Geschichten:Tote und Obristen unter sich

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Der Heermeister Perricums, Baron Zivko von Zackenberg-Bennstedt, traf sich in unregelmäßigen Abständen mit den höchsten Offizieren des Heeres in der Reichsstadt, um über allerlei Dinge von allgemeiner Bedeutung zu beratschlagen und um sich gegenseitig auf den aktuellen Stand zu bringen.
Die ersten Punkte der Tagesordnung waren rasch abgehandelt, gab es doch nichts Besonderes zu berichten und es stand auch nichts dergleichen an. Oberst Siegerain von Bregelsaum-Berg freute sich schon auf das Ende des Treffens und das baldige Mittagessen. Den Landjunker ermüdeten diese Zusammenkünfte und zu gewinnen gab es aktuell dabei auch nichts für ihn. Und dass die Zwickenfellerin, dieses alte Fossil, ihn fast die ganze Zeit über mit einem spöttisch-herablassenden Grinsen bedachte, machte diese Besprechung für den sonst so selbstbewusst auftretenden Offizier auch nicht angenehmer. Wurde Zeit, dass dieses furchtbare Weib endlich seinen Abschied nahm oder, noch besser, an seiner eigenen Bösartigkeit starb!

„Gut, wenn sonst nichts weiter anliegt, würde ich unser Treffen nun gerne beschließen.“, sprach der Heermeister und war bereits im Begriff, sich von seinem Platz zu erheben.

„Verzeiht, Exzellenz. Aber ich hätte da noch eine Sache.“

„Hättet ihr das nicht vorher sagen können, von Zwickenfell?“, erwiderte sichtlich genervt Siegerain.

Doranthe setzte ihr schönstes Haifischgrinsen auf, als sie zu einer Entgegnung anhub.
„Informationen sind nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu übermitteln, mein lieber Oberst. Ich dachte eigentlich, dass ihr das wüsstet. Und da-“

„Gut, dann spannt uns nicht weiter auf die Folter, Obristin.“, intervenierte der Heermeister leicht genervt, wusste er doch um die innige gegenseitige Abneigung der Beiden und war demzufolge nicht gewillt, dem mehr Raum zu geben als unbedingt nötig.

„Selbstverständlich, Exzellenz. Um es kurz zu machen: In der vergangenen Woche ist die Kastellanin von Burg Ferkinaschreck, Bara von Grenadian, zu Boron gerufen worden. Sie hatte eine alte Freundin, Wahnfrieda von Oppstein, besucht und beide verstarben nach dem Genuss eines selbst zubereiteten Pilzragouts, dessen Zutaten Bara zuvor persönlich gesammelt hatte.“

„Und es dabei offensichtlich an der nötigen Sorgfalt mangeln ließ.“, warf Siegerain trocken ein. Insgeheim fragte er sich, wie man so dämlich sein konnte, einfach irgendwelche Pilze in sich hineinzustopfen, während die Zwickenfellerin ihm mit einem finsteren Blick bedachte, als wollte sie den neben ihr sitzenden Mann alleine damit töten.

„Ach, ich vergaß: Von Sorgfalt versteht ihr ja eine Menge.“, entgegnete die Obristin süffisant, während sie sich ausmalte, wie es wäre, für diesen Schwachkopf selbst ein Pilzgericht zuzubereiten. „Aber zurück zum eigentlichen Thema: Die Nachfolge der Grenadian als Kastellanin. Ich hätte da einen Vorschlag.“

„Ich höre.“, sagte Zivko knapp, wobei seine Blicke den übrigen Anwesenden unmissverständlich klar machten, dass er keine weiteren Spiegelfechtereien mehr zu tolerieren gewillt war.

„Es gibt da eine Nebachotin, Arda von Pfiffenstock. Ich habe sie bei verschiedenen Gelegenheiten als eine gewissenhafte und zuverlässige Frau kennengelernt, die meiner Meinung nach über alle für die vakante Position nötigen Eigenschaften verfügt. Und nach der Schande von Bruder und Vater scheint sie gewillt zu sein, sich aus ihren Schatten zu lösen und anderswo nach einem Aus- und Fortkommen zu suchen.“

„Schande? Was denn für eine Schande?“, begehrte Zivko zu wissen.

„Nun, Vater und Bruder versagten vor einigen Götterläufen beim Schutz des Baronets von Brendiltal, dem sie als Leibwächter dienten. Der eine wurde als Sühne mit dem Toten eingemauert, der andere trat der ‚Legion der lebenden Toten‘ bei.“

Siegerain verschluckte sich bei Doranthes jüngsten Ausführungen beinahe an seinem Wein.
„Na, das sind ja tolle Sitten da unten.“, merkte er lakonisch mit einem Kopfschütteln an. „Und was hat es mit dieser ‚Legion‘ auf sich?“

„Nebachotische Krieger, die ihre Ehre verloren haben, schließen sich dieser Gruppierung an, legen ihre Namen ab und versuchen mit beinahe allen Mitteln, ihre Schande abzuwaschen, wobei viele bei diesem Bemühen sterben. Eine wirklich beeindruckende Truppe, möchte ich noch anmerken.“

„Pffh. ‚Beeindruckend‘ ist wohl der falsche Begriff. ‚Dämlich‘ trifft es wohl eher. Aber unabhängig davon: Welche Referenzen hat sie?“

‚Irgendwann muss ich Dich wohl mal übers Knie legen, Bürschchen.‘, dachte die Offizierin bei sich, während sie dieser Obristenattrappe stattdessen antwortete: „Sie verfügt über Empfehlungsschreiben des Oberhaupts der einflussreichen Familie Alxertis sowie der Baronin zu Haselhain. Ich denke, das und meine eigene hohe Meinung über die Frau sollten wohl genügen.“

„Gut, dann soll es so sein.“, ergriff nun der Heermeister das Wort. „Veranlasst alles Nötige, von Zwickenfell. Eine fähige Nebachotin mit guten Verbindungen kann dem Ansehen des Heeres insbesondere im Süden der Provinz sowie in der Reichsstadt nur zum Vorteil gereichen. Mit Blick auf die vorgerückte Stunde beschließe ich nun dieses Treffen. Rondra befohlen!“

Beim Hinausgehen raunte Oberst Siegerain der Offizierin zu: „Fasst euch das nächste Mal kürzer, von Zwickenfell; wegen euch komme ich zu spät zum Mittagessen!“

„Und wenn ihr mir beim nächsten Mal erneut so dumm kommt, sorge ich persönlich dafür, dass dieses für längere Zeit nur noch aus Suppe bestehen wird.“
Sprach´s und ließ den nach Luft schnappenden Offizier allein im Saale stehen.