Geschichten:Wochen der Entscheidung - Im Auftrag des Reiches

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Festung Zwingzahn, 28. Travia 1032 BF

Borstefred von Katterquell und Brinian von Allingen warteten ungeduldig vor der Kapelle. Als Hadrumir von Schwingenfels nach draußen trat, schaute Borstefred missmutig drein. „Wir machen jetzt also gemeinsame Sache mit diesem Schwein aus Bugenhog?“
Hadrumir ging weiter, während er antwortete: „Ich weiss, was du sagen willst. Aber wir brauchen Verbündete – ich weiss selbst, das dies eine Wahl zwischen Namenlosem und Dämonensultan ist.“
„Er hat Linai auf dem Gewissen!“ knurrte Borstefred.
Hadrumir drehte sich um. „Denkst Du, dass weiss ich nicht. Aber ich denke, es ist besser ihn als Verbündeten zu haben – für den Moment jedenfalls.“
Borstefred missfiel dies.
Hadrumir sprach ruhig: „Geismar hat diesen Trottel Ludorand auf Orbetreu zurück gelassen, Katterquell ist momentan gänzlich ohne Schutz. Ich habe vor, uns das zurückzuholen, was rechtmäßig uns zu steht. Dafür brauchen wir Soldaten und Geld. Bugenhog liefert sie uns. Onkel, vertrau mir!“
Borstefred war überrascht. Sonst sprach ihn Hadrumir nicht so direkt an. „Also schön“, brummte er. „Aber glaube nicht, dass ich dem Bugenhog verzeihen würde.“
Hadrumir lächelte. „Ist schon gut. Doch jetzt entschuldigt mich.“ Damit ging er weiter.

Müde begab er sich zu dem Gemach, welches ihm der Wetterfelser zugewiesen hatte. Als er die Tür öffnete, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Intuitiv ging sein Griff zur Waffe an seiner Seite. Er schloss die Tür von innen. Dann war die fremde Person schon an ihm heran.
Hadrumir reagierte ohne Zögern. Mit einem Fußfeger brachte er sein Gegenüber zu Fall, im nächsten Moment hatte er schon den Anderthalbhänder gezogen und sich auf den Angreifer geworfen. Er setzte die Klinge an die Kehle seines Gegenübers. Für einen Moment war er überrascht, dass der Angreifer eine junge Frau war.
„Wer seid Ihr? Und was habt Ihr hier zu suchen? Sprecht besser schnell, denn meine Geduld währt nicht ewig mit Dieben!“
Die Frau war immer noch durch den Angriff überrascht, sprach schließlich jedoch ruhig: „Ich bin nicht hier, um Euch auszurauben.“
Hadrumir runzelte die Stirn. „Was macht Ihr dann hier?“
„Ich bin Agentin Igel und im Auftrag des Reichsgroßgeheimrats hier.“
Hadrumir lächelte zynisch. „Natürlich, und ich bin der wiedergeborene Kaiser Raul!“
Die Frau unter ihm war sichtlich nervös. „Ihr hattet doch um das Gespräch mit dem Reichsgroßgeheimrat gebeten.“
Hadrumir erhöhte den Druck seiner Klinge am Hals der Frau. „Ihr seht mir nicht aus wie der Paligan.“
„Bitte, ich kann dies erklären. Der Reichsgroßgeheimrat hat mich beauftragt, mit Euch in Kontakt zu treten.“
Hadrumir war verwirrt. „Habt Ihr Beweise für diese Behauptung?“
Die Agentin nickte. „In meiner rechten Tasche habe ich einen Siegelring und in meiner Mappe auf Eurem Schreibtisch ist ein an Euch gerichtetes Schreiben.“ Sie machte Anstalten, in ihre Tasche zu greifen.
„Lasst Eure Hände dort, wo ich sie sehen kann!“ fuhr Hadrumir sie an. Er griff mit seiner Linken selbst in die Tasche und holte den Ring hervor. Mit Stirnrunzeln erhob er sich. „Ihr rührt Euch nicht!“ sprach er zu der Agentin. Er packte die Mappe auf seinem Tisch und holte ein Pergament hervor. Hadrumir erkannte das Wappen sofort.

Mit einer Handbewegung bedeutete er der Agentin aufzustehen, dann erbrach er das Siegel und begann die Zeilen zu lesen. „Ich nehme an, Ihr kennt den Inhalt dieses Schreibens?“ sprach er über das Pergament sein Gegenüber an.
Agentin Igel nickte.
Hadrumir begann zu überlegen. „Der Paligan wünscht, dass ich nach Elenvina reise. Als Beteiligter der Natterndorner Fehde könnte ich dort Klage vor dem Reichsgericht erheben und somit der Kaiserin den notwendigen Handlungsspielraum ermöglichen.“
„Marder und Schlangen haben sich schon zu lange an diesem Reich gütlich getan. Jetzt ist die Zeit des Greifen!“
Hadrumir schüttelte den Kopf. „Große Worte, allein es fehlt an der Durchschlagskraft dieser Worte. Ist das die neue Politik Gareths? Glaubt der Reichsgroßgeheimrat, nur weil er ruft, komme ich angekrochen wie ein Wurm?“
Agentin Igel ließ sich nicht anmerken, was sie dachte. „Ich bin nicht erst seit gestern hier in Hartsteen eingesetzt.“
„So jung wie Ihr seid, dann halt seit vorgestern!“ warf Hadrumir ein.
„Dies tut nichts zur Sache. Der Reichsgroßgeheimrat möchte Euch deshalb für diese Sache gewinnen!“
Hadrumir sprang auf. „Ich stehe in Fehde mit der Familie Windischgrütz. Wenn ich die Kaiserin nun hinzurufe, dann ist auch diese Fehde davon betroffen. Ich handele also gegen meine eigenen Interessen. Und obendrein stelle ich mich gegen den gesamten Adel Hartsteens. Weder Geismar noch die Familie Hartsteen wird mir für mein Vorgehen danken. Ich zahle einen ziemlich hohen Preis dabei, findet Ihr nicht?“
Die Agentin blieb ruhig und antwortete sachlich: „Ich gebe Euch in allen Punkten Recht. Was Eure Fehde angeht. Die Kaiserin möchte ein Ruhen der grafschaftsweiten Kämpfe, einzelne Scharmützel lassen sich dabei wohl nicht verhindern. Wenn Ihr versteht, was ich meine?“
Hadrumir grinste still in sich hinein. Es ging hier offensichtlich nur um die Grafschaftskrone. Er blieb ruhig. „Und trotzdem stelle ich mich genau zwischen die Fronten im Grafschaftskonflikt.“
„Mit der Position zwischen allen Fronten solltet Ihr Euch doch auskennen“, antwortete sein Gegenüber und sie lächelte ihn herausfordernd an.
„Wenn Ihr mich wirklich beobachtet habt, dann solltet Ihr wissen, dass das nicht gerade die Position ist, welche mir am meisten gefällt.“
Die Agentin beugte sich vor. „Gegen den Reichsvogt von Puleth wird sich weder Geismar von Quintian-Quandt noch die Familie Hartsteen erheben. Ein Angriff auf den Reichsvogt kommt einem Angriff auf die Kaiserin gleich.“
„Reichsvogt von Puleth?“, echote Hadrumir.
Die Agentin nickte. „Der Reichsgroßgeheimrat wird der Kaiserin die Empfehlung aussprechen, Euch zum Reichsvogt zu ernennen.“
Hadrumir schüttelte den Kopf. „Das ist absurd.“
„Ist es nicht. Wenn Ihr einen weiteren Blick in die Mappe werfen würdet, so findet Ihr dort ein weiteres Schreiben.“ Hadrumir holte das zweite Schreiben hervor und las laut vor:

An seine Hochgeboren Hadrumir Lechmar von Schwingenfels-Natzungen,
durch die verachtenswerte Ermordung des Bodeberts von Windischgrütz ist auf der Pfalz Puleth eine Vakanz entstanden, welche in absehbarer Zeit behoben werden sollte. In der Reichskanzlei wird über diese Frage just in diesen Tagen ausgiebig beraten. Nach Ansicht der Kanzlei sollte dieser Posten jemandem übertragen werden, der sich um die Grafschaft Hartsteens und das Reich Rauls des Großen verdient gemacht hat. Dieser jemand sollte überdies in der Lage sein, dem Raubrittertum der ansässigen Niederadligen Einhalt zu gebieten. Die Entscheidung der Kaiserin in dieser Frage steht noch aus, da sie auf die Empfehlung der Reichskanzlei großen Wert legt.
Meine Nichte, Rondrara, wird Euch uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Gez. Darulf von Corish und von Praill

Die Agentin funkelte Hadrumir aus ihren blauen Augen heraus an.
„Verstehe ich das richtig, dass ich die Pfalz Puleth zusätzlich noch entsetzen soll?“ sprach Hadrumir ruhig.
„In Gareth warten zwei Kompanien der Garether Maulwürfe auf Euren Befehl!“ antwortete Rondrara.
Hadrumir überlegte. „Da bleiben immer noch die Windischgrützer.“
Rondrara stand auf. „Die Maulwürfe wurden bis Jahresende bezahlt.“
Hadrumir schmunzelte. „In einem Punkt entspricht dieses Schreiben der Wahrheit: Ihr steht tatsächlich zur Verfügung.“
Hadrumir wusste nicht, ob aus Zorn oder Trotz, aber als sie antwortete, funkelte sie ihn an: „Uneingeschränkt – wie geschrieben!“
Langsam begann Hadrumir die Sache zu gefallen.