Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Vom rechten Einsatz der Mittel

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Breitenau

In der Baronie Donfanger

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae

Es war ein rasanter Ritt bei dem Mechthild mehrfach einen Freudenschrei unterdrücken musste. Das schnelle kräftige Pferd unter ihr und der Wind der ihre blonden Zöpfe fliegen ließ, ließen sie innerlich jauchzen. Wären sie jetzt in Kressenburg gewesen, hätte sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Doch hier in der Gefechtssituation und in Gesellschaft des Rittmeisters, des Rondra-Geweihten und seines Novizen, wollte sie sich diese Blöße nicht geben und genoss den Ritt im Stillen.

Nach ungefähr einer halben Stunde erreichten sie die Ausläufer des Gebirges und Urion verringerte das Tempo. Gen Efferd konnten sie die Umrisse des Wachturms sehen, während vor ihnen der tiefe Einschnitt des Gebirges erstreckte. Schließlich erreichten sie den kleinen Bach, der aus dem Tal heraus floss und den Biwakplatz streifte. Die Natur war nun vollends erwacht. Überall zwitscherten die Vögel und das muntere Plätschern des Baches begleitete sie. Dann hob Urion die Hand und lenkte ANTLITZ von dem Pfad herunter, der weiter in Richtung des Tales verlief. Er führte sie auf eine kleine Hügelkuppen von wo aus sie einen atemberaubenden Blick über das vor ihnen liegende Gebirge und den Pfad hatten. Urion wies auf das Gelände voraus.

„Es dürfte ungefähr noch eine halbe Stunde dauern, bis die Vorhut eintrifft und erste Sicherungstellungen bezieht. Das ist kein einfacher Auftrag, den der Leutnant hat. Versetzt euch mal in seine Situation. Er soll mit nur dreißig Mann gegen eine erdrückende Übermacht kämpfen. Aber die Schlacht am Nebelstein hat gezeigt, dass bei guter Ausnutzung des Geländes, damit meine ich die engste Stelle am unteren Passausgang, und Tapferkeit, die Erfüllung einer solche Aufgabe nicht unmöglich ist.“

Ardo berührte die bronzene Anstecknadel in der Form eines Keilers die auch Urions Brust zierte und gedachte den in dieser Schlacht gefallenen Rittern zu deren Ehren Fürst Blasius diese Auszeichnung gestiftet hatte. „Hier also kann man mit wenigen Soldaten viel erreichen. Wie genau wäre die beste Vorgehensweise? Immerhin hat die Schwadron keine Sollstärke und wird ihre Kräfte trotz des Geländevorteils gut einteilen müssen.“

„Die anderen Schwadronen vorher haben auch diese Aufgabe bekommen und dieser Pass ist eigentlich für eine Übung bestens geeignet. Er verfügt an den Seiten über zerklüfftete Hänge, die nur von Süden her begehbar sind. Dort setzt man am besten seine Bogenschützen hin. Für das feindliche Auge sind sie bei entsprechender Tarnung nicht erkennbar und er ist schnell in deren Reichweite. Ein weitere Vorteil ist die kleine Senke aus der der Passweg nochmal leicht aufsteigt. Die Enge gilt es so zu verstärken, dass sie von wenigen gehalten werden kann.“

Der Baron folgte den Ausführungen und erkannte auf die Fingerzeige des Rittmeisters hin auch jene Verteidigungsstellungen, die es zu besetzen galt. „Warum gibt es hier auf dem Pass eigentlich keinen Turm oder wenigsten eine Palisadenmauer. Direkt hier am Pass würde beides doch viel mehr Sinn machen als unten im Tal. Dann bräuchte man den Ork nicht auf Greifenfurter Gebiet jagen, sondern könnte ihn direkt hier abwehren bevor er auch nur einen dreckigen Fuß auf Greifenfurter Boden gesetzt hat.“

„Bei meinen Planungen zur Wacht am Finsterkamm habe ich vorgeschlagen, genau an diesen Stellen Befestigungen zu errichten, aber das wurde mir abgelehnt, weil es zu teuer geworden wäre. Die alten Wachttürme gab es ja schon. Nun, da ich hier die vorerst letzte Schwadron der Grenzreiter ausbilde, kann ich mit deren Arbeitskraft zumindest eine provisorische Befestigung bauen, bevor sie in die Abschlussübung geht. Die Befestigung übergebe ich dann dem Wachtritter. Das macht ihm vielleicht das Leben ein wenig einfacher, auch wenn hier im Finsterkamm nach einem Winter schon wieder alles dahin sein kann, bedenkt allein die Schneeschmelze jedes Frühjahr.“

„Da gebe ich dir Recht. Ein einfacher oder mit Bruchsteinen verstärkter Palisadenzaun, wie die Grenzreiter ihn hier errichten könnten, wird sicherlich nicht länger als einen oder zwei Winter wehrhaft bleiben. Vielleicht sollte man in der Kanzlei doch noch einmal mit Nachdruck empfehlen diese Stellung hier ebenso wie auf den anderen Pässen dauerhaft zu verstärken und zu besetzen. Der Wachtritter und seine Leute wären hier oben nützlicher als am Fuß der Berge, wo die eingefallenen Horden sie schon wieder umgangen haben könnten.“

Wie Urion vermutet hatte kamen kurze Zeit später die ersten Reiter der Vorhut aus dem Wald. Sie ritten zügig den Pfad entlang und erreichten den Eingang des Passweges. Dort gab der Korporal das Zeichen zum Absitzen und die Grenzer verteilten sich auf die ganze Breite des Einschnittes. Ardo konnte beobachten wie die Soldaten ihre Reiterbögen schussbereit machten und sich Schutz hinter Stein und Geröll suchten.

Urion lenkte sein Pferd zum Ausgang der Schlucht, damit die Gäste die nun folgenden Geschehnisse aus der Nähe mitverfolgen konnten.

Der Korporal lenkte sein Pferd etwa hundert Schritt den Pfad hinein in die Senke und sah sich prüfend um. Dann kam er zurück und ging die Stellungen seiner Soldaten ab. „Gut Männer, dass hier ist die vorerst beste Stellung, die wir kriegen können. Also baut euch ein wenig die Deckung aus.“

Er wies auf einen Soldaten nahebei. „Melder, sofort zurück zum Kommandanten. Passausgang ist feindfrei, keine Auffälligkeiten, Sicherungsstellungen bezogen, ich erkunde jetzt die Verteidigungsstellungen.“

Während die Grenzer fortfuhren, ihre Stellungen provisorisch auszubauen, machte sich der Korporal ein genaues Bild des Talausganges. Er erklomm mit einiger Mühe auf beiden Seiten die Bergflanken. Prüfend beobachtete er dabei rundum und hob den Arm dabei mehrfach auf Augenhöhe. Ardo und Mechthild sahen ihm verwundert zu. Die Knappin legte sogar probeweise ebenfalls die Hand an die Stirn, auch wenn dies keinen Sinn machte, da sie die aufgehende Praiosscheibe schräg im Rücken hatten.

Urion nickte indes zufrieden: „Der Korporal ist auch ein alter Hase, er prüft gerade die Reichweite der Bogenschützen aus einer erhöhten Stellung. Haltet mal eure Hände flach in die Nasenwurzel. Alles was ihr dann unterhalb der Hand sehen könnt, ist in Reichweite eines Reiterbogens. Das ist eine sehr nützliche Erkenntnis, hilft sie zum Beispiel auch dabei festzustellen, wie breit ein Gewässer ist. Man senkt einfach die Hand ab bis der gegenüberliegende Ufersaum gerade noch zu sehen ist. Dann dreht man sich vorsichtig, damit die Hand nicht verruckt zur Seite. Dann geht ein zweiter Soldat einfach soweit weg bis seine Stiefel nicht mehr im Sichtfeld sind. Dann kann man die Strecke messen. Was den Bogen angeht, könnte man natürlich auch einen Probeschuss abgeben, aber das ist nicht in allen Situationen möglich und verschwendet einen guten Pfeil. Ferner wird mit dieser Methode eine Entfernung ermittelt, die fast alle Schützen erreichen, so dass der Kommandant davon ausgehen kann, dass er ab dort Salven schießen kann die auch treffen. Ardo, wenn du deine Landwehr ausbildest und ein paar Bogenschützen dabei hast, dann lass sie in den Übungen austesten. Am Besten lässt du sie auf einem ebenen Feld nebeneinander antreten und jeweils 20 Schuss in schneller Folge auf die größte Entfernung abfeuern. Durch den Abschuss in schneller Folge erreichst du, dass die Schützen an Kraft verlieren, wie es im Gefecht ja auch sein wird. Dann ermittelst du die Entfernung zur Hälfte der Pfeile. Hier liegt dann deine Kommandomarke. Wenn es die Zeit nicht erlaubt eine Schussmarke zu platzieren, muss du dir die Stelle anhand eines Geländepunktes merken. Dann lässt du deinen schwächsten Schützen einen Geradeausschuss machen. So ermittelst du den Schusskorridor, in dem die Bogenschützen die größte Wirkung erzielen. Marschall Haffax nannte es in einer seiner frühen Wehrheimer Schriften die Todeszone. Danach hat er es in allen Abwehrschlachten des Reiches bewiesen.“

Ardo nickte verstehend, hob nun seinerseits probeweise die Hand über die Nase und sah den Pass hinunter, wie es der Korporal getan hatte. „Ich gebe zu, auf diese Weise haben wir in Kressenburg noch nicht mit der Landwehr gearbeitet. Es wird sicherlich nützlich sein, wenn die Landwehrübungen im neuen Jahr beginnen. Ich werde diesen Hinweis auch an Junker Balduin weiterleiten. Die Familien seiner erfahrenen Jäger und Forstwächter stellen traditionell das Kressenburger Schützenkontingent.“

„Dann sag ihm aber auch, dass er das Verfahren natürlich für die jeweilige Waffe stets neu anwenden muss.“

„Ich werde es beherzigen und Balduin sicherlich auch. Er ist ein alter Hase was die Wälder angeht, aber sicherlich noch nicht zu alt um Neues zu lernen.“

Urion schmunzelte. Während ihres Gespräches hatte der Rest der Schwadron den Pass erreicht. Sie saßen zügig ab und bezogen ebenso Sicherungsstellungen, mit deren Ausbau sie sofort begannen. Die letzte Lanze übernahm zunächst die Pferde der beiden ersten und führte sie zurück in Deckung und außer Sicht. Die Beobachter konnten erkennen, dass Leutnant von Bärwitz sich während dessen aufgesessen bei den schanzenden Soldaten aufhielt.

Der junge Korporal kehrte von seiner Erkundung zurück und machte dem Leutnant Meldung. Dieser nickte und gab seinem Bannerträger eine Anweisung. Sie ritten etwa 25 Schritt zurück hinter die Stellungen und saßen dort ab. Der Bannerträger übernahm die Zügel der Pferde, während der Leutnant sich daran machte, im Wald zu verschwinden. Kurze Zeit später kam die letzte Lanze zu Fuß aus dem Gehölz. Nahezu jeder der Soldaten war jetzt zusätzlich mit einem Reiterbogen bewaffnet. Unter der Führung von Weibel von Jungingen marschierten sie in Richtung des Talausganges, wohl um ihren Spähtrupp zu beginnen.

Der Schwadronskommandant folgte dem Trupp bis zum Talausgang und besprach sich noch mit dem Weibel. Danach ging er zurück, saß auf und ritt die Stellungen der Schwadron ab.

Der Rittmeister und seine Gäste konnten aus ihrer erhöhten Position jetzt den Vormarsch des Spähtrupps verfolgen. Ardo wandte sich an Urion und deutete auf die Sohle der Senke hinab die der Spähtrupp gerade erreichte.

„Bis dorthin wäre ein anstürmender Feind im Vorteil. Die Vorposten müssten sich bergab zurückziehen und kämen erst ab dort in den Vorteil der erhöhten Position. Man sollte also darauf achten, ein Abwehrgefecht nicht schon auf der anderen Seite der Senke zu beginnen wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.“

Urion nickte: „Sie wären da auch noch nicht in Reichweite unserer Bögen, so dass sie die Senke ohne Feuerunterstützung durchqueren müssten. Deine Schlussfolgerung ist richtig, Ardo. Wenn der Weibel drüben aber schon in ein Gefecht verwickelt wird, wovon auszugehen ist, um Zeit zu gewinnen, dann bleibt ihm keine anderen Wahl, als sich frühzeitig vom Feind zu lösen und die Senke in einem Zuge zu überwinden.“

Die Soldaten bewegten sich vorsichtig aber dennoch recht zügig voran. Das geschulte Auge konnte erkennen, dass die Soldaten im Schatten des Berges Schutz vor Aufklärung suchten. Auch hatten sie noch keine Tarnung angelegt, was Urion zu einer Bemerkung veranlasste.

„Ich gehe davon aus, dass der Weibel sich zunächst ein Bild vom vor ihm liegenden Gelände machen will, bevor er die Tarnung befiehlt. Um der Schnelligkeit halber würde ich auf eine aufwendige Tarnung verzichten und mich mit den Überwürfen zufrieden geben. Ich gehe davon aus, das der Auftrag für den Spähtrupp lautet, an einer geeigneten Stelle einen Feldposten zu beziehen, um frühzeitig den Feind zu erkennen, zu melden und dann je nach Situation zügig oder kämpfend auszuweichen. Im Feldposten kann man dann die Tarnung noch weiter verbessern.“