Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Radewitzer Sorgenfalten

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Anfang Ingerimm 1044 BF, Burg Radeberg, zur Abendstunde

Anwesende Personen:
Cassia von Radewitz, Vögtin zu Radeberg
Kolkja von Radewitz, Junker zu Berstenbein
Korisande von Radewitz, grfl. Reichsforster Zollmeisterin
Albin von Radewitz, Rondra-Geweihter auf der Randersburg
Aldemar von Radewitz, pflzgfl. Sekretär auf der Randersburg
Rassia von Radewitz, Rahja-Geweihte zu Rosendorn
Iber von Radewitz, Kammerherr zu Schwarztannen
Ischtan von Radewitz, Hausritter auf der Randersburg
Uthwine von Leuchtenfels, geb. Radewitz, Alt-Junkerin zu Leuchtenfeld

Trenner Garetien.svg

Die Stimmung auf Burg Radeberg war düster. Zu gut erinnerten sich alle Anwesenden, wann sie sich das letzte Mal alle zusammen getroffen hatten. Fast genau neun Monde war es her, als die Radewitzer sich zum Travia-Fest von Junker Kolkja auf Gut Berstenbein versammelten, welches damit endete, dass sie in die Fehde der Familie der Braut, den Pfortensteinern, mit der Familie Erlenfall hineingezogen wurden.

Das Radewitzer Familienoberhaupt, die Vögtin Cassia, lag seitdem körperlich siechend, doch geistig noch rege, auf ihrer Bettstatt und hielt sowohl die sie umsorgenden Knechte und Mägde, als auch ihre Familie keifend und geifernd auf Trab. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann der Herr Boron sie endlich erlösen mochte, doch noch klammerte sich ihr Geist mit eisernem Willen ans Leben. So hatte sie, nachdem sie von den letzten Vorkommnissen der Fehde Kenntnis bekommen hatte, kurzerhand die gesamte verfügbare Verwandtschaft zu sich bestellt. Mit Stolz blickte die alte Frau über ihre versammelte Familie, hatte sie doch jeden von ihnen gut versorgt untergebracht und die Radewitzer vor allem in Randersburg und Rallerspfort hervorragend positioniert. Sie würde nicht zulassen, dass die ihrer Meinung nach bedeutungslose Fehde einer angeheirateten Sippschaft ihr Lebenswerk weiterhin gefährdete.

„Diese Fehde muss auf der Stelle enden!“, eröffnete sie dann auch ohne Vorrede ihren versammelten Kindern, Nichten und Neffen. Ein Hustenanfall unterbrach sie fast sofort, doch warteten alle still, bis sie sich davon erholt hatte und wieder zu Atem gekommen war. „Das Ganze beginnt bedenklich aus dem Ruder zu laufen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ländereien oder weitere Mitglieder unserer Familie ernsthaft zu Schaden kommen.“ Sie deutete mit schwacher Hand auf den Berstenbeiner Junker. „Du magst den Pfortensteinern in der Fehde zu einigen Erfolgen verholfen haben Kolkja, aber sie haben den Moment verpasst die Sache zu beenden, als es für sie am Besten stand.“

„Es ist wahr“, antwortete der Angesprochene seiner Tante. „Zuletzt gab es ein paar harte Rückschläge. Der Überfall auf Gut Blaustein konnte nur unter großen Opfern zurückgeschlagen werden und ein großer Teil der erbeuteten Güter, die wir noch nicht auf den Märkten umsetzen konnten, wurde ein Raub der Flammen. Dazu kommt der Mord an Vogt Irion. Seinen Tod können wir den Erlenfallern zwar nicht nachweisen, Landrichter Emmeran hat sich auch beeilt es mit einem Überfall durch Waldsteiner Marodeure abzutun, aber schon bei Blaustein haben die Erlenfaller versucht, es den Waldsteinern in die Schuhe zu schieben. Das ist am Ende auch nur deswegen aufgeflogen, weil es ausgerechnet Junker Emmerans eigene Tochter war, die den Angriff anführte und dabei ums Leben kam.“

„Ich kann nur sagen, dass seine Hochwohlgeboren von Hardt sehr ungehalten über den Vorfall ist“, ließ sich sein Bruder Aldemar vernehmen. „Er hat bei Graf Drego eine offizielle Protestnote eingereicht und diese auch an das Reichsgericht weitergeleitet, um Ermittlungen gegen Junker Emmeran zu führen. Immerhin wurden Besitzungen der Kaiserin angegriffen.“

„Graf Drego ist ebenfalls sehr unerfreut über die Entwicklung der Dinge.“ Cassias Tochter Korisande konnte sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. „Wie es scheint ist Emmeran nach der Hardt‘schen Protestnote sowohl beim Grafen, als auch beim Langenlob in Ungnade gefallen. Des Grafen Lieblingsberater hatte sonst immer die Hand über den Erlenfaller gehalten und diesen protegiert. Doch die Ermittlungen des Reichsgerichts scheinen auf Burg Luringen niemandem zu gefallen.“

Iber von Radewitz, Junker Kolkjas jüngster Bruder, räusperte sich hörbar, um anzuzeigen, dass er etwas sagen wollte. Alle wurden still, waren sie von dem verschwiegenen Mann doch gewohnt, dass er mit seiner Meinung für gewöhnlich hinter dem Berg hielt. Wenn er zu der Diskussion beitragen wollte, musste es tatsächlich etwas Substanzielles sein. „Danke.“ Seine ruhige Stimme klang in der eingetretenen Stimme trotzdem fast laut. „Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich Junker Emmeran auch bei Baron Drego von Altjachtern sehr unbeliebt gemacht hat. Zum Einen sind Baron Drego einige auffällig gefälschte Abrechnungen des Marktes Rallingen untergekommen“, dabei warf er einen kurzen verschmitzten Blick zu seiner Base Korisande, „Unregelmäßigkeiten, welche Emmeran zwar auf seinen kürzlich verstorbenen Bruder Edelbrecht, den ehemaligen Marktvogt von Rallingen, abwälzen konnte. Gleichwohl nimmt ihn das als Edelbrechts nomineller Lehnsherr und Familienoberhaupt nicht aus der Verantwortung. Zumal sich die Familie Erlenfall wohl mit den unterschlagenen Geldern eine großzügige neue Stammburg am Rande Rallingens errichtet hat. Das Dreisteste kommt aber erst noch“, meinte er dann und machte eine kurze Pause. „Junker Emmeran hat es nicht nur bis zuletzt versäumt vor seinem Baron den Lehnseid abzulegen und ihn im Kampf gegen die Waldsteiner zu unterstützen. Er hat sich nun auch noch offen gegen Baron Drego aufgelehnt. Die Erlenfaller haben die Baronsgemahlin gefangengesetzt, um ein Lösegeld zu erpressen und den Altjachtern zum Verzicht der Baronswürde zu bewegen!“

„Wir können also festhalten, dass Junker Emmeran es geschafft hat sich allerorten Feinde zu machen“, fasste Rassia trocken zusammen. „Doch wie nutzen wir das für uns aus?“

„Das Reichsgericht ist zu langsam“, meinte Cassia mit schwerer keuchender Stimme von ihrem Lager aus. „Die Ermittlungen werden Monde dauern, wenn nicht ganze Götterläufe. So viel Zeit haben wir nicht.“ Insgeheim fürchtete sie, dass vor allem sie es war, die nicht mehr so viel Zeit hatte. „Was wir brauchen ist aber ein sofortiges Ende der Fehde.“

„Dann klären wir das Ganze doch in einem Duell“, schlug Ischtan plötzlich begeistert vor. „Kürzlich war erst Prinz Sigman mit seinem Fuchsrudel in der Gegend und auch wenn er unserem Pfalzgrafen in Uslenried in die Parade gefahren ist, so kann man doch nicht abstreiten, dass sich die Rückbesinnung auf die ritterlichen Tugenden gerade großer Beliebtheit erfreut.“

„Graf Drego war sowieso für ein unkompliziertes Ende der Fehde und wird die ritterliche Tradition ebenfalls achten“, stimmte Korisande zu. „Von der Seite stünde meiner Meinung nach nichts im Weg.“

„Ein Duell in Rondras Namen“, griff Albin von Radewitz den Gedanken auf. „In Anbetracht der im Raume stehenden Anschuldigungen und dem Blut was bereits vergossen wurde, wird nur ein Duell auf das Dritte Blut zur Klärung der Angelegenheit ausreichend sein. Womit wir ausschließen, das einer der Unsrigen dieses Duell führt“, betonte er streng, womit er schlagartig einiges von der Begeisterung aus Ritter Ischtans Gesicht wischte. „Mein Vorschlag wäre es, die Oberhäupter der beiden fehdenden Familien das Ausfechten zu lassen. Sowohl Emmeran von Erlenfall als auch Rondradan von Pfortenstein haben den Ritterschlag erhalten, beide sind etwa im selben Alter, keiner von beiden ist durch Gebrechen beeinträchtigt. Es wäre ein ausgeglichener Kampf und ein würdiges Göttinnenurteil.“

„Wir sollten aber darauf bestehen, dass wir noch eine angemessene Entschädigung für unseren Einsatz und unsere Opfer in dieser Fehde erhalten“, beharrte Cassia mit einem Ton der keine Widerrede zuließ. „Sowohl beim Beginn, bei der Führung, als auch bei der Beendigung.“

„Wenn Junker Emmeran das Duell verliert, fällt die Familie Erlenfall in Ungnade.“ Korisande war eine gewisse Schadenfreude in der Stimme anzuhören. „Es wird mir sicherlich möglich sein darauf hinzuwirken, dass sie einige ihrer gräflichen Pfründe verlieren und an die Sieger der Fehde abtreten müssen. Zumal sie, wie gesagt, ihren wichtigsten Fürsprecher beim Grafen schon verloren haben. Da wird dann auch genug für uns abfallen, dafür sorge ich.“

„Aber was machen wir, wenn der Pfortensteiner unterliegt?“, traute sich Ischtan zu fragen.

„Sollte Rondra in ihrer unendlichen Weisheit so entscheiden“, antworte ihm Cassia heiser und einen weiteren Hustenanfall unterdrückend, „so haben wir, im Gegensatz zu den Pfortensteinern, doch trotzdem nichts weiter verloren. Die Fehde endet und wir sind mehr oder weniger dort wo wir vorher waren. Ein paar paar Dukaten in der Truhe mehr, ein paar verwüstete Felder in Berstenbein weniger. Und um die Erfahrung reicher, sich die Verbündeten in der Zukunft besser auszusuchen“, fügte sie als Spitze gegen Junker Kolkja hinzu, was dieser still seufzend zur Kenntnis nahm.

„Sehr schön, dann ist es also entschieden“, beendete Albin die Diskussion. „Ich werde Emmeran von Erlenfall und Rondradan von Pfortenstein zu einem endgültigen Schiedsspruch der Leuin auf die Randersburg laden. Die Boten werde ich noch heute aussenden.“

„Gut, gut.“ Die alte Vögtin fügte sich ihrem jüngsten Sohn in seiner göttlichen Autorität und schnitt ein anderes Thema an. „Kommen wir zu dir Uthwine.“

„Ja, Mutter?“ Aus ihrer Teilnahmslosigkeit aufgeschreckt blickte die Edeldame auf. Die Diskussionen um die Pfortensteiner Fehde hatten sie nicht wirklich interessiert, waren die Ländereien die sie für ihren ältesten Sohn verwaltete doch gänzlich davon unberührt geblieben. „Was kann ich für dich tun?“

„Wir müssen noch einmal besprechen, welche Möglichkeiten wir bezüglich des Familiennamens deiner Kinder haben. Immerhin ist die Familie Leuchtenfels ansonsten dem Namen nach praktisch ausgestorben. Vielleicht sollte man den Dingen hier einfach seinen Gang lassen, statt die Tradition künstlich am Leben zu halten, meinst du nicht auch?“ Ihre Stimme wurde noch eine Spur gebrechlicher und mitleiderregender. „Es würde in meinen Ohren viel wohler klingen, wenn du deinen alten Familiennamen wieder führen würdest mein Kind und deinen Kindern stünde er auch sehr gut. Aldemar, Korisande? Dafür gibt es doch sicherlich rechtliche Präzedenzfälle...“