Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Vom Kampf in den Bergen

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Breitenau

In der Baronie Donfanger

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae

Kaum war der Spähtrupp hinter einer Biegung verschwunden, bat Urion die Gäste vom Beobachtungsposten, um die Stellungen der Soldaten in Augenschein zu nehmen. „Zuerst wollen wir mal sehen, wie sich die Bogenschützen eingerichtet haben.“ Er wies auf die Soldaten, die auf den Anhöhen beiderseits des Tales hinter den zerklüfteten Kalksteinfelsen nur ab und an zu erkennen waren. Sie hatten bereits ihre Tarnumhänge angelegt.

„Das sieht doch schon ganz ordentlich aus. Ich denke eine komplette Unkenntlichmachung der Stellungen wird sich kaum machen lassen. Aber immerhin sollen sie ja nur vor gegnerischen Beschuss sicher sein. Die Schanzungen sprechen schon eine sehr deutliche Sprache was einen eindringenden Feind hier erwartet.“

„Ja, komplett geht es meistens nie,“ bestätigte Urion, „und die Schwarzpelze haben gute Sinne. Die Schützen dürfen sich bis kurz vor der Schussabgabe nicht zeigen. Ich wäre froh, wenn die Grenzer in solchen Situationen auch indirekte Salve schießen könnten, aber dafür bedarf es jahrelanger Erfahrung und Übung und die Zeit bekommen wir meist nicht. Dann müssen eben meist diese Stellungen ausreichen.“

„Wohl wahr. Wann hatten wir in den letzten Jahrzehnten schon einmal die Zeit zu verschnaufen und in Ruhe aufzubauen?“ Der junge Baron war sich der Probleme die mangelnde Erfahrung im Kampf mit sich brachte wohl bewusst. Als Kind aus der Zeit des großen Orkensturms hatte er Vater und Großvater oft über den Verfall von Kampfkraft und Moral bei den jungen Rekruten der Nachkriegszeit klagen hören.

Urion hatte die steile Felswand erreicht. „Klettert hinter mir her, dann kann ich euch zeigen, wie sich die Schützen eingerichtet haben.“ Mühsam erklommen die fünf die steile Felswand. Nicht selten löste sich ein Stück Fels unter ihren Händen und Füßen und fiel polternd hinunter. Da sie einzeln die Wand erklommen, nahmen sie keinen Schaden. Oben angelangt erkannte sie einen schmalen Felsgrat der nach vorne über eine natürlich flache Felsbrüstung verfügte, die zwei der Soldaten mit weiteren größeren Felsstücken zu erhöhen versuchten. Dort wo sie auf den schmalen Grat aufgestiegen waren lag eine große Anzahl kopfgroßer Felsen.

Als Ardo an die Felsbrüstung trat erkannte er sofort, dass dieser Platz einen hervorragenden Überblick über die vorgelagerte Senke bot. Mit der künstlichen Erhöhung der natürlichen Brüstung, waren die Schützen von hier aus sicherlich ähnlich effektiv wie von der Wehrmauer einer Burg. Mechthild trat neben ihn und schien ähnliche Gedanken zu haben.

„Die Aussicht ist ja fast wie bei uns auf der Kressenburg“, meinte die Knappin verblüfft. Tatsächlich war auch die namensgebende Stammburg der Barone von Kressenburg als Höhenburg an einem Abhang erbaut worden.

„So ist es. Es ist eigentlich sträflich, dass so eine Position nicht dauerhaft besetzt ist. Aber das wird wohl mit den anderen Problemen der Mark zusammenhängen.“ Ardo sah fragend zu Urion, der zustimmend nickte.

„Ich muss sagen, das diese Stellung auch schon von den Vorgängern benutzt wurde, aber das schadet nicht,“ meinte Urion. „Sie ist schwer zugänglich, wie ihr bemerkt habt, aber eben auch schlecht und umständlich zu räumen. Sollten es die Orks wagen, hier herauf zu steigen, was wie ihr selbst gerade erlebt habt, nicht ganz ohne ist, lösen die Soldaten zusätzlich einen Steinschlag aus. Ich habe bereits darüber nachgedacht, diese Plattformen zu erweitern, so dass sie einer längeren Belagerung standhalten könnten, aber auch dafür fehlen Zeit, Männer und Mittel. Was den Zugang angeht, lasse ich gerade von ein paar Grenzjägern die Möglichkeit prüfen, den Felsen mit Seilen bis zum Plateau zu erklimmen und etwaige Eingeschlossene so bei Nacht rausholen zu können. Der Gebirgskampf ist im Übrigen kein Bestandteil der üblichen Manöver, aber da muss ich mir noch was überlegen. Mit guten Leuten und der Unterstützung von so manchen ortskundigen Gebirgsbauern könnte man den Schwarzpelzen schon im Gebirge massiven Schaden zufügen oder zum Beispiel Pässe zeitlich begrenzt unbegehbar machen.“

„Den Schwarzpelz hier abzufangen und aufzuhalten würde natürlich voraussetzen, dass er überhaupt schon so früh entdeckt wird.“ Nachdenklich rieb sich Ardo über das Kinn. „Wie du schon sagtest, es fehlen die Mittel um die Pässe dauerhaft zu besetzen und die Manöver der Grenzreiter sind schlicht kein ausreichender Ersatz für befestigte Wehrtürme. Die andere Frage ist: Leben hier oben eigentlich noch Bergbauern? Ich weiß, dass unsere Keilholtzer Stammburg in Nebelstein mitten im Finsterkamm nahe an einem Pass gelegen ist. Die Hirten und Jäger dort haben schon manchen streunenden Ork erwischt oder gemeldet. Aber wo sind hier die nächsten Weiden? Zwischen dem Wachturm am Passausgang im Tal und dem Pass hier liegt nur Wald und wir sind nirgends auf Menschen gestoßen.“

„In dieser Gegend gibt es nur ganz wenige Waldbauern auf kleinen Rodungen abseits der Wege, hier steht nur der alte Wachtturm, aber bei den größeren Pässen weiter südlich und denen im Norden gibt es immer wieder abgelegene Seitentäler, in denen Wald- und Gebirgsbauern ihr karges Dasein fristen. Im Lichthag gibt es manche Barone, die nicht einmal von deren Existenz wissen. Ein adäquater Ersatz für ausgebildete Soldaten sind diese Leute sicherlich nicht, aber während der Zeit der Finstermark haben viele im Untergrund Widerstand geleistet und mit einigem Erfolg. Die Methoden waren dabei nicht immer ganz rondragefällig, aber was soll ein einfacher Jäger, Fallensteller oder Gebirgsbauer schon gegen eine Übermacht an Schwarzpelzen ausrichten? Und wenn ich dich erinnern darf, waren auch eine Anzahl von Freischärlern und Partisanen an der Befreiung Greifenfurts beteiligt. Auch sie haben einen hohen Blutzoll für die Mark bezahlt. Ich bin fest davon überzeugt, dass solche Leute gut geeignet wären, um z.B. Gerölllawinen auf Nachschubkarawanen der Schwarzpelze loszutreten. Aber jetzt lasst uns mal wieder runter klettern, dann können wir uns noch die frontalen Stellungen anschauen.“

Urion ging wieder voran und nachdem alle unten waren, begaben sie sich zu den Soldaten, die bereist mit Spaten und Hacken dabei waren einen Erdwall aufzuwerfen, der zusätzlich mit herumliegenden großen Felssteinen verstärkt wurde. Da das Praiosmal jetzt vollends aufgegangen war und seine ersten Strahlen die angenehme Kühle der Bergluft wärmte, stand den Soldaten bereits der Schweiß auf der Stirn. Auch der Korporal der Lanze und der Bannerträger Fähnrich Eberhelm von Ährenfeld packten mit an. Die beiden Unteroffiziere waren damit beschäftigt mit Handäxten armdicke Holzstangen anzuspitzen, die sie dann dem Pass zugewandt in den Erdwall trieben. Nur dort, wo der kleine Bach floss starrte noch eine Lücke in der Verteidigungslinie. Hier waren aber bereits zwei Soldaten damit beschäftigt, ein starkes Holzgerüst zu bauen, welches einem Ansturm standhalten sollte.

Urion maß die Arbeiten mit zufriedenem Nicken. „Das sieht gut aus. Bis jetzt ist der Wall nur einen Schritt hoch, aber das ändert sich im Laufe des Tages noch und wenn sie fertig sind, haben sie durchaus eine guten Chance gegen den zu erwartenden überlegenen Feind.“

Ardo sah den effektiven Arbeiten mit Freude zu und war fast versucht selbst Hand anzulegen. Diese Aufgaben im Feld fehlten ihm in der heimatlichen Baronie zuweilen und waren mit ein Grund für seine häufigen Reisen.

Ganz anders schien es dem Leutnant von Bärwitz zu gehen. Der befehlshabende Offizier hatte eine strenge Miene aufgesetzt und ritt nun zwischen seinen Soldaten herum. Ab und an fand er ein Wort des Lobes oder der Kritik, im Großen und Ganzen hielt er sich aber von der Schanzarbeit fern. Mit einem Stirnrunzeln wies der Keilholtzer Urion und die anderen Beobachter darauf hin. „Wenn er sich schon nicht die Uniform verdrecken möchte, könnte er wenigstens ein paar Mann nehmen und nach vorne und hinten absichern. So lange noch alle bei den den Schanzarbeiten sind, ist die Einheit sehr verwundbar. Außerdem soll es laut Einsatzbesprechung eine Ablösung geben. Es sollte für den Leutnant wichtig sein zu erfahren, ob diese bereits in der Nähe ist.“

„Die Ablösung in Form des Infantrieregimentes kommt frühestens in ein bis zwei Tagen. Das hätte noch Zeit. Mir gefällt auch nicht, dass der Leutnant nicht mit anpackt, Ardo, schließlich würde auch er auf der Schanze kämpfen müssen. Wenn er schon seinem Stellvertreter die Aufklärung überlassen hat und sich selbst nicht schmutzig machen will, hätte er jetzt zumindest die Erkundung der Option Gegenangriff übernehmen sollen“, erklärte Urion.

Mechthild hatte unterdessen weiter in Richtung des Passausgangs gespäht. Auch wenn sie wusste, dass es sich hier nur um eine Übung handelte, machten die ernsthaften Soldaten und ihre jugendliche Phantasie die Szenerie sehr lebendig. Jeden Moment erwartete sie, dass schwarzbepelzte Horden durch die Senke auf sie zu stürmen würden. So war sie die Erste, die die zurückkehrende Vorhut entdeckte. Mit einem aufgeregten Ruf machte die Knappin ihren Schwertvater und die anderen darauf aufmerksam.

Urion hatte die Annäherung der Gefechtsaufklärung nicht bemerkt, weil er mit dem Rücken zum Tal gestanden hatte und drehte sich langsam um. Doch jetzt erkannte auch er die Soldaten des Weibels. In Halbgruppen, sich gegenseitig mit Ihren Reiterbögen immer wieder Deckung gebend, wichen sie bis zum gegenüberliegenden Rand der Senke aus. Die Posten auf den Bergflanken hatten die Ankunft bereits gemeldet und Leutnant von Bärwitz begab sich auf die Schanze in unmittelbarer Nähe der Beobachter, um ebenfalls das Ausweichen zu überwachen.

„Jetzt hat der Weibel erkannt, dass ein weiteres überschlagendes Ausweichen unmöglich wird, „ kommentierte Urion die kurze Unterbrechung, “er muss sich jetzt schnell entscheiden, sich komplett vom Feind zu lösen. Würden ihm tatsächlich Schwarzpelze im Nacken sitzen, fiele ihm dies bestimmt leichter, aber von Jungingen ist ein alter Hase. Ich vermute er erklärt jetzt gerade seinen Leuten, warum sie gleich schnellstmöglich und in einem Zuge die Senke durchqueren müssen.“

Und Urion täuschte sich nicht. Kaum hatte er die letzten Worte ausgesprochen kam wieder Bewegung in die Truppe. Mit erhobenen und gespannten Bögen und zügig rückwärts gehend, begannen die Soldaten der Vorhut die Durchquerung der Senke.

Mechthild sah, dass die Frauen und Männer sich sehr genau auf die Anweisungen des Weibels konzentrierten und erkannte wie ungeheuer wichtig die Disziplin einer Truppe in einem solchen Moment war.

Als die Truppe die Senke zu zwei Dritteln durchquert hatte, ertönte ein leises Pfeifen von den Bergflanken. Dies war das Signal, dass der Trupp jetzt mit Unterstützung durch die Bogenschützen rechnen konnte. Dennoch behielt der Trupp Formation, Richtung und Geschwindigkeit bei, bis die Soldaten nach und nach durch die kleine Lücke in die Schanze eingesickert war.

Urion nickte zufrieden: 'Die Soldaten hatten ihre Aufgabe gut gemacht.'

Weibel von Jungingen gab den Soldaten den Befehl bei der Schanzarbeit zu unterstützen, während er Meldung machen würde. Die Soldaten lösten die Sehnen von den Bögen und wandten sich zu ihren Kameraden, die kurzzeitig die Arbeit eingestellt hatten, um ebenfalls das Ausweichen zu verfolgen. Sie reichten Ihre Kameraden einige Feldflaschen bevor sie gemeinsam wieder an die Arbeit gingen.

Weibel von Jungingen kam auf die Gruppe zu und nahm vor dem Leutnant Haltung an. „Herr Leutnant, melde ich gehorsamst zurück. Wir sind bis auf das erste Plateau gekommen, konnten aber noch keinen Feind ausmachen. Wir konnten erkennen, dass in den ganz hohen Lagen bereist der erste Schneefall eingesetzt hat. Der Pfad dort oben wird sehr schwer gangbar sein. Gerölllawinen sind beiderseits zu Tal gegangen. Ich vermute nicht, dass über diesem Weg größere Einheiten kommen werden, allerdings müssen wir auch mit einem gewagten Manöver der Schwarzpelze rechnen. Bewegungen bei Dunkelheit sind dort oben nicht möglich, so dass ich vorschlage gleich beim Morgengrauen erneut einen Spähtrupp anzusetzen.“

„Danke Weibel von Jungingen, der Vorschlag ist angenommen, dennoch lasse ich auch für die Nacht einen Zweierposten als Vorposten ausliegen. Sicher ist sicher. Was eure Befehle angeht, macht ihr Euch in einer halben Stunde bereit einen berittenen Erkundungstrupp in das hinter uns liegenden Gebiet zu führen. Ich möchte, dass ihr genau erkundet wie der Gegenangriff aus einer Umklammerung heraus geführt werden kann, wenn die Ablösung eingetroffen ist. Wir können davon ausgehen, dass sich die Infanterie hier am Bach angelehnt aufstellt, dass bedeutet, dass unser Angriff in die linke Flanke der Schwarzpelze zielen wird. Ihr habt bis zur Dämmerung Zeit, die genauen Routen und Räume zu erkunden. Und denkt dran, wir müssen auch nachts verlegen können. Und gebt Befehl, das die Truppe im Wechsel verpflegen soll, ich möchte keinen Verzögerungen beim Schanzen. Wegtreten!“

Der Weibel nahm wieder Haltung an, grüßte und wandte sich ab.

Urion bat seine Gäste ihm zu folgen, während der Leutnant sich zu seinem Pferd begab. Sie gingen hinter dem Weibel her, der mit zwei Handzeichen die Korporale und seine Lanze zu sich befahl. Er wies auf eine kleine Baumgruppe in dessen Schatten sich die Gerufenen sammelten. Den Korporalen gab er den Befehl des Leutnants weiter und als diese sich wieder entfernt hatten, informierte er sein Soldaten über den nächsten Auftrag. Zunächst lobte er sie für die gelöste Aufgabe und erklärte dann, worum es bei der folgenden Erkundung gehe und was die Aufgaben eines jeden einzelnen war.

Nach der Befehlsausgabe wandte sich Urion an die Gäste: „Nun lassen wir sie in Ruhe verpflegen und sich vorbereiten. Auch wir müssen noch etwas zu Beißen bekommen und dann rasch unsere Pferde bereit machen. Statt weiter beim Schanzen zuzuschauen, würde ich viel lieber eine kleinen Erkundungsritt machen.“

Mechthild war ohne Mühe anzusehen, dass sie von Urions Vorschlägen begeistert war. Essen konnte die Heranwachsende sowieso jederzeit und je mehr Zeit sie mit und auf einem Pferd verbringen konnte, desto erfüllter war ihr Tag. Geschwind lief sie zu ihren Tieren um das verspätete Frühstück für die Gäste aus den Satteltaschen zu holen.