Geschichten:Frühlingssturm - Stunden der Löwin

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Die Prüfung Talvias vom Turm war vom Schwert der Schwerter am Tag nach dem Turnier angesetzt. Im Morgengrauen würden sich die Geweihten auf der Walstatt einfinden und die Gefallene im Angesicht ihrer Herrin prüfen.

Nur wenige fanden den Weg zu so früher Stunde hinaus in die Kälte. Talvia kniete auf dem steinigen Untergrund und auch die Rondra-Geweihten waren schon anwesend, hatten sich mit gemeinsamen Gebeten und einzelnen rituellen Duellen eingestimmt. Nun bildeten sie einen engen Ring um ihre Matriarchin und nach einigen Augenblicken lösten sich fünf von ihnen aus dem Kreis, begaben sich ein wenig abseits und begannen mit langsamen Übungen, die gezogenen Klingen in den Händen.

DasSchwert der Schwerter und die Schwertschwester von Lohenharsch indessen traten auf Talvia zu. Diese blieb wie sie war und blickte standhaft in die Augen der höchsten derischen Vertreterin der Göttin, deren Urteil sie sich unterwerfen wollte. Doch es war Alinja, die anhub zu sprechen. "Deiner Bitte auf Prüfung wurde entsprochen, Sünderin. Du wirst Dich 'dem geheiligten Kreis der bewehrten Tugenden' unterwerfen."

Der fragende Blick Talvias war erwartet worden, dieses Göttinnenurteil war unbekannt, sehr alt und selten vollzogen worden. Sogleich fuhr die Bornische fort.

"Dies ist eine Prüfung, wie sie Laien vorbehalten ist, die sich vor der Göttin versündigt haben. Laien, die Eide geschworen und sie gebrochen haben. Zwölf Tugenden hast Du mit Deinem Gelübde im Rahmen der Schwertleite beschworen und im Geiste dieser Tugenden wirst Du nun geprüft werden. Sicher hast Du vielen Tugenden gefrevelt, doch vielleicht waren es nicht alle und die Herrin mag einen Rest Tugendhaftigkeit in Dir erkennen, der es wert ist, Dir den langen und harten Weg zur Vergebung zu öffnen. Diese Erkenntnis zu erlangen, werden wir Dir helfen", Alinja deutete auf die Rondra-Geweihten, die sich - soviel konnte Talvia erkennen - auf einen Kampf vorbereiteten.

"Wir sind derer nicht mehr so viele", sprach Ayla nun weiter. "In alten Zeiten waren es zwölf Schwerter der Herrin, denen sich ein Delinquent stellen musste, heute musst Du mit der Hälfte von ihnen vorlieb nehmen. Jeder von ihnen wird für zwei Tugenden streiten, in ihrem Geiste Angriffe führen und Du sie wehren. Es ist an Dir, die Tugenden zu erkennen, die Dich angreifen und sie mit der entsprechenden Wehr zu beantworten. Gehst Du fehl, wird Dich der Hieb oder der Stich treffen und Dich verwunden. Gerechtigkeit, darf nur die Gerechtigkeit wehren, Mut, nur den Mut und so fort. Wann welche Tugend Dir begegnet ist nicht fest gefügt, löse Dich also von der festen Reihenfolge, die man Dich gelehrt hat."

Alinja nickte und fuhr fort. "Du wirst der Prüfung ebenso entgegentreten, wie ein Knappe die Schwertleite erwartet: Nackt, bis auf ein Unterkleid, doch Dir sei Dein Schwert gestattet, das zu tragen Du als Ritterin das Recht hast. Es gibt nur wenige Wege, einem Menschen die Ritterwürde abzuerkennen, diese Prüfung ist einer davon. Du gehst mit dem Vorrecht des Ritters, der Göttin heilige Waffe führen zu dürfen, in diesen Kampf und Du kämpfst darum, Dir dieses Privileg zu erhalten. Erweist Du Dich als unwürdig und überlebst dennoch ..." Es war nicht nötig fortzufahren, Talvia senkte verstehend den Kopf. Damit hätte sie all ihre Ehre verloren und der Tod wäre die ersehnte Erlösung, die ihr dennoch verwehrt bleiben würde.

Doch nur kurz ergab sie sich dieser Erkenntnis, dann hob sie den Kopf wieder. Heiser und zögerlich nahm sie ihren Mut zusammen. "Ich ... habe nie davon gehört, dass es ...", sie schluckte und fasste sich. "Ich kenne diese Angriffsformen nicht und auch nicht die Wehren, wie soll ich sie also vollführen und beantworten, Erhabene, Hochwürden?" Die Erhabene antwortete, derweil Alinja einige Schritte rückwärts ging und sich dabei ihres Mantels entledigte, den sie ihrer eilige hinzugesprungenen Novizin zuwarf.

Ayla blickte die Delinquentin an und kein Lächeln umspielte ihre Lippen als sie nun sprach. Hart wie Smaragde glommen die Augen des Schwertes der Schwerter im beginnenden Tageslicht. "Wenn es so ist, Sünderin, dann wirst Du fehlgehen. Doch wenn noch ein Rest Tugendhaftigkeit in Dir ist, Du wahrhaftig bereust und die Herrin Dir ihre Gnade schenkt, wirst Du erkennen und wissen, wenn es an der Zeit ist."

Mit diesen Worten zog sich nun auch das Schwert der Schwerter zurück. Zwei Novizen traten heran und halfen Talvia sich zu entkleiden. Sie ermunterten sie auch, sich aufzuwärmen und ein Gespür für ihr Schwert zu bekommen, wie die nunmehr sechs Geweihten Rondras es in einigem Abstand taten.



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Texte der Hauptreihe:
6. Ing 1030 BF
Stunden der Löwin
Man gratuliert


Kapitel 74

Der Tugendreigen
Autor:?