Geschichten:Rabenschar – Halt gemacht.

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Östliche Perrinlande bzw. Haselhain, Mitte/Ende Boron 1044 BF

Selo von Alxertis, saß in sich gekehrt in seinem pompösen Zimmer in der Festung Haselhain und dachte über die letzten Tage nach, insbesondere den heutigen.
Er und Rhuna, waren, wie schon damals für den Großgaretischen Almosenmeister, gemeinsam in die östlichen Perrinlande gezogen und hatten dort den Baronien Herdentor, Sebarin und nun Haselhain einen Besuch abgestattet. Vorgeblich um der Bereitschaft für eine erneute Almosensammlung, für das von der Fehde gebeutelte Garetien vorzufühlen, auf Eigeninitiative der Perricumer Almosenmeisterin Rhuna. Eine recht perfide Behauptung, die erstens nur ein Deckmantel und zweitens von vornherein kaum Erfolg verspracht, wenn sie denn wirklich ernst gemeint gewesen wäre. Die Perricumer hatten in den vergangenen Jahren immer viel gegeben, nun auch ihre Truppen an die Kaiserin. Die Bereitschaft wäre wohl dementsprechend gering, wenn sich Rhuna und Selo tatsächlich Mühe gegeben hätten. Erstere hatte sich mit dieser Deckung sehr schwer getan, doch Selo hielt es für die einzig logische Begründung warum sie in den wohl reichsten Baronien Perricums vorstellig wurden, ohne weiteres Aufsehen zu erregen. Desweiteren lieferte diese Geschichte auch eine relativ gute Begrüdung für das Treffen einiger markgräflicher Getreue vor wenigen Monden in der Residenz Maias von Perricum, die als freigiebige Gönnerin und großzügige Helferin bekannt war – und von diesen Treffen einige schon gehört hatten.
Wie dem auch war, der eigentliche Grund für die Stippvisiten war ein gänzlich anderer. Ihre Lehnsherrin Rondira von Sturmfels hatte den Wunsch, dass sich Rhuna und Selo an den Höfen der drei Baronien ein wenig umhören sollten, wie diese zur derzeitigen Lage in Perricum standen. Selo war dabei die Idee mit der Spendenbereitschaft gekommen. Die Empfänge waren unterschiedlich ausgefallen, aber die Reaktionen vorallem in Herdentor und Sebarin erwartbar gewesen. In Herdentor hatte man sich vordergründig generös und gastgeberisch gegeben, doch hatten die Sturmfelser dort über ihr Leid geklagt, die Linie des Barons wäre beinahe erloschen, während er selber „vom Götterfürsten gesegnet und entrückt“ in Kloster Preiseneck säße. So hätte man nur wenig Handhabe für so allumfassende Entscheidungen. Dort versteckte man sich also hinter dem „geblendeten Baron“ und gab sich nur bedingt handlungs- und zahlungsfähig. Das es vmtl. ganz anders war, hatte Selo sofort gespürt. Ebenso verhielt es sich beim vorsichtigen Abtasten der Position im aktuellen politischen Gefüge Perricums. Die Entrücktheit und Segnung des Barons gebat auch hier anscheinend einen Schwall von Nichtigkeiten und Ausflüchten. Doch Selo hatte das Gefühl gehabt, dass dies nur aufgesetzte „Neutralität“ gewesen war. Einem Kurs der alttraditionalistischen Brendiltal schlugen sie hier ganz sicher nicht ein, sondern einen ganz eigenen, der aber geprägt schien von einer anderen Handschrift, die aber nicht gänzlich rauszulesen war. Die Günstlinge bei Hofe sprachen da auch keine eindeutige Sprache, aber absolut klar dem Markgrafen zugetan war man offensichtlich auch nicht. Vielleicht hielt man sich auch einfach jede Tür offen. Selo hatte dies nicht gänzlich abschätzen können.

In Sebarin war der Empfang wieder weniger "herzlich", dafür ehrlicher gewesen. Und die Intentionen waren auch deutlich lesbarer. Im dunkel-archaischen Empfangssaal von Burg Altentreu hatte man sie lange Warten lassen, Selo konnte währendessen kaum am Hofe schwadronieren und letztlich hatte man sie kurz, knapp und direkt darauf hingewiesen, dass man sich aus solchen allzu „raulschen“ Dinge heraushalte und seine Meinung hierzu nicht geändert hatte. Man sei beinahe zu umzingelt von „raulschen Usurpatoren“ und „weibischen Möchtegerns“, da hätte man keinen Kopf für solcherlei Weinerlichkeiten, einer raulschen Fehde, die man dort selbst zu verantworten hat. Man freue sich lediglich, dass SIE (Rondra) endlich Blut sehen wollen würde. Ein kurzes Gesprächsangebot über die Einigung von Morganabad, tat man als lächerlich ab, da man hier über Ländereien redete die „der Tradition wegen“ ohnehin den jeweiligen Landen zugehören, aber jetzt auch noch den Groll der aranischen Brut heraufbeschworen hätte, der man grad mit harter Hand begegnete. Es war also unüberhörbar gewesen, der Hof Al’Ariks von Korbrunn isolierte sich, keine Parteinahme für irgendwen, nur für sich selbst. Erwartbar und wenigstens so etwas wie eine abschätzbare Position. Zufriedenstellend war dies nicht gewesen für Rhuna und Selo, aber immerhin klar. Wobei sie bei Abreise erneut der Sohn des Barons überraschte, der zwar nicht offen Dinge geäußert hatte, aber der der einzige war, der den kleinen Zug der beiden noch gebührlich verabschiedet hatte. Vielleicht war Sebarin nicht gänzlich verloren, aber benötigte noch Zeit.

Dann waren sie nach Haselhain gereist und nun saß er hier. Er hatte Rhuna eine andere Strategie für Haselhain vorgeschlagen, sie hatte mit der Baronin direkt ins Gespräch gehen sollen, während er noch vehementer den Hof sondieren hätte wollen. Dies war allerdings nur vordergründig eine Intensivierung ihrer vorherigen Herangehensweise gewesen, hintergründig hatte Selo eine ganz andere Intention. Er hatte schon vorgehabt sich mit Leuten am Hofe Haselhains zu unterhalten, allerdings nur mit einem ausgewählten Kreis. Denn, und das war die Bredouille, im Grunde wusste er bereits wo Haselhain stand. Weshalb er es auch nicht über’s Herz bringen hatte können, direkt mit der hiesigen Baronin zu sprechen. Er wusste, wie sehr diese gerade mit seiner Familie anbandelte, er wusste, dass sein Oberhaupt Ginaya sich gerade bewusst nirgends positionierte und dies definitiv auch nicht wollte. Stattdessen beobachtete sie lauernd die Dinge, sich selbst ein Bild machend, um später daraufhin zu handeln. Was genau seine Matriarchin dabei im Sinne hatte war nicht klar, vielleicht zu diesem Zeitpunkt nicht mal ihr selbst. Es lief aber jetzt schon den Interessen seiner Herrin zu gegen. Und all das wusste er, obwohl oder gerade weil man ihn bei den letzten Familientreffen immer ein bisschen außen vor gelassen hatte, eben weil er seiner Lehnsherrin so nahe und ergeben zur Seite stand – und diese seit je her dem Markgrafen und bis zuletzt auch dessen Seneschall die Treue hielt. Er bedauerte das und es stimmte ihn traurig, dass es so war. Doch er war auch Politiker genug, um es zu verstehen. Rondira konnte er dies nicht sagen, dazu war er wiederum zu sehr Familienmensch, andersherum hatte er sich bei den Familientreffen auch nicht in die Karten schauen lassen. Zum Glück war seine Familie (noch) unter dem Radar der Großen Perricums, auch seiner Herrin…aber irgendwann würde der Moment der Entscheidung kommen und er wusste nicht wie er sich entscheiden würde…Für jetzt, auf jeden Fall, entschied er sich, das hier Offensichtliche zu thematisieren. Rhuna würde nicht viel aus der Baronin herausbekommen, dazu war diese zu wortgewandt. Und auch Selo würde Rondira gegenüber dementsprechend von einer Neutralität sprechen, zumindest Markgraf und Seneschall gegenüber. Bei der Gnitzenkuhlerin suchte Rondira ohnehin nur nach einem Vorwand die alte Rivalität wieder heraufzubeschwören. Aber deswegen ein Bündnisversuch mit der Haselhainerin? Nein. Grundlegend war es wohl ohnehin besser für seine Lehnsherrin sich von Fatime von Pfiffenstock (und damit seiner Familie) fernzuhalten…Ja, er musste sowohl seine Herrin als auch seine Familie schützen. Selo musste schlucken, als er bemerkte wie er begann sich die Dinge zurecht zu biegen und sich selber in die Tasche zu lügen. Er saß da, in seinem pompösen Gemach in der Festung Haselhain und schüttelte sanft den Kopf. Wohin würde ihn das alles nur führen? Er würde den aufkeimenden Konflikt von sich wegschieben, doch er wusste, irgendwann würde das alles sich Bahn brechen. Er seufzte.