Geschichten:Wochen der Entscheidung - Von Träumen und Zielen

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Burg Weisenfels, 23. Boron 1032 BF


Früher zu besseren Zeiten hätte es bestimmt ein rauschendes Fest gegeben, dachte Hadrumir sich. Es war schließlich der Geburtstag Kaiser Hals. Rondrara von Praill und Brinian Rucus von Allingen ritten an seiner Seite auf die Burg zu. Hadrumir war ein wenig erschöpft von der Reise nach Elenvina, aber trotzdem war er zufrieden.

Nach dem sie auf dem Hof angekommen waren, übergab er die Zügel seines Pferdes an einen Knecht. Mit ruhigem Schritt betrat er den Saal der Burg. Seine Gemahlin Tanira und Eberhelm von Greyfentrutz sowie Oderik Dankhardt von Schwingenfels erwarteten ihn. Während Hadrumir mit den ersten beiden gerechnet hatte, wunderte ihn die Anwesenheit von Oderik. Hadrumir schaute in die Mienen der Anwesenden.
„Was ist geschehen?“ fragte er sofort.
Tanira sprach leise. „Frostelin von Windischgrütz hat die Orbetreu eingenommen.“
„Was?“ Hadrumir blickte entsetzt von einem zum anderen. „Wie?“
Oderik stand kerzengerade. „Zwischen Eichenwalde und Orbetreu hat sich Ludorand zur Schlacht gestellt. Die Schlacht ging verloren. Ohne Männer und ohne Aussicht auf schnellen Entsatz hat Tsadan die Burg ohne Bedingungen übergeben, so sagt man.“
Hadrumir musste sich erst einmal setzen. Er stützte seinen Kopf und massierte mit den Fingern seine Schläfen. „Da wäre noch etwas“, sprach Oderik betreten.
Hadrumir schaute auf. „Was denn noch?“
Oderik konnte es offenbar nicht sagen und so wandte sich Tanira an ihn. „Oderik hat Ludegar zur Orbetreu geschickt, um Ludorands Leichnam zu bergen.“
„Und?“
„Am Besten schaust Du es Dir selber an. Folge mir!“ sprach sie und ging auf eine Türe zu.
Hadrumir bedeutete Brinian und Rondrara ihm zu folgen.

Sie betraten eine kleine Kammer. Hadrumir erkannte eine ältere Frau, welche an einem Bett saß. Auf dem Bett lag Ludegar, sein Körper war entstellt, seine Beine hingen schlaff am Körper. Hadrumir blickte fragend in die Runde.
Oderik presste aus zusammengebissenen Zähnen hervor: „Er ist bis nach Waldhof gelaufen. Dort haben ihn unsere Männer aufgelesen und hierher gebracht.“
Brinian und Rondrara schauten betreten zu Hadrumir, dessen Miene versteinert war. „Wie steht es aktuell um ihn?“ fragte er tonlos.
Die Heilerin antwortete ihm: „Ich habe ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben, aber ich fürchte, dass dies nicht reichen wird.“
Hadrumir nickte stumm, während Oderik leise sprach: „Ich habe jemanden nach Gareth geschickt, einen Magier herzubringen.“
Hadrumir ging hinaus. Die anderen folgten ihm.

„Ich habe mit Voltan geredet. Wir können die Schwingen in zwei Wochen marschbereit machen“, sprach Oderik draußen.
Hadrumir drehte sich um. „Und wofür?“
„Mein Bruder liegt da drin. Wahrscheinlich wird er niemals wieder richtig gesund! Ich will Rache!“ schrie Oderik.
Hadrumir blieb ruhig. „Wut, Verzweiflung, Rache, Neid, Missgunst, all dies hat uns doch erst in diese Situation gebracht.“
Tanira horchte auf. „Was hast Du vor?“
Hadrumir dachte kurz nach. „Wir sollten anfangen, zu überlegen, wo wir eigentlich stehen.“
Rondrara von Praill sprach ruhig: „Ihr solltet Eure Möglichkeiten gut abwägen.“
Und Brinian von Allingen ergänzte: „Im Moment ist auch nicht die rechte Zeit für einen Angriff.“
Oderik schrie beide an: „Wer hat Euch denn gefragt. Ihr gehört noch nicht einmal zu dieser Familie.“
Hadrumir packte Oderik und stieß ihn gewaltsam gegen die Wand. „Ich habe sie gefragt und ich stimme beiden zu! Verstanden?“
Oderik flüsterte: „Was ist aus Dir geworden?“
„Ich denke über die Konsequenzen meines Handelns nach. Solltest Du auch mal versuchen, ehe Du unsere Verbündeten beleidigst. Könnte nicht schaden.“
Oderik nickte unmerklich. Hadrumir ließ ihn los. „Kann ich mit Dir allein sprechen?“ fragte er Tanira.
Die beiden gingen in die Gemächer Taniras, während sich im Hintergrund Oderik entschuldigte.

Hadrumir schloss die Tür und seufzte schwer. Tanira schaute ihn eindringlich an. „Was geht in Dir vor?“ fragte sie.
„Wie geht es den Kindern?“ fragte Hadrumir.
„Sie sind in Sicherheit. Nur ist es nicht die Sorge um die Kinder, die Dich momentan antreibt.“
Hadrumir nickte, da er Tanira nichts vormachen konnte und auch nichts vormachen wollte. „Ich habe Dir von meinem Traum auf dem Weg nach Reinherz erzählt?“ fragte Hadrumir skeptisch. „Von dem Verlust der Ordnung? Von Praiodan von Lurings Worten?“
Tanira nickte.
Hadrumir sprach fast tonlos. „Ich habe schon wieder geträumt.“
Tanira trat zu ihm. Sie strich ihm über die Wange. „Wann? Und vor allem Was?“
Hadrumir setzte sich und auch Tanira setzte sich. „Es war in der Nacht, nach dem ich aus der Orbetreu geflohen bin. Ich träumte, dass ich auf dem Kahlen Schirch stand. Neben mir stand der Igelkönig. Er erzählte mir davon, wie einst die Ritter die Grafschaft schützten. Er schien mir ins Gewissen reden zu wollen. Er zeigte mir, dass wir die Ordnung verloren haben. Nur die Ritter Hartsteens können diese Lande schützen, doch die Ritter von heute sind durch Missgunst und Hader entzweit. Die Lande werden von Räubern durchstreift, auf den Straßen tobt offen der Krieg, die Bauern zittern auf den Feldern um ihr Leben. Dies waren seine Worte. Und er erzählte noch mehr. Erst dann, wenn die Ritter Hartsteens wieder geeint stehen, wird dieses Land den Frieden finden, den es braucht.“
Tanira schwieg kurz. „Es war ein Traum.“
Hadrumir schüttelte den Kopf. „Ich kann zwischen einem normalen Traum und einer Traumbotschaft unterscheiden. Dies war wie der Traum auf dem Weg nach Reinherz. Frage mich nicht warum, aber dies war eine Botschaft.“
Tanira nickte. „Und was hast Du jetzt vor?“
Hadrumir sprach gelassen. „Wenn die Gerüchte stimmen, dann ist Luidor von Hartsteen wieder aufgetaucht. Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass ich mit ihm rede.“
Tanira wirkte nicht sonderlich überrascht. „Will ich den Inhalt dieses Gesprächs wissen?“ fragte sie.
Hadrumir sagte ruhig und gelassen: „Ich kann nicht länger tatenlos zusehen, wie diese Grafschaft zu Grunde gerichtet wird.“
„Ich verstehe.“

Die Diskussion zwischen den Beiden dauerte noch lange an und doch waren sie sich einig, dass gehandelt werden musste.