Geschichten:Rabenschar - Ein Bund fürs Leben nicht für die Liebe

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Jagdgut Salcaprea, Markgräflich Perrinmarsch, 23. Phex 1044 BF

Salix von Hardenstatt blickte aus dem Fenster der Kutsche, vor ihm erhob sich das ehemals edelgräfliche Jagddomizil Salcaprea. Ein hübsches Herrenhaus, dessen ockerfarbigen Ziegel sich von dem klaren Blau des Himmels abhoben. Der Edle zu Zackenberg war schon seit den frühen Morgenstunden wach und unterwegs, wollte er doch unter keinen Umständen zu spät zu diesem durchaus wichtigen Treffen kommen.

Eigentlich weilte er derzeit in der Reichsstadt, doch zu seiner Überraschung hatte ihn ein Bote aufgesucht und auf das Gut der Firunslichter eingeladen. Dem Schreiben konnte Salix entnehmen, dass er dieses Treffen vor allem seinem Besuch auf Gut Marschenhof am Anfang des Jahres zu verdanken hatte. Auch wenn man es der Familie Firunslicht heute wohl nicht mehr direkt ansah, so galten diese doch in den Zeiten des darpatischen Fürstentums als durchaus umtriebig und politisch versiert. Sie wussten, wie man Bündnisse knüpft, die mehr als nur bloße Lippenbekenntnisse waren. Er war gespannt, was genau ihn hier erwarten würde.

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Leodane von Firunslicht saß an einem kleinen Tisch in dem Wandelgang, der sich dank den schneeweißen Säulen und Bogensteinen deutlich vom Rest des Gebäudes abhob. Auf dem Tisch stand eine Platte mit Käse und etwas Brot. Daneben eine geöffnete Flasche Wein. Als sie den Adligen aus den Zacken kommen sah, erhob sich die Dame des Hauses.

„Den Zwölfen zum Gruße, Euer Wohlgeboren!“, grüßte der adlige Gast mit einer Verbeugung. „Den Zwölfen zum Gruße, Euer Wohlgeboren. Ihr seid pünktlich, sehr gut, setzt Euch“, mit einer Handbewegung deutete sie auf den Stuhl, der ihr gegenüberstand, bevor sie sich setzte. „Ich hoffe, der Weg war nicht zu anstrengend?“.

„Nein, die Wege und Straßen der Perrinmarschen sind glücklicherweise nicht mit denen der Zacken zu vergleichen. Es war fast schon entspannend, in der Kutsche hierherzufahren“, erwiderte der junge Mann wahrheitsgemäß mit einem Lächeln.

Leodane nickte zufrieden und goss ihrem Gast sowie sich selbst ein Glas Wein ein. „Es freut mich, dass Ihr es einrichten konntet. Es gibt etwas, worüber wir sprechen müssen, etwas, das unserer beider Familien betrifft, aber auch den Bund, der auf Gut Marschenhof geschlossen wurde“. Die Edle blickte bedeutungsschwer in Richtung Salix, der außer einem interessierten Nicken nichts zu sagen hatte.

„Nun, mein geschätzter Gatte – aber auch mein Sohn – sehen Worte als etwas an, das man nur schwer brechen kann. Wer sein Wort gibt, ist daran gebunden. Ich denke jedoch, dass Bünde stärker werden, wenn man sie mit Taten bestärkt, was denkt Ihr?“. Der Tonfall der Firunslicht war von einem lapidaren Plauderton zu einem fast schon lauernden umgeschlagen.

Der blonde Adlige nahm einen Schluck seines Weins, ehe er antwortete. „Durch Taten bestärkte Bünde sind sicherlich strapazierfähiger als bloße Lippenbekenntnisse. Also ja, ich stimme Euch zu. Was genau schwebt Euch denn vor? Denn nur, um über die theoretische Umsetzung von solcherlei Bündnisse zu sprechen, werde ich kaum hier sein, nicht wahr?“.

Die Edeldame lächelte zufrieden. „Das habt Ihr richtig erkannt, geschätzter Edler zu Zackenberg. Ich wusste, dass Euch ein wacher Geist innewohnt. Gut gemeinte Worte und das Einschwören auf eine Sache sind das eine, tatsächlich einen Bund zu formen und ihn zu würdigen, das andere. Deshalb möchte ich zumindest zwischen unsere beiden Familien ein Band schmieden, das über wohlwollende Worte hinausgeht. Immerhin sind sich unsere Familien nicht gänzlich fremd. Euer Bruder hat sich vor nun einem Götterlauf als aufrichtiger und selbstloser Retter ausgezeichnet. Da liegt es doch nahe, dass die Verbindungen unserer Familien vertieft gehören. Was das Schicksal und die Götter zusammengeführt, sollen wir Sterblichen nicht trennen. Was würde sich da besser anbieten als die Vermählung zweier Menschen?“.

Salix biss sich gedanklich auf die Zunge. Das war es also, was die Firunslicht im Schilde führte. Eine Vermählung zwischen ihren beiden Familien. Ein kluger Zug, um zu gewährleisten, dass man näher zusammenrückte, als es einfache Worte vermochten. Doch anders als die Familie Firunslicht verfügten die Hardenstätter nicht über eine große Auswahl an möglichem “Heiratsmaterial“. Der Adlige musste unwillkürlich schmunzeln, als er an die beiden einzigen erwachsenen und ungebundenen Familienmitglieder dachte. Der eine ein abenteuerlustiger Junggeselle, der das freie Leben liebte und die andere eine temperamentvolle Offizierin, die sich bis lang erfolgreich aller Verkupplungsversuche erwehren konnte. „Eine hervorragende Idee, gibt es denn schon Kandidaten, die Ihr in euer Auge gefasst habt?“, wollte Salix nun von seiner Gesprächspartnerin wissen.

Diese nickte mit einem süffisanten Lächeln, „Aber natürlich. Ich hätte Euch nicht hierher bestellt, wenn ich Euch nicht schon konkrete Vorschläge unterbreiten könnte; dafür wäre mir Eure Zeit zu schade“. Leodane nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas und blickte dem Gast fast schon triumphierend entgegen. Dieser schluckte merklich, als er sich innerlich auf ein längeres Gespräch einstellte.

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Fast den ganzen Tag hatten die Dame des Hauses und ihr Gast zusammengesessen und beratschlagt, diskutiert und verhandelt. Als Verschnaufpause hatten sie sich nur das Mittagessen gegönnt. Gegen Nachmittag waren die beiden in den Salon des Guts umgezogen; trotz des vergleichsweisen milden Klimas, das schon im Phex hier vorherrschte, waren die Nachmittage und Abende auch hier noch immer kühl.

Kurz vor dem Abendessen hatten die beiden Hochzeitsvermittler dann ein Ergebnis erzielt, das beide gleichermaßen zufriedenstellte. Das Hochzeitspaar sollte Ortan von Firunslicht und Dara von Hardenstatt werden. Beiden wurde zugestanden, ihre jeweiligen Familiennamen weiterzuführen, der Nachwuchs solle jedoch den Namen Hardenstatt tragen, im Gegenzug würden die Kinder, wenn sie alt genug waren, ihre Pagenzeit in der Familie Firunslicht antreten. Es war überdies beiden Eheleuten gestattet, ihren bisherigen Tätigkeiten weiterhin nachzugehen, ein Ansinnen, welches Salix sehr wichtig gewesen war.

Letztlich ließen Leodane und Salix den Abend bei etwas Musik ausklingen und, wie es sich für gute Partner gehörte, wurde auf eine gemeinsame Zukunft angestoßen. Die zum Teil hitzigen Gespräche des Tages waren vergessen – oder wurden mit einem Lächeln überdeckt – und man fand sogar Zeit, sich über gemeinsame Interessen auszutauschen.

Am nächsten Morgen verabschiedeten sich die Adligen mit dem gegenseitigen Versprechen, alsbald wegen eines geeigneten Hochzeitstermins zu korrespondieren. Auch wenn es eher die Familie Hardenstatt war, welche noch nicht fest zusagen konnte. Der Heiratskandidat der Familie Firunslicht war bereits über die Hochzeitspläne im Bilde, etwas, was man über Dara von Hardenstatt nicht sagen konnte. Insgeheim fragte sich Salix schon seit dem vergangenen Abend, wie er seine Schwester dazu überreden sollte, diesen Bund einzugehen. Er war jedoch zuversichtlich, dass ihm auf der Fahrt in die Reichsstadt etwas einfiele. Außerdem brachte es ihn ins Grübeln, dass die Familie Firunslicht auf den Namen bei den Nachkommen verzichtet hatte. Salix war sicherlich ein begabter Redner, doch Leodane hatte das Selbstbewusstsein einer weit verzweigten und gut vernetzten Familie im Rücken. Er würde wohl noch etwas länger in Perricum verweilen müssen; es gab einiges zu überprüfen.