Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Ohren zählen

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Breitenau

In der Baronie Donfanger

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae

Urion hatte wieder festen Boden unter den Füßen und wandte sich um. Jemand hatte die Scheunentür weit geöffnet und helles Tageslicht drang nun herein. Er erkannt seinen Bruder und Ardo, die beieinander standen und seinen einarmigen Abstieg von der Leiter verfolgt hatten. „Oben ist klar!“ sagte Urion einsilbig und erhielt von seinem Bruder die ebenso einsilbige Antwort. „Unten ist auch klar.“

„Wir müssen schnell nach den anderen sehen und dann die Bewohner des Hofes ausfindig machen“, meinte Urion Ardo zugewandt als eine große Gestalt in die Tür der Scheune trat.

Urion riss sein Schwert zur Abwehr hoch, lies es dann jedoch wieder sinken als er eine menschliche Gestalt erkannte. Anfangs war er noch vom hellen Tageslicht geblendet gewesen.

„Den Göttern sei Dank hohe Herrschaften, danke, vielen Dank für die Rettung aus höchster Not“, die Gestalt fiel auf die Knie und Ardo erkannte jetzt einen in einfache Bauerntracht gekleideten Mann, der einen alten verrosteten Langdolch in der Hand hielt.

„Der Herr Praios hat unsere Schritte und die Herrin Rondra unsere Schwerter gelenkt. Ihnen wollen wir danken, doch zuerst sollten wir hier für Ordnung sorgen.“ Ardo trat an den Mann heran und zog ihn fest aber nicht unsanft wieder auf die Füße. „Wenn dir und deiner Familie nichts geschehen ist, dann beginne damit die Leichen der Schwarzpelze in deinem Hof zu sammeln. Wir wollen sie uns im Licht der Praiosscheibe ansehen. Einer liegt oben auf dem Heuboden, zwei hier unten und einer hinter deiner Scheune. Wir werden indes schauen, ob die Gefahr gänzlich gebannt ist.“

„Natürlich hoher Herr. Ich werde tun wie Ihr sagt.“ Eilig steckte der Bauer das rostige Messer weg und machte sich mit unverhohlen angeekeltem Gesicht daran die Überreste der Schwarzpelze aus seiner Scheune zu räumen.

Gefolgt von den beiden Brüdern schritt der Baron von Kressenburg auf den freien Platz zwischen Scheune, Stall und Wohnhaus. An der Tür des Bauernhauses waren zwei halbwüchsige Knaben gerade damit beschäftigt Urions Lanze und den aufgespießten Ork vom Türrahmen zu lösen, während aus einem halb geöffneten Fensterladen das Gesicht eines jungen Mädchens angstvoll in den Hof blickte. Nahe bei stand die Bauersfrau mit einem schweren Eimer in den Händen und starrte unschlüssig auf den noch immer brennenden Stall. Es war offensichtlich, dass von dem Gebäude nichts mehr zu retten war, doch augenscheinlich tat die Frau sich schwer damit sich diesen Verlust einzugestehen und überlegte noch immer, ob sie es wagen sollte, aus der Tränke nahe beim Stall Wasser zu schöpfen. Als sie die drei gerüsteten Männer aus der Scheune kommen sah, ließ sie den Eimer aber mit einem Achselzucken fallen und rief ihre Tochter herbei.

„Alrike! Bring Wasser und Leinentücher und die Salbe vom Kamin. Die hohen Herren sind verletzt worden.“ Das Mädchen verschwand sofort vom Fenster und tat wie ihm aufgetragen.

„Seid bedankt gute Frau.“

Urion war unterdessen an dem niederbrennenden Stall vorbeigeschritten und rief mit lauter Stimme die Grenzreiter zusammen. Hinter den umliegenden Hügeln kamen sie zu zweit und zu dritt herbei geritten, die Leichen der erlegten Schwarzpelze an Seilen hinter sich her ziehend. Nach ein paar Minuten war die Lanze vollzählig versammelt. Wohl hatten die meisten ein paar Schrammen und zwei Soldaten hatten Pfeilwunden davongetragen, aber im Ganzen hatten die zahlenmäßige Überlegenheit und der überraschende Angriff dafür gesorgt, dass die Schwarzpelze sich nicht effektiv hatten zur Wehr setzen können. Der Rittmeister schickte zwei unverletzte Grenzer um Mechthild und Praiolin zu holen und machte sich zusammen mit Weibel von Jungingen und der Bauersfrau daran die Verletzten zu versorgen.

Während der Weibel sich daran machte, seine verwundeten Kameraden zu versorgen, nahm sich die Bäuerin der Armverletzung des Kressenburger Barons an. Mit frischem Wasser aus dem Brunnen wusch sie die Wunde aus und wollte gerade die Salbe auftragen. Urion betrachtete sich die Pfeilwunde seines Rappen und griff mit seinem Gesunden Arm in die Satteltasche und förderte einen größeren Beutel zu Tage. Die Pfeilwunde des Rappen war keine schwere Verletzung, der Pfeil steckte direkt im Muskel und er würde ihn herausschneiden müssen. Bevor die Bäuerin die Salbe auftragen konnte reichte Urion ihr ein kleines Fläschen. „Hier, Frau nehmt dies und gebt einen guten Schuss davon über die Wunde. Es verhindert, dass die Wunde brandig wird. Tragt dann die Salbe auf und verbindet den Arm sorgfältig.“

Urion nahm die Flasche mit dem Brand wieder an sich und wusch sich ebenfalls die beiden Verletzungen mit Wasser aus, bevor er den Alkohol darüber schüttete. Mit Hilfe der Bauerntochter trug er die Salbe auf, dem Geruch zu urteilen beinhaltete sie neben wohlriechenden Bergkräutern auch Wirselkraut.

Der Verband war schnell angelegt, so dass sich Urion seinem Rappen zuwenden konnte. Antlitz hatte den hinteren rechten Huf gehoben, wohl weil der Pfeil im Muskel bei Streckung Schmerzen musste. Urion trat an den Kopf des Pferdes und umschlang dessen Hals mit seinem Schwertarm. Dann legte er seinen Kopf auf die Stirn des Tieres. Unmittelbar als er die Verbindung mit dem Tier aufgebaut hatte strömte ihm eine Welle des Schmerzes entgegen. Er brauchte eine Zeit bis er das Tier erreichte und es gelang ihm es zu beruhigen. Urion vermittelte dem Rappen was nun geschehen würde. Langsam löste er die Verbindung und trat an die verletzte Seite. Prüfend untersuchte er die Stelle an der der Pfeil eingedrungen war. Als er erkannt hatte, wo die Widerhaken des Pfeiles eingedrungen waren, wusste er wo er seinen Schnitt setzen musste und zog sein Jagdmesser. Mit zwei kurzen schnitten durch das Fell, bei welchen der Rappe mit dem Huf leicht nach hinten aus schlug, weitete Urion den Einschusskanal. Helles Blut lief ihm über die Hände. Ein gutes Zeichen.

Nachdem er das Blut abgewaschen hatte, bat er einen nahe stehenden Grenzer um seinen Dolch. Mit beiden Klingen drang er parallel zum Schaft des Pfeiles in die erweiterte Wunde ein. Dies würde den Pfeil beim Herausziehen fixieren und darin hindern, dass er abbrach. Mit einem kräftigen Ruck zog Urion an dem Schaft und es gelang ihm beim zweiten Mal, den unbeschädigten Pfeil herauszuziehen. Antlitz sprang einen Satz nach vorn und setzte erstaunlicherweise seinen Huf wieder auf, während die Blutung stärker wurde.

Sofort wuchs der Rittmeister den Pfeil ab und untersuchte diesen eingehend. „Kein Gift“, murmelte er und warf ihn fort. Dann drückte er nahe der Wunde auf eine Stelle am Fell und die Blutung ließ rasch nach. Urion wusch das restliche Blut aus der Wunde und übergoss auch diese Verwundung mit Alkohol. Mit einer großen gebogenen Nadel und einem Faden vernähte er die beiden Wundränder.

Die nahe stehenden Grenzer und Ardo hatten Urion wortlos zugesehen und der Rittmeister konnte Erstaunen in einzelnen Augen erkennen.

„Was denkst du Urion?“, wandte sich Ardo an seinen Freund, während er sich ungeduldig die Wunden versorgen ließ. „Die Gruppe war nicht groß und hat offensichtlich unsere Wachposten in den Bergen umgehen können. Wenn wir nicht zufällig in der Nähe gewesen wären, hätten sie die Familie abgeschlachtet. Ein Dolch und vielleicht ein paar Hacken für die Feldarbeit. Das ist nicht unbedingt das rechte Rüstzeug um sich gegen Schwarzpelze zur Wehr zu setzen. Glaubst du es ist möglich noch mehr Grenzer dafür abzustellen?“

„Nein, nicht wirklich“, entgegnete der Rittmeister nach kurzem Überlegen. „Wie du weißt, sind wir sind bereits am Limit von dem was die Mark sich an Mannstärke leisten kann. Aber wir werden den Bauern die Bögen der Schwarzpelze und einen Säbel aus der Beute da lassen. Mehr können wir nicht tun. Das Leben hier ist nun mal gefährlich, aber die Bewohner der Grenze sind hart im Nehmen. Ich bin überzeugt, mit den Bögen werden sie der nächsten Plündergruppe dieser Art das Fürchten lehren.“

Der Baron nickte knapp. Auch wenn er es nicht für gut hieß einfache Bauern über die Gebühr zu bewaffnen, sah er doch die Notwendigkeit ein. Die starken orkischen Bögen mochten hier an der wilden Grenze tatsächlich nützlicher sein als in den Händen eines märkischen Soldaten im Hinterland.