Geschichten:Hülle & Fülle – Der Herrinnen-Brunnen und die Eskalation

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Das Verschwinden Lorikas ließ uns nun doch skeptisch werden und das obskure Gekächze tat sein übriges. Doch war damit auch die Stunde von Roban und Ashina gekommen. Erster ging voran, zweitere sicherte nach Hinten ab, Nazir, Sarana und ich, reihten uns dazwischen ein. So näherten wir uns langsam der Wiese und kurz vergaßen wir die vermeintliche Bedrohung. Denn die Wiese war wild und schön, Herrschaftlich auf ihre ganz eigene Art. Und in Mitten davon, umrankt von allerlei Geblüm, ein Brunnen besonderer Art. So schien er Brunnen und Grenzweiser zugleich zu sein. Auf dem umwachsenen Sockel/Brunnenschaft ruhten die Büsten von drei Frauen, von herschaftlichem Äußeren. Sie waren noch, den Umständen entsprechend gut erhalten. Die Figuren waren Rücken an Rücken dargestellt, so das sie ein Dreieck bildeten und jeweils in eine andere Richtung schauten - eine Richtung Haselhain, eine Richtung Perrinmarsch und die dritte blickte gen des ehemaligen Brendiltal, was wir daran erkannten, dass sie auf entsprechend geformte, recht mitgenommene Grenzsteine am Rande der Wiese blickten. Ihre Brust war jeweils geschmückt mit etwaigen Früchten und Kostbarkeiten, die bloßen Brüste, bzw. eine Vielzahl davon, schienen einst den oder die Dürstende mit Wasser getränkt zu haben. In ihren Händen mussten sie einst Dinge gehalten haben, doch waren diese nicht mehr zu erkennen oder verschwunden. Vielleicht hatten sie einst ein Füllhorn gehalten, dachte ich.

Es war plötzlich still, nur die Geräusche der Wiese im Licht des Sonnenuntergangs. Angespannt näherten wir uns dem Brunnen, Roban und Ashina sicherten uns ab, so dass Nazir, Sarana und ich uns den Brunnen besehen konnten. Wir schnitten einige der Blumengewächse vom Sockel und zum Vorschein kamen zu allererst Namen in einem altertümlichen Dialekt:

Kashia - Kashgja/Rashgja - Die Zähmende/Einende, Weise, Gelehrte, Philosophin, Erzähl[...], Al’H[…]h, [...]terin und Perrin.

Salia - Dsalia - Die Erneuernde, Prä[…]ktin, Verwal[…], Lenkerin. Hü[...] und Perrin

Berai - Beraina - Die Gedeihende, Kadi, Richterin, Fürspr[...]erin, Hüterin und Per[...]

Darunter folgten sehr unvollständige Titel und familiäre Zuweisungen. So könnte man aus diesen interpretieren, dass Kashia eine nahe Verwandte oder gar Schwester des von den Nebachoten bittersüß-verehrten Kashgar von Perricum gewesen war, schlußfolgerte Ashina, die sich kurz zu uns gewandt hatte und der besonders Kashias Zusatz “Al’H…h” aufhorchen ließ. Salia schien danach eine direkte Abkunft von Bosparanern gehabt zu haben und war auch von der Erscheinung her recht “raulsch”. Ihre Vorfahren konnte man nicht mal mehr erahnen, doch Roban war interessiert an ihr. Die Figur mit dem Namen Berai war angetan in aranisch inspirierten Schmuck und die letzte in der dreinamigen Reihe ihrer Ahnen war eine “...saba Dassar[...|”. Sie schien, laut Zuschreibungen aus Aranien nach Perricum zurück gekehrt zu sein um dort als Diplomatin, Mittlerin und Fürsprecherin (vorallem für Aranierinnen) zu wirken und letztlich als Perricumerin zu sterben. Ihre Lebzeiten schienen unterschiedlich, aber nicht all zu viele Generationen weit auseinander, doch klar war dies nicht mehr. Zu guter Letzt enthüllte sich ein Spruch:

“Das lieblich Land ist vielfältig, reich und fruchtbar - so soll es Perrin heißen, ein Wort, das alle unsere Sprachen kennen, aber dem viele Bedeutungen innewohnen. So fruchtbar wie das Land, so fein wie eine Perle, so üppig edles Gestein und Gewässer, so sind auch die Menschen hier stolz und lebhaft. Wie das Land so der Menschenschlag, von denen wir diejenigen hier ehren, deren Wohltaten dem Land hold und gut war. Den Taten der drei Herrinnen soll erinnert werden und wie das Land Perrin heisst, so sollten diese drei ebenso geheißen werden. Das liebliche LAND Perrin, drei Herrinnen, drei Dienerinnen, drei Schwestern, Trägerinnen des Horns, Botinnen der drei [...] [...]stern.”

Welch ein Fund, es bestätigte alle Theorien unserer Herrinnen und zugleich berichtete es so viel mehr. Diese drei standen für eine ganze Reihe an Herrinnen und Herren dieser Lande, ihre Herrschaft war vielfältig und vielgesichtig. Wobei mir das erste mal auffiel wie nah das Wort Perrin am Wort Herrin war, auch wenn es anders betont wurde und nur vermutlich nur ein Zufall war. Perrin war das liebliche LAND, der Reichtum des Perlenmeers und des Darpat, waren die Leute, waren die lieblichen Schwestern. Und diese drei hatten symbolisch und exemplarisch für all das gestanden. Zuletzt fiel mir noch eine Reihe anderer Namen auf, die kaum noch zu lesen waren, aber die wohl diesen Beinamen nach den dreien auch getragen hatten, aber nicht mehr zu entziffern waren.

Eine Scherbe konnte ich aber noch nicht erspähen. Dafür aber trat Lorika auf die Wiese zurück und mit ihr kam das Krächzen zurück, während Schatten durch die Dämmerung am Himmel huschten. “Ein wahrhaft schöner Ort, nicht wahr? Deshalb bewahren wir ihn auch schon seit Generationen, so dass er in Vergessenheit geraten und vor gierigen Blicken geschont werden konnte.” Lorikas Blick war nicht finster oder feindselig, viel mehr abwartend. “Umso trauriger ist es, dass ihr ihn nicht mit dem nötigen Respekt begeht.” Sie warf einen kurzen Blick auf die gelösten Blumenranken. “So sprecht besser in wes Auftrag ihr des Weges kommt. Die Schwestern dort droben in den Wipfeln sind hungrig und dulden keine Eindringlinge, sie sind Geschöpfe des Wahns und ich kann sie nur bedingt lange zurück halten.” Das Krächzen wurde lauter und überschlug sich wie in einem Stimmengewirr, doch die Worte waren verzehrt und verstümmelt.
Während Roban und Ashina ihre Waffen bereit hielten, schien Sarana über einen passenden Zauber nachzudenken, ich kramte vorsichtig in meinen Innentaschen nach Pülvchern und Nazir trat hervor: “Werte Lorika, Hüterin, wenn ich Euch so nennen darf. Erlaubt mir mich zuvorderst zu entschuldigen, so taten wir unrecht daran euch nicht weiter ins Bild zu setzen, darüber was unsere Agenda ist. Ihr müsst uns nachsehen, so wussten wir doch nicht um Eure exquisite Position.”, Nazirs Worte und Gesten waren seltsamer Weise gut platziert, letztendlich war er eben doch ein Händler. “So sind wir Gesandte von hoch erlauchten Edelmenschen, die für Land und Göttinnen streiten, auf das die Werte, die dieser Platz birgt und die ihr hütet, Einzug erhalten in dem Land genannt Perrin. Es soll wachsen und gedeihen, es soll seinen Reichtum denen geben die hier leben. Seid Euch gewiss, dass wir in guter Absicht kommen und euch von eurem Geheimnis nur ein Geschenk erbitten, mein Wort.” Lorika wirkte verunsichert, glaubte Nazir, der ja nun auch irgendwie die Wahrheit sprach, und war angespannt, auch ob der immer wilder krächzenden und flatternden Drudenweibern im den Wipfeln und der Luft.
Plötzlich kreischte eine dieser kaum verständlich “LÜGE! Sie alle kommen nur zu ihrem eigen Dienste!” Und ehe Lorika überhaupt reagieren konnte, zischten die geflügelten Weiber mit irrem Blick und rabenschwarzem, zerzausten Gefieder auf uns zu. Es wurde chaotisch, Roban und Ashina bölkten uns Befehle zu, sich hinter ihnen zu sammeln und wehrten die ersten Attacken der Harpyien ab, Sarana warf ihnen einen schnellen Blendzauber entgegen. Das einzige was ich auf die schnelle zur Hand hatte war Tränenkraut, was ich den Kreaturen entgegenwarf, in der Hoffnung, es hätte irgendeine Wirkung auf sie. Nazir zog, eben noch im Gespräch mit Lorika gewesen, seine Waffe, aber etwas zu spät. Eines der Druden erwischte ihn, das konnte ich aus meinen Augenwinkeln erahnen, die sich aber mit Tränen füllten, weil ich einen Hauch meiner eigenen Medizin zu schlucken bekam, ich konnte aber den Niesreiz noch unterdrücken, während eines der Durdenweiber sehr wohl auf das “Kraut”-Pulver reagierte. Der Kampf wog hin und her, als die Geschöpfe auf uns niedersausten, selbst geblendet oder mit Tränenkraut bedacht, fuhren die Getroffenen noch herab, wenn auch mit wenig Erfolg. Die anderen wurden von Roban und Ashina mit scharfer Klinge und kämpferischen Geschick Hieb um Hieb vom Himmel geholt. Auch Nazir tat sein Werk, war aber deutlich mitgenommen, wirkte verletzt. Und letztlich fiel er auch zu Boden, als sich die letzten Vogelfrauen verzogen oder zu Boden gingen. Er blutete, wir waren wieder allein, Lorika nicht aufzufinden, nur noch das leise Geräusch eines Vogels zu hören. Wie würden wir nur zurückkommen? War mein erster Gedanke, als sich Stille über die Wiese legte.