Geschichten:Tsas Tränen - Die Vögel sind ausgeflogen

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Gut Hohenkamp, Feidewald, Peraine 1030 BF


„Pfui, das ist ja Apfelwein! Gibt’s hier denn nicht Anständiges?“ Angewidert blickte die Söldnerin auf ihren Becher, dann zuckte sie mit den Schultern und leerte ihn in einem Zug. „Vielleicht ist hier ja anständiger Wein drin.“ Zwei ihrer Kameraden rollten ein weiteres Faß aus dem Vorratskeller. Auf dem Hof des Gutes versuchte eine weitere Söldnerin eine Kuh zum Angriff zu reizen indem sie mit einer roten Jacke vor dem offensichtlich verwirrten Tier rumwedelte, angefeuert von einer johlenden Meute Landsknechte, die mit ihren Hüten schwenkten und laut „Torro! Torro!“ riefen. Etwas abseits stapelten weitere Soldaten Brennholz und errichteten einen improvisierten Drehspieß, was für das weitere Schicksal der Kuh nicht gutes erahnen lies. Andere standen im Kreis um zwei Hähne, die sie aus dem Hühnerstall geholt hatten und wetteten lautstark auf eines der beide Tiere, auch wenn es den beiden Kotrahenten etwas an Begeisterung fehlte.

Boraccio D’Altea stand am Fenster des Herrenhauses und betrachtete nachdenklich die ausgelassene Szenerie als sein Leutnant Jacopo Furlani das Zimmer betrat und sich neben ihn stellte. „Wenn es wärmer wäre und es anständigen Wein und hübschere Weiber gäbe, dann könnte man sich fast wie zu Hause in Almada fühlen, meinst Du nicht auch?“ Der stämmige Leutnant grinste.

„Freut Euch mal nicht zu früh. Nur weil die Besatzung hier auf dem Gut die Beine in die Hand genommen hat, als wir mit zwei kompletten Bannern aufmarschiert sind, heißt das noch lange nicht, daß alle Anhänger von diesem Luidor wie die Karnickel rennen werden. Spätestens wenn ihr Heerzug aus dem Norden wieder zurückkehrt und sie ihre Güter verheert oder besetzt vorfinden wird der Tanz erst richtig los gehen. Ihr werdet schon noch alle hart für Euer Silber zu arbeiten haben!“ Der Condottiere teilte offensichtlich die ausgelassenen Stimmung seiner Truppen nicht. „Sorg dafür, daß sich nicht alle sinnlos besaufen und Wachen aufgestellt werden. Und das regelmäßig Patrouillen los gehen. Die Wache, die ich besoffen in der Ecke liegen finde, geht bei Morgengrauen durch die Gasse!“

Jacopo nickte. „Keine Sorge, die Leute werden auf ihrem Posten sein.“

„Gut! Und was ist mit diesem Ludovigo Schwingenfeld, oder wie dieser Schoßhund des Grafen auch immer heißt?“

„Schwingenfels. Ist zum seinem Herrchen geeilt und wird wahrscheinlich mit seinen Heldentaten prahlen.“

„Hauptsache er geht mir mit seinen Befehlen und guten Ratschlägen nicht länger auf die Nerven und läßt mich meine Arbeit tun.“ knurrte Boraccio.

„Oh, da kommt Joß zurück!“

Auf dem Hof bildete sich ein kleiner Auflauf am Tor, das man geöffnet hatte um einen Trupp Landsknechte einzulassen, die zwei verängstige Zivilisten, ein älteres Paar, im Schlepptau hatten. Der Anführer des Trupps, ein gutaussehender, bärtiger Hüne mit einem enormen Schwert über der Schulter, bahnte eine Gasse durch seine Kameraden, die die Neuankömmlinge johlend umringten. Boraccio und Jacopo hatten das Herrenhaus verlassen und gingen der zurückgekehrten Streife entgegen.

„Melde mich zurück, Capitan!“ Der hünenhafte Söldling lupfte seinen Hut und verbeugte sich kurz vor seinem Offizier.

„Und? Wen hast Du uns da zum Abendessen mitgebracht, Joß?“ Boraccio deute auf die beiden Gefangenen, einen alten Mann und eine alte Frau in einfachen Kleidern, die sich gegenseitig ängstlich umarmten und vor Angst zitterten.

„Euer Wohlgeboren, darf ich vorstellen? Das sind Travine und Ulfbert, Eigenhörige hier auf dem Gut. Und ihr beiden da, bezeugt gefälligst Dom Boraccio D’Altea, dem Herrn von Aracena, den gehörigen Respekt!“ Die beiden Alten warfen sich zu Boden und wimmerten.

Der so Geehrte beachtete die beiden Gefangenen nicht weiter. „Habt Ihr sonst irgendwas gesehen?“

„Nein, Capitan. Die Vöglein sind alle aus ihrem Nest ausgeflogen und haben nur die beiden alten Spatzen hier zurückgelassen. Sie sagen, daß der Hauptmann hier mit seinen Leuten das Hasenpanier ergriffen hat, als ein Späher unsere Ankunft angekündigt hat. Auch alle Knechte und Mägde haben es vorgezogen in den Wald zu verschwinden. Unsere beiden Turteltäubchen hier waren aber nicht mehr gut genug zu Fuß, so daß wir sie aufgegabelt haben und ein wenig zum Singen gebracht haben. Was machen wir nun mit ihnen?“

„Befragt sie, wo hier noch Vorräte zu finden sind und dann schickt sie ihrer Wege. Wir haben Wichtigeres zu tun als uns um zwei alte Fellachen zu kümmern.“