders. Ich war mal im ehemaligen Darpatien, das war es richtig langweilig, sag ich euch.” Irgendwie war das eine erfrischende Sichtweise, empfand ich.
Jedenfalls führte sie uns durch immer dichter stehende Bäume und Sträucher, gut dass wir Reisekleidung dabei hatten, denn diese sah schon recht bald sehr mitgenommen aus.

Irgendwann, je tiefer wir vordrangen und der Abend näher rückte schlug Lorika ein Nachtlager an einer Lichtung vor und wurde am abendlichen Feuer tatsächlich gesprächiger. Aber nicht, dass sie uns mehr von sich verriet, nein, wollte sie doch mehr darüber wissen, was wir überhaupt am Kreuzungspunkt zwischen den drei Baronien zu finden gedachten. Zumal sie immer wieder betonte, dass solche Grenzen auf Karten das eine, inmitten der Wildnis aber das andere wären. Es könnte sich um ein Gebiet von beträchtlicher Größe handeln, das wir abzusuchen hätten. Irgendwie war das entmutigend und als niemand von uns so recht mit der Sprache raus wollte, nach was wir - ab von dem bereits kommunizierten Brunnen, eigentlich genau suchten, riet sie uns dann besser aufzugeben, denn einen alten Brunnen im Mitten des Nichts zu, sei vmtl. eine Aufgabe von Tagen oder Wochen.
Das würde uns zurückwerfen, dachte ich bei mir, aber letztendlich wäre nicht der Wettstreit, sondern das Auffinden aller Scherben das Wichtigste, auch wenn ich gerne den Wettlauf gewinnen würde. Lorika ließ aber nicht locker: “Und für eine tage- oder wochenlange Suche haben wir nicht genug Proviant und Ausrüstung.” Tatsächlich schaffte sie es uns damit ein Stück weit zu demotivieren, da die Aussicht auf Hunger und wochenlanges Herumgetreibe keinen von uns fröhlich stimmte. Mit dieser Stimmung gingen wir schlafen.
Am nächsten Tag, wir ignorierten das Gespräch des Vorabends aus Trotz, zumindest für diesen Tag, stellte Roban gegen späten Mittag irgendwann fest, dass wir vermutlich im Kreis laufen würden. Lorika verneinte das, schon beinahe vehement beleidigt. Doch der Ritter aus den Bergen Hengefeldts ließ nicht locker: “Als würde uns ein alberner Zauber immer zu im Kreise watscheln lassen, um uns zu verhöhnen, als wären wir Esel auf dem Jahrmarkt.” Dies ließ wiederum Sarana aufmerken: “Vielleicht habt Ihr damit mehr Recht als ihr denkt, werter Roban.” Und flux sprach sie einen Hellsichts-Zauber, entgegen der Beteuerungen Lorikas, dass dies nicht nötig wäre und dass das Wirken von Magie etwaige Wesenheiten des dunklen Alkrawaldes anlocken könnte. Sarana tat dies als Humbuk ab, zum Glück, denn erkannte sie sehr wohl einen “seltsamen, alten Verhehlungszauber, vermeintlich satuarischen Ursprungs mit mehr oder minder gildenmagischen Einflüssen oder anders herum. Dieser zwang uns sehrwohl dazu bestimmte Richtungen zu meiden, recht brüchig in seiner Matrizze, aber wohl doch ‘gepflegt’.” Was immer das genau bedeuten sollte. Wir alle atmeten durch und Lorika schwang erstaunlich überrascht um in ihrer Meinung, vorallem als Sarana sich daran machte die Verhehlung zu brechen. Sie musste einen Großteil ihrer Kraft einsetzen um dies zu tun, doch letztlich gelang es ihr und urplötzlich veränderte sich sowohl unser Gefühl für die Gegend, als auch Lorikas Verhalten. Ersteres war nicht mehr so von Wirrungen und diesem Quäntchen Furcht oder Widerwillen geprägt, ähnlich schien es mit Lorika, so dass ich mich fragte, ob dieser Zauber auch auf ihr als Person gelegen hatte oder sie beeinflusst hatte. Roban bemerkte dann recht schnell einen kleinen Waldpfad, kaum zu erkennen, aber da. Er führte in eine Richtung in der wir uns bisher noch nicht bewegt hatten, also schlugen wir diesen Weg ein.
Nach einiger Zeit, wir hatten ein gutes Gefühl voran zu kommen, sprach Nazir Lorika an: “Seid Ihr nervös? Ihr wirkt mir so viel weniger konzentriert als zu Beginn.” Unsere Führerin winkte ab “Ach was. An dieser Stelle war ich nur noch nie. Deshalb markiere ich auch hier und da unseren Weg. Außerdem beginnt es bald zu dämmern und ich komme nicht umhin an die Schauergeschichten der Köhler zu denken. Seid einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass wir verfolgt werden. Evtl. sollten wir umkehren oder einen anderen Weg einschlagen, wer weiß wie es tatsächlich um diese Drudenweiber steht. So weiß ich ja nicht einmal wofür ich hier meinen Kopf riskiere.” Nazir, der sonst auch nicht mit Skepsis geizte, grinste: “Ach was, gute Lorika, euch begleiten hier sehr fähige Leute und seid euch gewiss, auch ich verstehe mein Handwerk, so erkenne ich als Unterhändler sehr viel in menschlichem Gebaren. Aber ich sehe, ihr braucht eine kleine weitere Motivation in Form von Aufwandsentschädigung und vorallem einen Vertrauensvorsprung. So kann ich euch versichern, dass wir nur das Beste in Sinn haben und nur hehren Zielen und Herrschaften dienen. So wie Göttern und dem Land selbst, dem wir uns verpflichtet sehen. Nicht wahr, werter Ritter von Rauleu?” Dieser antwortete mit der Selbstverständlichkeit eines Ehrenmannes. Lorika schien mir kurz über das Gedachte nachzudenken und lenkte dann überraschend engagiert ein. “Gut, dann geht es da lang.”, sagte sie sehr plötzlich. Das hätte mich zu dem Zeitpunkt stutzig machen sollen, tat es aber nicht.
Daraufhin ging alles ganz eilig und noch vor Einbruch der Dämmerung lichtete sich das knorrige Gestrüpp und der Baumbewuchs. Wir konnten eine ungebändigte Blumenwiese erahnen, an dessen Rändern sich wilder Wein und urtümliche Apfel- und Kirschbäume drängten - mitten drin schien ein altes steinernes Gebilde zu stehen. Und zudem, dass sich das Leben dort zu häufen schien, im Gegensatz zum Wald, der von einem Totensohn bewohnt sein sollte, konnten wir heiseres Krächzen wahrnehmen, das beinahe wie die unförmige Melodie eines geschundenen Liedes klang. Dies ließ mich argwöhnisch zu meinen Gefährten blicken, als ich über einen alten Zier- oder Meilenstein stolperte.
Als ich wieder zu unser Führerin schaute, war sie verschwunden.