Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Blutrote Glut

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mitte Peraine 1044 BF, Gut Blaustein, in der Nacht

Jesmina war wütend. Was ein einfacher kleiner Überfall mit Brandstiftung hatte werden sollen, hatte sich innerhalb von Minuten in ein blutiges Gemetzel verwandelt. Nicht, dass sie grundsätzlich etwas gegen Gemetzel und Blutvergießen einzuwenden hatte. Nur bevorzugte sie es dabei auf der Seite der Gewinner zu stehen. Das hier jedoch begann ein ausgewachsenes Desaster zu werden.

Es hatte schon mit den ersten Fackeln begonnen, die sie auf das Scheunendach geworfen hatten. Fast sofort waren wie aus dem Nichts zwei Wachen mit Pfortensteiner Wappenrock aus dem angrenzenden Lagerhaus aufgetaucht. Mit denen waren die mit Waldsteiner Wappenröcken getarnten Erlenfaller natürlich dank ihrer Überzahl schnell fertig geworden. Doch der Lärm der dabei entstanden war, hatte den ganzen verdammten Gutshof aufgeweckt. Plötzlich waren aus allen Ecken die Knechte und Mägde mit ihren Heugabeln und Dreschflegeln gekommen. Ein halbes Dutzend der Verteidiger lag inzwischen in ihrem eigenen Blut, doch hatten sie die Erlenfaller lange genug aufgehalten, bis die drei Ritter im Hof erschienen waren. Der ungebildete alte Greifenfurter in der Mitte, seine Pfortensteiner Metze zur Linken und ein junger Galan mit Sturmfelser Wappenschild zur Rechten waren sie auf den Hof gestürmt und hatten das Blatt gewendet.

Das Dach der Scheune brannte inzwischen lichterloh und warf glutrote Schatten über den Gutshof. Überall waren jene Erlenfaller Waffenknechte, die noch stehen und kämpfen konnten, inzwischen in die Defensive geraten und versuchten sich geordnet zum Tor zurückzuziehen. Jesmina schickte gerade einen übermütigen Bauernlümmel, der vorwitzig versucht hatte sie mit einer Mistforke anzugehen, mit gespaltenem Schädel zu Boden, als plötzlich der graubärtige Keilholtzer vor ihr stand. Nur im Nachtgewand und den schweren Stiefeln angetan, wirkte sein Erscheinungsbild fast belustigend auf die Erlenfaller Ritterin, welche ihrem Gegner im vollen Kettenzeug gegenübertrat. Wenn da nicht seine grimmige Miene und die im Flammenschein rot glitzernde Schwertschneide gewesen wären.

Mit einer Energie, die sie dem alten Kerl nicht zugetraut hatte, drängte der Gutsherr Jesmina mehrere Schritte zurück, bevor die sich fangen konnte und seinem Ansturm Einhalt gebot. Ihr Gegenangriff prallte jedoch wirkungslos am Schild des Greifenfurters ab. Mit geübten Paraden lenkte er ihre wuchtigen Schläge in den Boden, was die Erlenfallerin schnell erschöpfte. Als sie ihren Fehler erkannte, verlegte sich Jesmina darauf zügig zurückzuweichen und den Keilholtzer damit in die Reichweite der Schwerter der Erlenfaller Kämpfer links und rechts von ihr zu locken. In ihrer Eile übersah sie ihm Halbschatten der Flammenzungen den am Boden liegenden Körper einer der zu Beginn des Überfalls getöteten Wachen, über den sie nun rücklings stolperte. Mit lauten Scheppern fiel sie so unglücklich auf den Helm, dass sich das Visier verklemmte und verbog. Sie hörte nur noch den Lärm der Kämpfe um sich herum, konnte aber nichts mehr erkennen. Panisch öffnete sie den Kinnriemen und riss sich den Helm vom Kopf.

Das Erste was Jesmina sah war die Pfortensteiner Ritterin. Zuerst war ihr Gesicht kämpferisch konzentriert, dann aber veränderte es sich von Erstaunen über Erkennen hin zu blankem Hass. Die Erlenfallerin wusste sofort, dass sie aufgeflogen war. Die beiden auswärtigen Ritter würden sie nicht erkennen und von den Knechten und Mägden hatte sie nichts zu befürchten. Aber die Pfortensteinerin musste sterben, wenn sie den Überfall weiter den Waldsteinern in die Schuhe schieben wollten. Dummerweise war Jesmina zu weit weg von ihrer Gegnerin und saß zudem noch auf dem Hosenboden. Jetzt musste es schnell gehen, bevor die Pfortensteinerin ihre Erkenntnis heraus posaunen konnte. Ruckartig streckte die Erlenfallerin den linken Arm aus und deutete mit den klauenartig gebogenen Fingern der Hand auf die Brust Jeswines. Das Gesicht zu einer triumphalen Fratze verzerrt, begann sie Worte in einer Sprache zu rezitieren, die außer ihr niemand auf dem Hof verstand. Just in dem Moment, wo sie die angesammelte Kraft auf ihr Opfer schleudern wollte, bohrte sich eine breite Schwertspitze von der Seite durch ihre Kehle.

Wütend wie überrascht wandte Jesmina den Blick zur Seite und sah in die zornig funkelnden Augen Ritter Wulfhelms. Mit letztem Willen versuchte sie nach ihm zu greifen, ihn irgendwie zu berühren und ihn so mit sich zu nehmen, damit ihr Tod nicht völlig sinnlos sein würde. Doch der erfahrene Greifenfurter wich ihr instinktiv aus und zog bei der Bewegung auch sein Schwert noch einmal schwungvoll durch ihren Hals. Kraftlos kippte die Erlenfallerin zur Seite. Ihr Blut schoss in einem dicken Strahl aus der klaffenden Halswunde und ihr Sichtfeld engte sich innerhalb weniger Sekunden ein, bis sie für wenige Augenblicke nur noch das unbarmherzige Gesicht der Pfortensteiner Ritterin sah, die sich an die Seite ihres Gatten stellte.

Dann war alles schwarz. Für einen Moment meinte Jesmina das Rauschen von Golgaris Schwingen zu vernehmen. Doch das Geräusch wurde schnell lauter und unangenehmer, bis es sich zu einem ohrenbetäubenden Schrei auswuchs. Ein nicht enden wollender gequälter Schrei einer zu ewiger Verdammnis verurteilten Seele auf ihrem Weg in die Niederhöllen. Ihrer eigenen Seele.