Geschichten:Tsas Tränen - Unangenehme Entscheidungen

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Vor den Toren der Stadt Appelhof, 11. Peraine 1030 BF


Das Siegesfest war im vollen Gange. Die Schlacht lag bereits einige Tage zurück. Bier und Met flossen in Strömen und über einem Dutzend Feuer drehten sich Spanferkel. Vorbei war die Anspannung, die Überlebenden grölten aus voller Kehle ihre Jubellieder und die Verwundeten achteten nicht mehr auf ihre Schmerzen. Selbst die Praioten, ihnen voran Raulbrin vom Eberstamm, stimmten in die Gesänge mit ein und stürzten den anregenden Gerstensaft hinunter. An einem Abend wie diesen, am Ende eines erfolgreichen Unternehmens gönnten die strengen Geweihten den einfacheren Männern und Frauen die Freude an ihrem übersprudelnden Leben.

Manchmal kamen jedoch vereinzelt die Gedanken auf die gefallenen Freunde und Kameraden, und dann trübte sich der benebelte Sinn und die Stirn verfinsterte sich. Und immer wieder wurde auf ihr Andenken angestoßen und die Fröhlichkeit kehrte zurück. Ehret die Toten und ihr Opfer in Würde, aber mit Freude und Dankbarkeit, hatte Bodebert von Windischgrütz bei seiner Ansprache den Leuten zugerufen. Sie hielten sich an sein Wort.

Die Mitternacht zog näher schon. Noch immer feierten die Soldaten, auch wenn viele von ihnen bereits unter die provisorischen Holzbänke gerutscht waren und leise schnarchten. Vom nahen Wald riefen Käuzchen. Ein leiser Wind schob die Wolken am Nachthimmel herum und ließ die Sterne funkeln. Das Madamal tauchte die Festwiese in silbernes Licht.

Bodebert stand gemeinsam mit dem Baron von Schwarztannen und dem Junker zu Sturmwacht ein wenig abseits und plauderte erleichtert über den erreichten Sieg und den glücklichen Schlachtverlauf. Der wohlgelaunte Junker wollte gerade zu einer Replik ansetzen, sie als unter den Männern auf der Festwiese eine gewisse Unruhe wahrnahmen. Offenbar war ein Gast zu ihrer Feier aufgetaucht und bahnte sich nun seinen Weg direkt auf Bodebert zu.

„Hochgeboren, verzeiht die Störung Eurer Feier“, grüßte der Mann atemlos den Natzunger Baron. Bodebert kannte den Mann. Es war Seginhold Borninger, der Gutsverwalter eines der Windischgrützer Güter in Hutt.

„Du bist willkommen bei uns. Aber was führt dich zu so später Stunde noch hierher?“

Der Mann rang um Atem und antwortete: „Ich bin so schnell geritten wie es mir möglich war. Vor drei Tagen erreichte mich ein Bote aus Nadriansfurt. Er war übel zugerichtet und wollte so schnell als möglich zu Euch. Als er unseren Hof erreichte, war er dem Tode nah und hatte kaum noch die Kraft, sich auf seinem Pferd zu halten. Meine Frau und ich legten ihn also ins Bett und begannen den Bewusstlosen zu pflegen und seine Wunden zu säubern, die sich bereits übel entzündet hatten. In einer seiner Taschen fanden wir schließlich dies!“

Mit diesen Worten reichte er Bodebert einige Bündel Briefe, die offenkundlich an ihn und den Schallenberger gerichtet waren. Beunruhigt öffnete Bodebert die Dokumente und überflog die Zeilen. Er erblasste und reichte die Schriftstücke wortlos an Felan, der sie ebenfalls überflog.

Söldner aus Almada trafen gestern ein. Haben Gut Hohenkamp im Handstreich genommen. Alle dort aufgeknüpft. Ziehen weiter nach Hartsteen.

Wortlos reichte Bodebert Felan auch die zweite Nachricht, die in einer anderen Handschrift verfasst war.

Heute haben sie Nadriansfurt genommen und Burg Sturmwacht in Brand gesteckt. Rondrian von Schallenberg mitsamt seiner Mutter entführt. Ulfried von Schallenberg beim Versuch die Widersacher aufzuhalten gefallen. Die Wappen, die sie führten: Schwarzes Dreieck vor goldenem Kreis auf blauem Hintergrund und drei von einem silbernen Schwert durchspießte goldene Stierschädel auf rotem Hintergrund.

Weitere Ortschaften waren in Geismars Hände gefallen, hauptsächlich in Bugenhog und Rabensbrück entlang der Reichsstraße.

Bodebert zitterte. „Das ist...“ – „Verrat!“, führte Felan seinen Satz zu Ende. Ein Äderchen in seinem rechten Auge war geplatzt.

„Was ist geschehen?“, fragte Raulfried von Schwarztannen die beiden Hartsteener Adligen fassungslos.

Geismar hat sich mit den Almadanern verbündet und greift nun Hartsteen an“, rief Felan wütend aus.

„Almada?!“

„Ja, es scheint, als ob Geismar unseren Heerzug schändlich ausgenutzt hat und uns in den Rücken gefallen ist. Ihm ist jedes Mittel recht, selbst eine heimliche Allianz mit dem Bruder der Königin“, antwortete Bodebert verbittert.

„Dann ist er ein Reichsverräter!“, rief Raulfried aus.

„Er ist ein ehrloses Stück Orkendreck!“, ballte Felan seine Fäuste, dass die Knöchel weiß wurden.

„Und was wollt Ihr nun tun?“

Felan schaute Raulfried eindringlich an. „Was bleibt uns denn zu tun, Schwarztannen? Wir brechen auf und ziehen gen Feidewald. Über die Feidewaldstraße erreichen wir die Grafenfestung in zwei Tagen. Dann stellen wir Geismar.“

„Wir können Euch nicht befehlen, uns zu begleiten, aber wir bitten Euch darum, uns beizustehen“, sagte Bodebert zu Raulfried. „Ich weiß, Ihr wollt Euch in der Fehde neutral verhalten, aber dieser Angriff auf unsere wehrlosen Güter, während wir eine göttergefällige Unternehmung gemeinsam mit Euch unternommen haben, ist eine tückische, hinterhältige und ehrlose Tat, die auch Eure Ehre beschmutzt.“

Raulfried nickte. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er war für die Reichsforster Truppen verantwortlich und auf seinen Befehl hin würden die Reichsforster gen Süden in die Fehde ziehen. Er war sich unsicher, was Graf Danos dazu sagen würde. Aber er wusste, dass sein Mentor Odo von Luring-Mersingen ihm vertraute und eine Verweigerung des Beistandes als eine ehrvergessene Tat ansehen würde. Und er konnte nicht zulassen, dass seine Feinde am Reichsforster Hof ihn einen ehrlosen Verbündeten nennen konnten, der aus rationalen Erwägungen seine Verbündeten, mit denen er eben erst eine harte Schlacht gewonnen hatte, in den sicheren Tod laufen ließ. Er hatte seine Entscheidung längst getroffen und hoffte, dass man dies bei den Hartsteenern nicht vergessen würde.

„Die Reichsforster werden Euch begleiten. Ich werde mit Euch zusammen vor die Leute gehen und sie darüber informieren.“