Geschichten:Hartsteener Audienz auf dem Weg ins Kloster

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Burg Hutt, Mitte Rondra 1044 BF

„Eure Tante Halina nebst Töchterchen Raulgard“, kündigte der Kammerdiener an und öffnete auf den Wink des jungen Grafen von Hartsteen die Tür zum Kabinett. Das Mädchen hatte ihre blinde Mutter an der Hand gefasst und führte sie herein, wo Graf Odilbert die beiden hinter einem mit Papieren überfüllten Tisch erwartete, den wohl schon sein Großvater Sighart von Hartsteen mit Tinte bekleckert hatte. Langsam drehte Halina den Kopf, so als ob sie den ganzen Raum mustern würde; allein: Ihr Blick war trüb, die Pupillen starr und das seltene Zwinkern der Lider wirkte gezwungen und wie eingeübt.

Die Kleine machte vor ihrem Vetter einen artigen Knicks und auch Halina verneigte sich schließlich in Richtung des Grafen: „Sei mir gegrüßt Odilbert. Es gibt so viel Wichtiges zu tun in diesen Tagen, Und ich belästige dich wahrscheinlich mit Nichtigkeiten; zumindest hätte dein seliger Vater das wohl so ausgedrückt. Umso mehr danke ich dir, dass du mich empfängst“, begann sie das Gespräch.

Odilbert hieß die beiden sich setzen und goss persönlich Wein in die bereitgestellten Becher, bevor Halina ihr Anliegen vorbrachte: „Du weißt, ich habe im letzten Jahr neben meinem Bruder, deinem Vater, mit Praiodan auch meinen zweiten Ehemann und mit Adhumar meinen Sohn, deinen lieben Vetter, verloren. Der Schmerz darüber raubt mir die Ruhe und den inneren Frieden. Nur in Gebet und Zwiesprache mit den Zwölfen finde ich noch Hoffnung und Erleichterung. Darum habe mich entschlossen, allem Derischen zu entsagen und die mir verbliebene Zeit dem Alveranischen zu widmen. Ich hege die Vermutung, dass dem seitens der Familie nichts entgegensteht, möchte aber dennoch um deine Zustimmung ersuchen.“

Liebe Tante“, entgegnete Odilbert ernst, „die großen Verluste des letzten Jahres sind den einen Ansporn, die anderen lassen sie verzagen. Ich verstehe Deine Beweggründe sehr gut und nichts läge mir ferner, als Dir diesen Wunsch zu versagen.“

„Bevor ich mich nun diesem Vorhaben ganz hingebe, bedarf es freilich noch der Regelung meiner Angelegenheiten. Vor allem betrifft dies das Wissen darum, dass die zukünftige Versorgung meiner Kinder gesichert ist, sofern dass noch nicht bereits der Fall ist.“

„Was stellst Du dir vor?“, beugte sich der junge Graf interessiert in seinem Sessel nach vorn.

„Für Sigmann ist die Zeit gekommen, dass er seinen Schwertleite erhält. Ich bin mir sicher, dass er ein guter Ritter und treuer Vasall sein wird und bitte dich, dass er angemessen belehnt wird. Dabei hege ich die vermessene Hoffnung, dass sich vielleicht etwas anderes als das verfluchte, unselige Feldsteynchen finden möge, aber die Entscheidung liegt natürlich bei dir.“

Odilbert nickte: „Nun, mein Vetter wird, wie Du sagst, bald alt genug sein, für sich selbst einzustehen. Wenn er seine Dienstpflichten gegenüber Hartsteen gewissenhaft und ausdauernd erfüllt, wird dem nichts im Wege stehen. Sende ihn zu mir, wenn die Zeit reif ist.“

Das war alles andere als die klare Zusage, die sie sich wohl gewünscht hatte, aber besser als nichts.

„Raulgard“, Halina legte ihre Hand sanft auf die Schulter des neben ihr sitzenden Kindes, das still und offenbar ein wenig befangen dem Gespräch lauschte, „steht de iure das Junkertum Steinfelde zu und ich erwarte, dass dieser Anspruch erfüllt wird. Sie soll aus diesen Einkünften ihren Unterhalt standesgemäß bestreiten können.“

Ein Moment des Schweigens entstand, bevor der Graf schließlich antwortete: „Tante Halina, ich will ganz offen mit dir sprechen. Mit deiner Bitte bringst du mich in eine schwierige Situation: Die Steinfeldes leisten mir treue Dienste und ich brauche verlässliche Vasallen, Leute, die bewiesen haben, dass sie für unsere Sache kämpfen. Und ich werde sie unweigerlich vor den Kopf stoßen, wenn ich ihnen ihr Stammlehen vorenthalte.“

„Aber meinen Kindern ihr aus einem gültigen Ehevertrag resultierendes Recht einfach vorenthalten, das kannst Du. Wie dein Vater!“

Odilbert schien unter dem bei diesen harten Worten direkt auf ihn gerichteten starrverschleierten Blick Halinas kurz zusammen zu zucken, doch beherrschte er sich und antwortete knapp: „Ich muss zuerst darauf sehen, was für Hartsteen gut ist.“

„Ist es gut für Hartsteen, wenn Willkür herrscht und Verträge nicht das Pergament wert sind, auf das sie geschrieben wurden? Und ist es gut für die Familie Hartsteen?“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich deiner Bitte nicht entsprechen würde. Die Bestimmungen des Ehevertrages gelten und das werden die Steinfeldes anerkennen müssen. Gleichwohl braucht Raulgard einen fähigen Verwalter, bis sie selbst in ihre Rechte eintritt. Und als ein solcher Vogt kommt für mich nur einer von denen infrage“, beendete der Graf schließlich das heikle Thema.

Halinas Miene entspannte sich: „Dann soll es geschehen, wie du sagst. Hab Dank, dass du mich angehört hast und das Nötige in die Wege leitest. Dann bleibt mir nur noch, dir Lebewohl zu sagen. Jeden Tag werde ich für dich und die Deinen beten in der Hoffnung, dass euch solch ein Schicksal wie mir erspart bleiben möge. Den Zwölfen befohlen.“

Die Edle erhob sich und auch das achtjährige Mädchen rutschte von ihrem Stuhl auf dem sie stumm dem Gespräch gelauscht hatte.

„Leb wohl, Tante Halina. Eine Frage hätte ich an dich: Gedenkst du, Raulgard mit zu dir ins Kloster zu nehmen?“

„Nein. Auch wenn ich sie am liebsten bei mir hätte – das Kloster Hutt ist derzeit nicht der beste Ort für sie. Was ihre Erziehung anbelangt, habe ich darum bereits mit deiner Tante Selinda gesprochen. Unter ihrer Obhut und Aufsicht wird Raulgard das Nötige lernen.“