Geschichten:Tsas Tränen - Die Schlacht von Appelhof: Der Morgen

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Der Morgen des 10. Peraine 1030 BF


Die Vogelschar stieg in den Himmel auf, deutlich sichtbar für die beiden Späher. Die Männer und Frauen hatten sich in dem kleinen Wäldchen westlich von Appelhof versteckt, einem Ausläufer des großen Feidewaldes. Groß war die Anspannung, die Handgriffe des Krieges waren ihnen längst ins Blut übergegangen.

„Wohlgeboren, die Vögel haben ihren Käfig verlassen.“

Kordian Flaß auf Cresseneck reihte sich wieder bei seinen Kameraden ein.

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Rondradan von Pfortenstein wirkte übernächtigt. Seine Augen waren blutunterlaufen und sein Gesicht weiß wie der Tod. Langsam setzte er seinen Eisenhelm auf und prüfte zum letzten Mal seine Rüstung und sein Schwert. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, alle warteten auf sein Wort. Der Augenblick verging, in welchem ein Anführer mit seinem Befehl den Kämpfern unbändigen Mut einflößen konnten. Sie würden dieses Alveranskommando niemals überleben, sie gingen in ihren Tod. Die Männer und Frauen verstanden sein Schweigen. Langsam spürten seine Leute ihren nahen Tod und ihre Angst wuchs. Der Reiterangriff würde fehlschlagen und dann die Dämonen der Paktierer ihre Seelen in die Niederhöllen zerren.

„Auf! Für die Zwölfe! Für das Reich!“, rief der Reichsforster Ritter laut, zückte sein Schwert und rannte hinaus auf den freien Platz.

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„Sie kommen von Westen! Haltet die Bresche frei!“, brüllte der Offizier den Torwächtern zu. Die schwergerüsteten Söldner rannten durch die ganze Stadt. Ihnen schlossen sich ihre Kameraden an, schwarz die Rüstung, schwarz das Herz.

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„Achtet auf den Pfeilhagel, hebt die Schilde!“, schrie Pfortenstein in die Menge hinein. Die Zinnen der Stadtmauer waren noch nicht beendet, die Baugerüste waren voller Bogenschützen.

Ihr Vormarsch war langsamer, als er es gehofft hatte. Um ihn herum fielen die Soldaten von Pfeilen getroffen. Sie würden im Angriff scheitern. Die höhnenden Söldner würden ihre Leichen schänden, und ihre Seelen an ihre Dämonen opfern. Fern waren die Götter, sie waren allein. Sie starben allein. Er musste etwas tun. Er war verantwortlich für ihre Leben.

Dann sah er den Schatten. Wie er sich von der Bresche löste. Wie er auf sie, auf ihn zuhielt. Tentakel schlugen in die Morgenröte. Die Panik stieg in ihm an. Ein spitzer Schrei löste sich aus dem krummen Schnabel. Das hatte er schon einmal gesehen! Dann stakste es auf seinen Stelzenbeinen wie vom Wind getragen heran. Direkt auf ihn zu.

„Rückzug! Alle zurück in die Wälder!“

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„Da! Die Vögel fliegen!“, hörte Praiodan von Steinfelde seine Nachbarin Praioware von Hartsteen-Schallenberg sagen und er folgte ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen.

„Vorwärts!“, ertönte der Befehl des Schwarztanners.

Praiodan riss die schwere Kriegslanze in die Höhe als wäre sie ein Spazierstock und brüllte: „Hartsteen für Hartsteen!“ Dann klappte er das Schallervisier herunter und gab seinem Ross die Sporen.

Die Reiter setzten sich in Bewegung, zuerst über die Hügelkuppe und dann Geschwindigkeit aufnehmend hinunter in die Ebene und hielten dann direkt auf das Stadttor zu. Der Steinfelder sah durch eine Lücke zwischen seinen Vorderleuten die näher kommende dunkle Öffnung in der Mauer. Heute würden diese zwölfmal verfluchten Halunken bezahlen! Dieser Fuchsbach schien mit seiner irrwitzigen Idee offenbar erfolgreich gewesen zu sein, denn das Tor war immer noch offen. Praiodan senkte die Lanze.

Die Erde bebte unter den Hufen der Rösser. Laut rufend und schreiend hielten die Reiter auf das Tor zu. Die Brücke war hinabgelassen, ihr Weg frei in die Stadt. Niemand war auf den Zinnen zu sehen. Der Scheinangriff im Westen hatte den Feind gebunden.

„Pfeilformation!“, schrie Raulfried von Schwarztannen seinen Rittern zu. „Schneller!“

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Der Rückzug war in eine panische Flucht umgeschlagen. Sie standen nicht mehr zusammen. Jeder kämpfte nun nur noch für sich selbst. Aus der Kriegsmeute war eine panische Fluchtmeute geworden. Und es zählte nur noch eines. Weg. Weg von diesem Wesen.

Wie blind hielt Rondradan auf die Bäume zu. Sie standen zusammen und streckten ihre Wipfel alle in die gleiche Richtung. Dem Himmel entgegen. Und sie blieben stehen, trotzend jeder Gefahr. In einem kleinen, unterdrückten Teil seines Geistes erkannte er das Bild. Eine mutige Phalanx unerschütterlicher Kämpfer. Trotzend jeder Gefahr. Und dann war das Bild verschwunden.

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Warten.

Das war das Schwierigste an dem ganzen Plan. Kordian spürte die Aufregung seines Tieres. Die gespannte Atmosphäre, die nur durch den Befehl gelöst werden konnte. Dann würde er eins werden mit seinem Ross. Zusammen die Lanze in den Körper des Feindes bohren. Niemanden der schwarzen Söldner würde er verschonen. Sein Pferd würde sie alle zertreten. Im Blut der Feinde sollte sein Pferd stehen.

Doch bis dahin hieß es: Warten.

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Bewegung auf der Mauer. Und im Tordurchgang. Der Ritter vor Praiodan stürzte. Mitsamt seinem Ross. Bolzen! Der Steinfelder riss sein Pferd zur Seite, um auszuweichen. Zu spät. Der Rappe trat fehl. Der Ritter ließ die Lanze los, um das Gleichgewicht zu halten. Beide schwankten. Im Fallen in den Weg der Hartsteen-Schallenberger. Der Zusammenprall riss ihn förmlich aus dem Sattel.

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Ihr Blick war furchterfüllt. Aber trotzig schluckte Tsaiana ihre Angst hinunter. Sie waren zu spät gekommen. Die Geweihten hatten lange gebraucht, um ihre Gebete zu beschließen. Sie hatten die Verletzten geborgen und ihre Wunden versorgt. Nicht jeder von ihnen würde den morgigen Tag erleben. Tränen der Wut und der Erschöpfung benetzten das bildschöne Gesicht der jungen Baroness.

Dann sah sie die Gestalten, die auf sie zu schritten. Ihre dunklen Schatten zogen sich über die Ebene. In Blutrot getaucht von der Morgensonne. Dies waren keine ehrbaren Ritter. Sie töteten ohne Gnade und machten keinen Unterschied vor den Dienern der Götter.

Tsaiana presste ihre zarte Hand um ihr Schwert. Ihr Blick glitt hinüber zu Rahjane von Hornbach. Sie sah ihr Nicken und spürte darin eine große Kraft. Sie würden heute gemeinsam kämpfen.

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Panik kroch in Raulfrieds Glieder. Die Attacke war zusammengebrochen. Etliche der Ritter waren im plötzlich einsetzenden Bolzenhagel gefallen und hatten ihre Nebenleute und Hinterleute mit sich gerissen. Die Standhafteren waren geradezu in die auf der Zugbrücke und im Tordurchgang wartenden Pikeniere gerannt, waren aufgespießt worden oder in den Graben gestürzt. Und weiter regnete es von den Wällen Bolzen herab, denen die übrigen Ritter ausgeliefert waren. Sie mussten sich schnell organisieren, sonst würden sie hier alle vor der Mauer sinnlos verrecken!

Mehr Feinde strömten aus dem Torhaus, die abgestochenen oder noch wild um sich schlagenden Pferde überkletternd, angeführt von einer Kriegerin in schwarzer Rüstung und violettem Schild. Eine überderische Erscheinung bestehend aus purer Mordlust.

„Verabschiedet eure Seelen an Belhalhar!“

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In nomine Praios! Norinnas Geist war Stahl. Unter ihren Schlägen schrie das Wesen. Die Gesänge der Praioten erzürnten es. Schritt um Schritt schritten sie gemeinsam voran. Die unsichtbaren Schläge konnte sie nicht zählen. „Geh zurück woher du kommst! Du gehörst nicht hierher!“

Vor ihr hieben die Sonnenlegionäre unerbittlich auf den Dämon ein.

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„Gebt das meinem Sohn, sollte ich fallen“, bat der Wetterwender den Junker von Allingen und hielt Peridan etwas entgegen, das in der Handfläche des brüchigen Lederhandschuhs deplaziert anmutete.

Der Allinger erwiderte grimmig: „Werdet Ihr aber nicht, Ansgold. Reißt Euch zusammen, in Rondras Namen!“ Dennoch nahm er das Amulett seines Ritters entgegen und streifte es sich über. Oft waren es genau diese Gesten, die stellvertretend für das tiefe Vertrauen standen, das ein Ritter dem anderen entgegenbrachte. „Und nun keine solch düsteren Gedanken mehr, sondern nur noch Gedanken daran, dass wir Praios und Rondra heute beweisen werden, dass wir in der Lage sind, die rechte Ordnung im wohlgefälligem Streit wiederherzustellen!“

Er hoffte, dass er mit diesen schlichten Worten seinen Leuten, Ansgold von Wetterwend, Bogda von Allingen-Lohfels und den Knappen, Mut einflößen konnte. Dabei dachte er jedoch selbst intensiv an den Bruder, der in diesem Moment sein Schicksal herausforderte. War es richtig gewesen, Brinian für das Alveranskommando abzustellen?

„Bei Phex, möge es nicht umsonst gewesen sein“, murmelte er nur.



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10. Per 1030 BF zur morgendlichen Perainestunde
Die Schlacht von Appelhof: Der Morgen
Der Vogel verlässt den Käfig


Kapitel 37

Die Schlacht von Appelhof: Der Mittag