Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Angebot
Mitte Firun 1044 BF, Pfalz Gerbaldsberg, zur Nachmittagsstunde
„Olmerga! Hier finde ich dich also.“ Rondradan erklomm die letzten Stufen der steinernen Treppe, die auf den Wehrgang führt und trat zu einer Ritterin die interessiert die Übungen der jungen Knappen im vorderen Burghof betrachtete.
„Du hast nach mir gesucht?“, gab diese erstaunt zurück und wand den Blick ab von den Knappen und hin zum Pfortensteiner Familienoberhaupt. „Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich zu dir gekommen. Ich dachte, du wärest nur auf der Durchreise, um deine Gattin in Halhof zu besuchen.“
Der Junker sah sie mit einem schwer zu deutenden Blick an, winkte dann aber ab. „Wenn es die Zeit zulässt, reite ich vielleicht auch noch dorthin. Allein, ich bin etwas in Eile.“
„Und was willst du in aller Eile ausgerechnet von mir?“ Ein Hauch von Verbitterung lag in der Stimme der stolzen Ritterin. „Es ist ja nicht so, dass sich die Familie in den letzten Götterläufen viel um mich geschert hätte.“
„Falls du dich von uns zurückgesetzt fühltest, so lass mich mein aufrichtiges Bedauern darüber zum Ausdruck bringen. Weder Irion noch ich hatten dies jemals beabsichtigt.“
„Und trotzdem habt ihr es geschafft. Irion weiß, dass ich gerne wieder in die Heimat zurückkehren würde und Kronweiher wäre eine Möglichkeit dafür gewesen, ohne der Familie auf der Tasche zu liegen. Wenn ihr das Lehen gar nicht vergeben hättet, in Ordnung. Aber einen Bauern mir vorzuziehen und zum Vogt zu ernennen…“ Resignierend schnaubte die Ritterin und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Was willst du also?“
„Wir wollen dir Kronweiher geben“, sagte Rondradan ohne weitere Umschweife. Er merkte, dass er mit schönen Worten bei Olmerga nichts erreichen würde. „Vogt Geppert ist tot und das Lehen wieder vakant. Letztes Jahr standen die Kaisermärker überall in Reichsforst und wir haben eine schnelle Lösung gebraucht, um für Stabilität zu sorgen. Jetzt drängt die Zeit zwar auch, aber diesmal wollen wir trotzdem auch die richtige Entscheidung treffen.“
Die Ritterin schwieg einen Moment verblüfft und dachte nach. „Was hetzt euch denn diesmal? Die Fehde ruht doch und die Kaiserlichen Truppen sorgen für Frieden wie man hört.“
„Die Fehde zwischen den Grafschaften mag sich abgekühlt haben“, sprach Rondradan bedächtig und trat an die Zinne, um den Blick über die Stadt Eslamsgrund schweifen zu lassen, die sich zu Füßen der Pfalz erstreckte. „Aber unsere Familie befindet sich derzeit in Fehde mit den Erlenfallern. Sie haben unsere Familie und speziell deine Schwester auf das Ärgste beleidigt, weswegen wir uns gezwungen sahen ihnen die Fehde zu erklären.“ Mit verschränkten Armen drehte er sich um und sah seiner Base in die Augen. „Doch ich will nicht lügen, das Blatt hat sich im Verlauf der letzten Monde gegen uns gewendet. Wir haben nie über viele Schwertarme geboten, doch jetzt wird der Mangel eklatant. Einen einzigen Dienstritter haben wir und der erholt sich gerade von seinen jüngst erlittenen Verletzungen. Außerdem hat er mich gebeten auf Grund seines fortgeschrittenen Alters in seiner Verwandtschaft nach einem Nachfolger für ihn zu suchen. Was uns bleibt sind ein paar angeheiratete Schwerter und einige Waffenknechte, doch die Familie ist so schwach wie nie. Wir brauchen dich Olmerga, und vor allem brauchen wir deinen Schwertarm. So einfach ist das.“
„Auf einmal braucht ihr mich also. Na wunderbar!“
Olmerga schürzte die Lippen und drehte ihrem Familienoberhaupt ruckartig den Rücken zu. Nachdenklich sah sie wieder in den Burghof und ließ die Gedanken kreisen. Natürlich war das die Möglichkeit, auf die sie so lange gewartet hatte, aber im letzten Götterlauf hatte sie innerlich schon mit der Rückkehr nach Reichsforst abgeschlossen und sich damit abgefunden bis ans Ende ihrer Tage auf Gerbaldsberg Dienst zu tun. Entschlossen drehte sie sich wieder zu Rondradan um.
„Du besorgst meinen Kindern anständige Schwerteltern. Rumhilde und Rondira sind seit letzten Götterlauf hier in der Knappenschar. Du verstehst sicherlich, dass ich nicht gewillt war, länger mit ihrer Ausbildung zu warten. Bei Hammir habe ich noch nicht entschieden, welchen Weg er einschlagen wird, aber auch hier wirst du mich in meiner Entscheidung unterstützen, sobald ich sie getroffen habe. Und wenn mir nicht gefällt, wie du die Fehde führst, bin ich wieder weg. Dieses Gemetzel im letzten Götterlauf mag ja Kor zum Wohlgefallen gewesen sein, aber ich bin Rondras Idealen verpflichtet. Bis die Unfehde erklärt ist, werden meine Kinder auch hier auf Gerbaldsberg bleiben. Sie sind alles was ich habe und ich wünsche nicht, dass sie vor der Zeit in diesen Konflikt hineingezogen werden.“
„Natürlich, das klingt vernünftig“, stimmte Rondradan ihr ohne zu zögern zu. „Unsere Familie war den ritterlichen Tugenden immer verpflichtet und soll dies auch weiterhin sein.“
Die Ritterin blickte ihn noch einen Moment an und nickte dann. „Gut, dann komme ich nach Pfortenstein, sobald ich mich von meinen Pflichten hier freimachen kann. Ich werde Kanzlei sagen, dass ich wegen eines familiären Notfalls auf noch unbestimmte Zeit zurück nach Reichsforst muss.“
Einen Moment standen die beiden Seite an Seite auf dem Wehrgang und schauten den konzentriert übenden Knappen im Burghof zu, unter denen auch sich Olmergas Töchter befanden. Während sie dort standen, kam ein Reiter durch das Burgtor hinein und die Ritterin kniff die Augen zusammen, um das Wappen auf die Entfernung erkennen zu können.
„Dieser Dienstritter von dir, der sich zu alt für das Schwert fühlt. Ist das der alte Sichelauer?“
„Ja genau, woher weißt du…“
„Viele Vasallen hast du ja nicht, wie du selbst sagtest“, unterbrach sie ihn rasch. „Ich nehme an du wolltest dann weiter nach Lohenquarz zu seinem Bruder Praiotin?“
„So ist es. Ich wollte ich ihm die Möglichkeit geben mir einen Nachfolger zu empfehlen. Denn Ritter Drakhardt starb ohne Erben und auch Geldrion ist kinderlos.“
„Da kommst du dann leider ein paar Wochen zu spät. Ritter Praiotin wurde vor Kurzem von Ferkinas getötet, denen er im Wall hinterherjagdte. Auf Lohenquarz sitzt jetzt seine älteste Tochter. Aber du kannst dir womöglich den Weg sparen“, meinte Olmerga und deutete auf den Neuankömmling im Burghof. Der Reiter hatte inzwischen den Helm abgenommen, um beim Hauptmann der Wache Meldung zu machen und war nun als junge Frau mit halblang gehaltenen dunkelblonden Haaren zu erkennen.
Der Junker blickte ebenfalls auf das schräg geteilte Wappen und erkannte neben den goldenen Ähren und Sichel auf Grün der Sichelauer noch eine gold-silberne Rose auf blauem Grund. Fragend blickte er zu seiner Base.
„Das ist Ryane von Rosenstein, Ritter Praiotins jüngstes Kind. Ein Bankert zwar, aber nach allem was ich gehört habe eine sehr gute Ritterin. Sie dient beim Kronvogt von Dornensee als Hausritterin. Wenn du mich fragst, wäre sie eine gute Wahl.“ Nachdenklich legte sie den Kopf schräg. „Genaugenommen ist sie wohl die einzige Wahl, wenn du jemanden aus dem Geschlecht der Sichelauer haben möchtest. Die restlichen Kinder und Enkel Praiotins stehen entweder in der Erbfolge von Lohenquarz, dienen einem der Zwölfe oder haben in Eslamsgrunder Familien eingeheiratet. Die Familie ist ähnlich klein wie die unsrige“
„Ich verstehe“, sagte Rondradan und betrachtete die junge Ritterin genauer, als sie unter ihnen vorbei in Richtung des oberen Burghofes ritt. „Dein Urteil wiegt natürlich schwer. Ich werde trotzdem zuvor noch persönlich mit ihr reden. Ich möchte schon gerne wissen wen ich mir als Vasallen anlache, bevor ich ihr die Burg ihres Onkels übergebe.“
„Sie ist vermutlich mit einer Nachricht für die pfalzgräfliche Kanzlei hier. Wenn du willst, fange ich sie an der Schreibstube ab und schicke sie zu dir.“ Olmerga trat von der Zinne weg und schickte sich an die Treppe hinabzusteigen.
„Bitte tu das. Ich werde in der Burgkapelle auf sie warten.“