Geschichten:Fürst Ansholds Tsatagsturnier - Greifenfurter Feierlichkeiten

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Angbar, Zeltlager unweit des Tjostenfeldes, 12. Peraine 1044 BF

Im Turnierzelt der Keilholtzer regte sich an diesem Morgen erst spät das Leben. Nach seinem ersten Sieg in der Tjost bei einem großen Turnier außerhalb Kressenburgs, hatte Baron Ardo zwei Fässchen Angbarer Starkbieres erstanden und die Humpen waren im Lager der Greifenfurter bis spät in die Nacht aufgefüllt worden. Gerade die Rückkehr des im Finale nur knapp unterlegenen Hundsgraber Barons, der nach einer Weile im Heilerzelt noch immer humpelnd aber mit der Aussicht auf baldige Genesung von den Perainegeweihten entlassen wurde, hatte die Stimmung noch zusätzlich gehoben. Nur die Rückreise nach Greifenfurt würde der Hundsgraber wohl besser in der Kutsche seines Vasallen, dem Junker Dankwart von Bugenbühl, und nicht im eigenen Sattel absolvieren, um den geschundenen Rücken zu schonen. Neben Anselm wurde dann auch viel auf seine Gattin Khorena angestoßen, die im Wettbewerb der Bogenschützen einen hervorragenden zweiten Platz belegt hatte, direkt vor dem Ritter Unswin von Keilholtz. Urion und Renzi hatten es immerhin beide bis ins Viertelfinale der Tjost geschafft. Auch Baron Ardos Knappe Firnwulf, ein Neffe des berühmten Turnierreiters aus Reichsforst, hatte einen sehr guten zweiten Platz im Ringstechen der Knappen errungen. Die Greifenfurter hatten also allesamt sehr großen Anlass zur Freude.

Vor allem mit Prinz Edelbrecht hatte der Kressenburger Baron dann wieder lange gezecht. Der Koscher Gemahl der Greifin war in der ersten Runde etwas unerwartet gegen Herzog Hagrobald vom Großen FLuss ausgeschieden. Hernach hatte er aber als einer der Lautesten die verbliebenen Märker angefeuert und musste nach siegreichen Ritten der Greifenfurter regelmäßig von der mäßigenden Hand seiner Gattin zurück auf den Sitz gezogen werden. Dass am Ende auch noch zwei Greifenfurter das Finale unter sich ausgemachten, hatte den Bruder des Koscher Fürsten dann gänzlich mit seinem eigenen Abschneiden versöhnt.

„Seid ihr endlich wach?“ Die junge Ritterin Lisande, Baron Ardos kleine Schwester, die erst vor einigen Monden ihren Ritterschlag erhalten hatte, öffnete die Zeltplane und ließ die frische morgendliche Frühlingsluft herein.

Ihr Vater, Ritter Wulfhart, hob abwehrend die Hand vor die geröteten Augen. „Jetzt sind wir es auf jeden Fall“, grummelte das Familienoberhaupt etwas sauertöpfisch.

Auch Ardo und Praiadne erhoben sich jetzt schlaftrunken von ihrem Lager. Die Schlafstätten von Unswin und den Knappen waren schon leer. Der ehemalige Zornesritter war wohl gewohnheitsmäßig mit dem ersten Praiosstrahlen aufgestanden und hatte die Knappen gleich mit geweckt, damit sie ihren Pflichten nachkommen konnten. Nur Lisandes Lager sah gänzlich unberührt aus, was zu ihrer Erleichterung weder ihr Vater noch ihr Bruder mitzubekommen schienen. Nur ihre Schwägerin Praiadne zwinkerte ihr wissend zu, hatte sie doch am Vorabend gesehen, wie sich die junge Ritterin davongestohlen hatte, um den Abend in Gesellschaft einer ungemein gutaussehenden Bardin und einer Gruppe junger Koscher Edler ausklingen zu lassen.

„Unswin hat sein Pferd schon gesattelt, Bruderherz.“ Lisande rollte beiläufig ihre Schlafdecken zusammen, während sie Ardo auf den Stand der Dinge brachte. „Wie es aussieht, möchte er zeitnah abreisen. Er sagte etwas davon, dass er seine Vasallenpflicht erfüllt hätte und nun gerne zurück zu seiner Gemahlin wolle.“

„Das kann man ihm kaum verübeln“, beeilte sich Praiadne einzuwerfen, bevor Ardo etwas sagen konnte. „Immerhin hast du ihn praktisch aus dem Hochzeitbett geholt, damit er hier beim Bogenschießen im Namen der Familie antreten kann.“

„Er ist nun einmal der beste Schütze, den wir in unseren Reihen haben“, grummelte der Baron säuerlich ob der gewohnten Eigenmächtigkeit seines Vetters. „Aber gut, er soll seinen Willen haben. Er hat sich immerhin mehr als wacker geschlagen. Sage ihm er soll Phexian mitnehmen. Die Straßen sind noch immer recht unsicher dieser Tage, gerade an den Grenzen zum Garetischen. Da sollte er nicht allein reiten. Wir kommen in ein paar Tagen nach, solange kann er den Jungen in Friedheim behalten.“

„Ich werd’s ihm ausrichten.“ Damit schulterte die junge Ritterin ihr Bündel und erhob sich. „Ich werde im Übrigen auch nicht gleich mit zurück nach Kressenburg kommen.“

„Wirst du nicht?“ Wulfhart trat mit überrascht gehobenen Augenbrauen näher.

„Nein“, antwortete sie schlicht und sah ihm dabei fest in die Augen. „Ich werde ein paar Bekannte zu einem kleinen Turnier in der Koscher Provinz begleiten. Weniger starke Gegner weißt du. Da komme ich vielleicht mal über die erste Runde hinaus und lerne, wie es ist, wenn zur Abwechslung der Gegner aus dem Sattel fällt.“

„In Ordnung“, meinte der ältere Ritter. Dann zog er seine Tochter an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Gib gut auf dich acht und bleib nicht zu lange fern.“

Lisande drückte sich kurz an die breite Brust ihres Vaters und lächelte ihm dankbar zu. Sie wusste, dass er sich stets sehr um sie sorgte, seit ihre Mutter bei ihrer Geburt verstorben war. Dann war sie lange Zeit in Hundsgrab als Pagin und Knappin im Dienst Baron Anselms gewesen und erst nach ihrem Ritterschlag im letzten Sommer, hatte sie wieder länger in der Heimat verweilt. Doch das ruhige Leben in Kressenburg war ihr schon bald zu langweilig geworden und so zog es sie, seit der Herr Firun seinen Griff um die Lande gelockert hatte, immer wieder fort, um mehr von Dere zu sehen und sich bei Turnieren einen Namen zu machen.

„Spätestens zum Neujahrsstechen bin ich wieder zu Hause.“ Mit diesen Worten ging sie zu Praiadne und Ardo hinüber und drückte sie zum Abschied ebenfalls kurz an sich. „Ich werde mir doch die Möglichkeit nicht entgehen lassen, meinen Bruder vom Pferd zu schubsen.“ Damit gab sie dem Kressenburger Baron noch einen festen Knuff auf den Arm und verschwand mit einem frechen Grinsen auf den Lippen nach draußen.