Geschichten:Frühlingssturm - Ein herbstlicher Besuch

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Die Nähe zu den schwarzen Landen und die stete Gefahr eines Überfalls durch ruhmsüchtige Barbarenkrieger hatten Aldron dazu veranlaßt, einige Vorsicht walten zu lassen. Man konnte in diesen Zeiten nie wissen und inzwischen hatte man schon dreimal versucht, ihn in einem direktem Anschlag zu Boron zu befördern. So kam es, daß ein kleiner Troß aus insgesamt sechs Reitern und sechs Mann zu Fuß den Mallvenstein erreichte: Der Landvogt ließ sich von seinem Knappen begleiten, einem Burschen von vielleicht siebzehn Sommern, und ritt in einer Bedeckung von vier leichten Reitern, die er noch aus seiner Zeit als Crongewaltvogt kannte und die ihren Abschied genommen hatten, um ihn in die Trollzacken zu begleiten. Die Männer und Frauen zu Fuß indes waren wohl Bergbewohner der Sippe des Erlgrimman, die von Teilen des Gesindes etwas mißtrauisch beäugt wurden.

Der Firunslichter lenkte den Rappen etwas vor, dessen lange Mähnen- und Schweifhaare in der Nässe feucht nach unten hingen wie die Schabracke in den Wappenfarben seines Hauses. Aldron selbst war in einen schlichten Dreiviertelpanzer gewappnet und nahm nun den Schaller ab um ihn auf dem Sattel zu platzieren. "Rondra zum Gruß, Hochgeboren. Ich hoffe, mein Besuch kommt nicht zu ungelegen oder unerwartet und bitte um Gastung in Travias Namen."

Mitnichten kommt Ihr ungelegen, Hochgeboren und Gastung im Sinne der Frau Travia will ich Euch gerne gewähren!" entgegnete Wallbrord mit voller aber nicht unfreundlicher Stimme.

"Ich danke euch. Es wird guttun, aus Efferds Segen zu entfliehen." Mit einem zufriedenem Nicken ließ sich der Landvogt aus dem Sattel gleiten und warf den Zügel einem der ebenfalls absitzenden Waffenknechte zu.

"Kümmer dich um Kerdosch." Dann wandte er sich an seinen Knappen. "Jarin, gleich folgen." Das ließ sich der junge Birkenbruch nicht zweimal sagen. Auch er übergab sein Reittier einem der Soldaten und schickte sich an, den beiden Veteranen zu folgen, recht froh darum, heute keinen Stalldienst leisten zu müssen.

Kaum daß die Ankömmlinge absaßen, winkte der Baron einen Bediensteten zu sich: "Führe unsere Gäste zu den Stallungen und sorge dafür, daß ihre Pferde angemessen untergebracht und versorgt werden. Danach geleite sie in die Küche wo bereits ein kräftiges Mahl auf sie wartet." Der Angesprochene nickte kurz und tat dann wie ihm geheißen.

Wallbrord wandte sich nun wieder dem Vogt zu: "Euer Quartier wird gerade bereitet. Ich nehme an, daß ihr nach dem langen Ritt gleichfalls kurz ausruhen und euch stärken möchtet. Wenn ihr mir ins Kaminzimmer folgen wollt. Dort hat man bereits aufgetragen und auch meine Gemahlin und unsere Tochter werden Euch dort willkommen heißen." Der Baron begab sich daraufhin mit seinem Gast gemessenen Schrittes hoch zum Kaminzimmer.

Aldron hatte den Weg bis zum Kaminzimmer auch dafür genutzt, sich weiterer Teile seiner Rüstung und des schweren Reitmantels aus Wolle zu entledigen, der von Efferds Gnade durchtränkt war. So also war er nur noch leicht gerüstet, als er schließlich im Kaminzimmer ankam, während Jarin noch einen Abstecher zur bereiteten Kammer machte, die Rüstungsteile seines Knappenvaters unterzubringen und gleich auch noch zumindest grob zu trocknen. Der Knappe maß der prompten Pflege von Rüstzeug inzwischen einen hohen Wert bei - allein schon, weil es Herr Aldron ebenso hielt und es viel schwerer war, erstmal gerostete Stellen wieder zu polieren als eine Rüstung trocken und gut gefettet zu halten. Und das Problem daran war, daß Herr Aldron immer noch auf ein gepflegtes Äußeres achtete und Roststellen zum Verlust von den wenigen Privilegien führen konnten, die sich der junge Birkenbrucher inzwischen erarbeitet hatte.

Im Kaminzimmer saßen derweil die Familie des Burgherrn und der Gast aus der Nachbarbaronie zusammen. Letzterer hatte sich in traviagefälliger Dankbarkeit des Mahles angenommen, daß ihm bereitet worden war und genoß es, nach langem Ritt an einem warmen Feuer sitzen zu können. Zwar konnte man von Aldron von Firunslicht nicht erwarten, daß er sich sichtlich entspannte, dennoch kam die Situation und das Gespräch über das Wetter, allerlei Neuigkeiten und Gerüchte dem Ideal schon recht nahe. Natürlich kam das Gespräch irgendwann auch auf die allgegenwärtigen Gefahren des Gebirges und seiner Bewohner und die Umtriebe des Feindes dahinter.

Wallbrord und die seinen beließen es für den Anfang bei leichter Konversation (was dem einstigen Marschall nicht gerade leicht fiel), um ihren Gast nicht schon bei Speis und Trank mit allerlei ernsten Themen zu belasten. Kurz nachdem Aldron sein Mahl beendet hatte, entschuldigten sich Fredegard und ihre Tochter Selinde - letztere eher widerwillig, war die junge Frau doch selbst Ritterin in Diensten Marschall Ludalfs Diensten (und daher nur zufällig bei ihren Eltern) und infolgedessen durchaus neugierig auf das Gespräch ihres Vaters mit seinem Gast, doch ließen Blick und Miene ihrer Mutter keinen Zweifel daran, daß sie der Meinung war, die beiden Herren nun besser allein zu lassen.

Schließlich räusperte sich Aldron. "Das bringt mich auf den Grund meines Besuches. Hochgeboren, darf ich fragen, wie es bei euch in Vellberg aussieht mit der Präsenz unerwünschter Kräfte und Subjekte? Bergwilde... oder im Norden speziell vielleicht warunksche?"

"Tja, das ist eine gute Frage, Hochgeboren", antwortete der Baron lakonisch. "Aufgrund der Unwegsamkeit des Nordens meines Lehens, der geringen Zahl an Bewaffneten wie auch an Einwohnern läßt sich dies nur schwer abschätzen. Bis dato sind jedenfalls keine größeren Aktivitäten des Feindes, wozu ich neben denen aus der Warunkei auch die Trollzacker zähle, bekannt geworden. Man darf dabei allerdings nicht vergessen", fügte Wallbrord mit nachdenklicher Mine hinzu, "daß der Nordteil Vellbergs nahezu unbewohnt ist und Nachrichten von dort oftmals sehr lange bräuchten, bis sie mich erreichten. Was ich jedenfalls mit Gewißheit zu sagen vermag, ist, daß die Lage in der Südhälfte des Lehens sehr ruhig ist und auch von Seiten der See bisher keine Gefahr drohte. Allerdings muß ich ganz freimütig eingestehen, daß Vellberg ob der geringen Zahl an Bewaffneten einem ernsthaft vorgetragenen Angriff seitens dieser verfluchten Nekromanten nicht viel entgegenzusetzen hätte. Ich vermute einfach mal, die Baronie ist dem Feinde zu unwichtig oder er hat genug mit sich selbst zu tun; wie mir zu Ohren kam, scheinen diese Boronfrevler seit dem Tod des Schwarzen Drachen ja auch untereinander zerstritten zu sein, was - wenn es denn stimmt - unser Glück sein dürfte. Außerdem denke ich, daß sie ihre Kräfte eher gegen die Golgariten in der neugeschaffenen Rabenmark konzentrieren, ist der Orden doch ein weit gefährlicherer Gegner als die bevölkerungsarmen Lehen in den südlichen Trollzacken, wo es für dieses Kroppzeug auch nicht viel zu gewinnen gäbe." Der einstige Marschall nahm mit leicht besorgt wirkender Mine einen tiefen Schluck aus seinem Becher, bevor er fortfuhr. "Doch sagt, Herr Aldron, wie ist es um Euer neues Lehen bestellt?"



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Vellberg1.svg   Wappen Freiherrlich Mallvenstein.svg  
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Texte der Hauptreihe:
10. Tra 1030 BF zur abendlichen Hesindestunde
Ein herbstlicher Besuch
Prolog: Von Planungen und Reaktionen


Kapitel 2

Ein kühner Plan