Geschichten:Ein ehelicher Briefwechsel

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Elissa hatte einen ihrer längeren Ausritte unternommen, die mit Einsetzen der Schneeschmelze wieder möglich geworden waren. Doch verschafften sie ihr, wie sie nicht erst heute feststellte, nicht mehr so viel Erholung, wie noch einige Monde zuvor. Ihre langwierige "Erkrankung" hatte die Baronin mittlerweile, von einigen Nachwirkungen abgesehen, auskuriert und sie fühlte sich in den Zacken nach wie vor sehr wohl, ja geradezu heimisch. Ihr wurde jedoch zunehmend bewusst, dass diese ebenso wilde wie dünnbesiedelte Landschaft auf Dauer dann doch zu wenig war; dass sie wieder - zumindest in Maßen - mehr Menschen, mehr Gesellschaft um sich brauchte. Die Adlige begann zu ihrem eigenen Erstaunen sogar den Trubel in der Reichsstadt zumindest ein wenig zu vermissen. Dermaßen in ihren Gedanken vertieft, hätte sie bei ihrer Rückkehr auf Burg Mallvenstein beinahe ihren Kastellan, Norholt von Rickenberg, niedergeritten, der sie auf dem Burghof erwartete.
"Norholt, ich glaube nicht, dass es klug ist, sich einem galoppierenden Pferd in den Weg zu stellen und noch weniger, dies mitten auf dem nicht endlos großen Hof einer Burg zu tun."
"Ähm ja, Eure Hochgeboren, ich werde es mir für die Zukunft merken."
"Was macht Ihr überhaupt noch hier? Wolltet Ihr nicht schon vor einer Stunde auf dem Weg in die Reichsstadt sein?"
"Das ist richtig, Eure Hochgeboren, aber kurz, bevor ich aufbrechen wollte, kam ein Bote aus der Stadt an und übergab mir einen Brief eures Gemahls, Hochgeboren Sequim, zu euren Händen."
"So, so."
"Und ich erachtete es als meine Pflicht, euch diesen persönlich zu übergeben."
"In der Tat, äußerst pflichtbewusst, mein Bester. Und wo ist diese höchst bedeutsame Nachricht nun? Und sagt mir nicht, dass Ihr mich hier unten in Empfang genommen habt, nur um mir jetzt mitzuteilen, dass der Schrieb oben in meinem Arbeitszimmer auf mich wartet."
"Wie? Äh, nein, natürlich nicht. Eure Hochgeboren. Hier, bitte sehr."
Die Baronin nahm den Brief und steckte ihn ohne weitere Beachtung nach zweimaligem Falten in ihre Gürteltasche. "Gut, dann schlage ich vor, dass Ihr eure Abreise auf morgen verschiebt, um meinem verehrten Gatten in einem Aufwasch auch gleich meine Antwort zu überbringen. Und nun entschuldigt mich."
"Äh, gewiss, selbstverständlich." Norholt blickte seiner Herrin mit leicht indigniertem Blick hinterher, während er sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass sie der Nachricht ihres Gemahls - und damit ihrem Gemahl ganz allgemein - keine gesteigerte Bedeutung beizumessen schien.

Nach einem heißen Bad nahm sich Elissa endlich Zeit für Sequims Zeilen, deren Lektüre sie an manchen Stellen mit Kopfschütteln oder Augenrollen quittierte, im Falle seiner Ankündigung, sie demnächst besuchen zu wollen, gar mit beidem. Danach legte sie den Brief allerdings zur Seite, da die Adlige sich zuvor um für sie wichtigere Dinge zu kümmern gedachte.


An ihre Hochgeboren Elissa vom Berg

Baronin zu Vellberg
 
 
 
 
Meine geliebte Bergblüte, erlaube einem Archivar, deinem Gemahl, sich ungelenk auszudrücken.
Ich hoffe, der zum Glück nun wieder mildere Winter hat deine, oder darf ich sagen „unsere“, Lande nicht all zu hart getroffen. Hier am Perlenmeer hatte die Milde Ifirn zum Glück ein schnelles Einsehen mit uns und konnte ihren Vater alsbaldig überzeugen seinen Gram von Perricum abzuwenden und wieder in andere, ihm gewogenere Landstriche zu leiten. So habe ich mir vorgenommen, dich bald wieder zu besuchen und auch beim kleinen Wallbrord und meinen eigenen Ländereien nach dem Rechten zu sehen. Allerdings halten mich meine diversen Dienstschaften bei Hofe noch hier. Denn hier rumort es ein wenig, nicht greifbar, aber spürbar, vmtl. den neusten Umbrüchen geschuldet. Apropos, vielleicht willst du ja auch uns noch einmal besuchen, mit mir, nach meiner Visite auf Burg Mallvenstein, in die Heimat reisen. Meine geliebte Matriarchin fragte mich neulich, ob dein letzter Aufenthalt hier Gefallen gefunden hat bei dir, da du – ganz die Zackenländerin – dich in bescheidener und tugendhafter Genüg- und Sittsamkeit hervor tatest und Ginaya nicht recht wusste ob dir die Besuchschaft hier missfallen hat, ich glaube sie selbst hat allerdings Gefallen an dir gefunden. Du weisst, was das heisst, Ginaya, immerhin Familienoberhaupt und Perricumer Stadträtin sucht Verbündete und (Handels-)Beziehungen für die Zukunft. Aber sie will sich dabei auch sicher sein, wenn sie investiert. Sie fragt dennoch, ob es dir an etwas mangelt und ob sie geeignete Prospektoren, Gesteinskundige oder andere hilfreiche Kundlerinnen vorbeischicken soll oder könnte? Sie will uns dadurch fördern, unser…dein Land urbarer, profitabler machen. Sie sagt, davon würden nicht nur wir profitieren, nein, die ganze Provinz, die Stadt, allen könnte dies gut tun. Ist das nicht eine gute Nachricht? Was sagst du dazu?

Aber mal ganz ab davon, meine Schwalbenkönigin, wie steht es eigentlich um deine werten Nachbarn in Bergthann, Zackenberg, Hengefeldt und dem Arvepass? In letzterem ist einiges im Umbruch, hörte ich und bei ersterem hat sich der Niederadel immer noch nicht ganz mit der neuen Lehensführung arrangiert? Konntest du da einen Einblick bekommen? Meinst du man könnte den Gebeutelten dort irgendwie „Nachbarschaftshilfe“ leisten?
Wir sollten solcherlei Dinge diskutieren wenn ich Vellberg besuchen komme und auf unser gemeinsamen Reise danach. Bis dahin hoffe ich auf eine Antwort deinerseits.

Gezeichnet in Perricum-Stadt, am 22. Tsa 1044 nach dem Fall Bosparans
 
 
 
 
In Liebe, dein

Sequim


Auch wenn der Adligen der schwülstig-romantische Tonfall des Schreibens gänzlich abging, so konnte sie den Inhalt nicht ebenso leicht abtun, denn einige Punkten lohnten durchaus einer näheren Betrachtung und wohlerwogenen Antwort. Gerade, wenn Elissa nun allmählich wieder außerhalb Vellbergs aktiver werden wollte, war es unumgänglich, zuvor die nötigen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Und der leidigen Politik konnte sie selbst in Vellberg nicht entfliehen und als Baronin schon gar nicht, egal, ob es ihr passte oder nicht. Einen Gutteil der Nacht feilte Elissa an einer, ihrer Meinung nach, adäquaten Antwort, die sie am nächsten Morgen leicht übermüdet Norholt übergab, der versprach, sie direkt nach seiner Ankunft in Perricum Sequim zu übergeben.


Trenner Perricum.svg


Liebster Gemahl!
 
 
 
 
Mit großer Freude habe ich Deine jüngsten Zeilen gelesen; wie schön wieder von Dir zu hören! Ich freue mich auch schon ungemein, Dich in nächster Zukunft wieder in die Arme schließen zu können, sobald es mir meine Verpflichtungen erlauben. Hier und jetzt müssen Dir leider diese dürren Zeilen genügen, mein lieber Sequim.

Vorweg das Wichtigste: Unser Sohn entwickelt sich prächtig! Er hält bereits jetzt die ganze Burg auf Trab und gönnt seiner Amme und mir nur wenig Ruhe. Ich glaube, da schlägt er ganz nach seinem Großvater.

Mit unseren Nachbarn in den Zacken pflege ich nur wenig Kontakt, was aber weniger an gegenseitigem Unwillen oder gar Zwist liegt, sondern an den ebenso langen wie oftmals schlechten Wegen, von den Fährnissen der Region ganz zu schweigen. Ein engerer Austausch findet derzeit nur gen Zackenberg statt, wo meine Nichten leben, mit meiner, wenn man so will, 'Stiefmutter' Fredegard sowie dem jungen Ritter Hardenstatt, den ich bereits seit Jahren kenne. Aber ich beklage mich nicht über meine bisher so überschaubaren Verbindungen zur Außenwelt, hatte ich mich nach meiner Genesung damals doch ganz bewusst dafür entschieden, mich zunächst weitgehend auf mich und die Verwaltung meiner Baronie zu beschränken. Was jedoch selbst in den Zacken die Runde machte, ist, dass im Land im Allgemeinen und in der Reichsstadt im Besonderen politisch wohl einiges in Bewegung geraten ist; ich bin gespannt, wohin uns all dies noch führen und was es für Auswirkungen auf die Zackenlande haben mag. Auch von dem, sagen wir, 'Rumoren' samt Veränderungen in Arvepass habe ich gehört und einer "Nachbarschaftshilfe", wie Du es nennst, dort stünde ich durchaus aufgeschlossen gegenüber, auch wenn sie mangels eigener Mittel wohl eher lediglich symbolischer Natur sein dürfte.

Mittlerweile fühle ich mich aber stark genug, um wieder vermehrt unter die Leute zu gehen, wie man so sagt. Es wird Dich daher gewiss sehr freuen, dass ich perspektivisch beabsichtige, mich öfters nach Perricum zu begeben, respektive dort aufzuhalten, sodass Du auch häufiger Gelegenheit haben wirst, Deinen Sohn in den Armen halten und mich wiedersehen zu können. Der Besuch bei Deiner Familie war für mich zugegebenermaßen ein wenig ungewohnt - größere und auch ein wenig ausgefallenere Gesellschaften waren bisher nicht so meine Sache, wie Du weißt - aber keineswegs unangenehm. Im Gegenteil: Ich wäre sehr erfreut, Deiner Mutter und Haupt Deiner Familie erneut meine Aufwartung machen und dabei dann das Angenehme - das Wiedersehen mit ihr und Deiner Familie - mit dem Nützlichen - die Festigung unseres Bündnisses politischer wie merkantiler Natur - verbinden zu können. Ich plane bereits für den nächsten Mond einen Besuch in der Capitale, dann können wir dort alles weitere sowohl miteinander als auch mit Deiner Mutter besprechen und vielleicht auch schon beschließen.

Da unser Sohn nun lautstark nach mir verlangt, möchte ich diesen Brief nun beschließen. Bitte grüße meine Schwiegermutter ganz herzlich von mir und richte ihr aus, dass mich freue, sie schon in Bälde wiederzusehen.
 
 
 
 
Es grüßt Dich in inniglicher Liebe,
Deine

Elissa


Als der Brief seiner Gemahlin wiederum Sequim von Alxertis Anfang Phex erreichte:

Sequim faltete den Brief, mit der Sorgfalt eines Archivars, er konnte nicht aus ihren Zeilen raus lesen ob er in seinem Brief zu dick aufgetragen oder zu (un)offensichtlich agiert hatte, das war eben auch nicht sein Metier. Außerdem war das Verhältnis zu Elissa zwar einen Deut besser geworden, seit ihrem letzten Besuch, allerdings war seitdem auch wieder etwas Zeit ins Land gegangen. Nichts destotrotz, all dies musste sein.