Geschichten:Nimmgalfs 50. Tsatag - Weizengrund im Travia 1044

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Weizengrund im Travia 1044 BF

Curthan war gewisslich nicht mehr der Jüngste, aber die Treppen zur Schreibkammer seiner Wohlgeboren gingen ihm trotzdem noch gut von der Hand. Auch seine Augen hatten in den vergangenen Jahren ein wenig an Kraft verloren. So war er gar nicht erbost, als Junkerin Haldora vorgeschlagen hatte, dass man doch einen jungen Geweihten der Hesinde einstellte. Gerade auf kleineren Burgen war es durchaus üblich, dass ein Geweihter bei den täglichen Arbeiten dem Burgherrn zur Hand geht.

Doch bei diesem Schreiben ließ es sich Curthan nicht nehmen, es seiner Wohlgeboren zu überbringen. „Herein!“ hörte Curthan die Stimme des Weizengrunder Junkers. Curthan hatte in seiner Zeit als Verwalter einige Personen als Burgherrn auf Weizengrund erlebt. Nicht alle hatte er gemocht, doch Oderik von Schwingenfels war eine bemerkenswerte Ausnahme. Er hatte sich als Ehrenmann erwiesen und als Beispiel für einen Hartsteener Ritter.

„Euer Wohlgeboren, ein Schreiben seiner Hochgeboren Nimmgalf von Hirschfurten!“ sprach Curthan nach dem Eintreten. Oderik von Schwingenfels schaute auf und nahm das Schreiben entgegen. Schnell hatte er die Zeilen überflogen und reichte das Schreiben an seine Frau, welche es sich im großen Sessel am Fenster bequem gemacht hatte. „Was steht denn drin?“ vernahm Curthan schräg hinter sich die Stimme Sigmanns von Windischgrütz.

Oderik schaute von Haldora zu Sigmann: „Ich denke, wir sind im Boron auf Burg Trollhammer, um einen Geburtstag zu feiern!“ „Der Baron lädt Dich zum Geburtstag ein?“ echote Sigmann überrascht. Haldora lächelte: „Überrascht Dich das? Du warst doch an den Wulfshöhen selbst dabei!“

Sigmanns Gedanken gingen zurück ins letzte Jahr und die Diskussionen der Hartsteener Ritter über diese Reise. Er bewunderte seinen Schwager und Schwertvater ob seiner Beharrlichkeit, wie er für diesen Friedensschluss eingetreten war. Er erinnerte sich auch sehr gut daran, wie die beiden Männer an den Wulfshöhen aufeinander zugetreten waren und den Friedensschluss mit einem einfachen Handschlag von Ritter zu Ritter besiegelt hatten. Ganz so wie in den alten Geschichten über die großen Ritter Garetiens.

Das Lachen Haldoras riss ihn wieder ins Hier und Jetzt. „Bruder, träumst Du schon wieder von Rittern und Ihren Taten?“ Erappt schaute Sigmann etwas verlegen drein. Oderik stand auf. „Also dann, da sollten wir aber noch einige Vorbereitungen treffen. Curthan, was schenkt man denn zu einem fünfzigsten Geburtstag? Ginge da ein großer Geschenkkorb mit lokalen Spezialitäten? Vielleicht mit einer Flasche Weizengrunder?“ „Ich werde da bestimmt etwas vorbereiten können, Euer Wohlgeboren!“ Oderik klatschte in die Hände. „Gut, mach das! Und Du Sigmann, hast Du nicht Interesse daran, uns zu begleiten? Ich mein, Du wolltest doch nach Deinem Ritterschlag die Welt sehen. Auch wenn es mir lieber wäre, wenn Du auf meinen Vorschlag vom Frühjahr eingehen würdest, kann ich Deine Abenteuerlust verstehen. Vielleicht findest Du ja auf Trollhammer jemanden, der Dir eine Anstellung bietet?“ „Gern!“ sprach der Angesprochene. Man konnte sehen, wie sich auf seinem Gesicht ein großes Lächeln abzeichnete.

Nachdem Curthan und Sigmann das Zimmer verlassen hatten, kam Haldora zu ihrem Mann herüber und setzte sich auf seinen Schoß. Während sie einen Arm um ihn legte, fragte sie: „Denkst Du, dass das eine gute Idee ist, dass Sigmann den großen Rittern nachstrebt? Du hast ihm so viel von Danos von Luring und dem Heerbann wider Haffax erzählt, dass er vermutlich demnächst selber König der Ritter werden will!“

Oderik schaute seiner Frau in die Augen. „Wäre das so schlimm? Ich glaube, Hartsteen und Garetien kann einige Idealisten gebrauchen!“

Haldora musste kurz an das letzte Jahr zurückdenken und den Ritterschlag, den ihr Bruder zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag erhalten hatte. Kurz darauf hatte er ihr eröffnet, dass er – ähnlich den Rittern der alten Legenden – ausziehen wolle, um seiner Bestimmung als Ritter in der Welt nachzugehen. Oderik schaute auf den Schreibtisch vor ihm. „Schau, Haldora, lass uns doch die Gelegenheit nutzen, um mal auf gänzlich andere Gedanken zu kommen! Könnten wir vielleicht mal gebrauchen.“ Haldoras Blick folgte dem ihres Mannes. „Du meinst, einfach nur einmal feiern und diesen ganzen Kram hier hinter uns lassen?“ Oderik straffte sich. „Na ja, tatsächlich müsste ich wohl mit seiner Hochgeboren Hirschfurten über Duridan reden, wenn sich in den Tagen nach den Feierlichkeiten dazu eine Gelegenheit ergibt.“ Haldoras Miene verfinsterte sich. „Ich denke, Du willst auf andere Gedanken kommen!“ „Das bin ich Hadrumir schuldig!“ sprach Oderik ruhig.

„Aber der Rest dieser Tage gehört nur uns Beiden!“ beeilte er sich hinterher zu schieben. Haldora stand auf und wandte sich zum Gehen. „In Ordnung! Dann werde ich wohl mal mit unserer Amme reden, dass wir im Boron alleine auf Reisen sind.“ Als sie die Tür erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um. „Ach, Oderik!“ „Hm?“ „Wehe, Deine Tanzkünste sind in den letzten Jahren total eingeschlafen! Wenn es schon einen Ball gibt, dann will ich auch meinen Spaß haben!“