Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Wehrheimer Lehren

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Breitenau

Markgräflicher Marstall in der Baronie Hexenhain

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae

„So jetzt aber zu den Zinnfiguren“, meinte Urion, „erzähl doch mal, was es mit diesen Figuren auf sich hat.“

„Das Besondere an ihnen sind die vielen Feinheiten die die Zwerge ihnen mitgeben. Natürlich kommt jede Figur aus der selben Gussform, aber am Ende müssen immer Grate abgeschliffen und Kanten geglättet werden. Da kommt die wahre Kunst zum Tragen. Kaiser Reto ist nicht gleich Kaiser Reto, jeder Sammler erhält somit ein wirklich einzigartiges Stück. Wie bereits erwähnt, haben wir zur Zeit gut und gerne drei Dutzend Persönlichkeiten, deren Abbilder jederzeit geliefert werden können. Dazu kommen noch ein paar Ritter- und Soldatenfiguren. Aber es ist auch jederzeit möglich nach einer Vorlage Sonderanfertigungen zu produzieren. Im letzten Winter hatte ich beispielsweise einen garetischen Junker zu Gast, der unglaublich erbost war, dass er in unserem Sortiment nicht zu den großen Persönlichkeiten des Reiches gezählt wird und ließ sich eine Figur nach seinem Bilde anfertigen, um seine in Gareth gekaufte Sammlung zu komplettieren. Aber ich glaube nicht, dass dich dieser Ehrgeiz plagt Urion. Was also hast du mit den Zinnfiguren vor?“

„Ich möchte eine größere Sammlung von Figuren für die taktische Schulung der Schwadrone. Ich denke, dass die Figuren dabei helfen könnten, dass sowohl die Kommandanten als auch jeder einzelne Soldat sich besser vorstellen kann, wie und warum er etwas tut. Es ist typisch für die Reichsarmee die Truppenkontigente auf den großen strategischen Karten durch unterschiedlich große Holzklötze die verschiedenen Truppenteile darzustellen. Glaub mir, die Hälfte der Haffax'schen Genialität beruht auf einer sauberen Kenntnis der Lage, Stärke und Verfügbarkeit seiner „Bauklötze“. Deshalb denke ich, dass auf der taktischen Ebene genauer ins Detail gegangen werden muss. Ich gebe mal ein Beispiel für eine Schulung.“

Urion nahm einige leere Schnapsbecher vom Kaminsims und platzierte sie auf dem Tisch, „Ein Orkhinterhalt, hier und hier Bogenschützen, hier der Champion, einige Krieger und hier die Plänkler, dort die Nachhut zum Schließen der Falle. In der Mitte du mit deinen Getreuen. Jetzt bekommst du den Auftrag, aus diesem Hinterhalt auszubrechen und die notwendigen Befehle zu geben. Um den Soldaten ein möglichst gutes und verständliches Bild der Lage zu vermitteln wäre es gut, wenn aus dem Schnapsbecherbogenschützenork ein richtiger würde. Jeder könnte sich besser in die eigene Lage hinein versetzen. Ich würde gerne mal ausprobieren, ob diese Art von Schulung etwas für die Truppe bringt. Schließlich verlieren wir mehr Frauen und Männer durch die falschen Entschlüsse, als durch mangelnden Mut und Kampfkraft. Und das können gerade wir in der Mark uns nicht leisten. Was meinst du? Zum Konzept und zu Machbarkeit von so verschieden detaillierten Figuren?“

Ardo hatte Urions Ausführungen aufmerksam zugehört und strich sich nun nachdenklich durch die Haare, während er weiter auf die leeren Schnapsbecher schaute.

„Was die Anschaulichkeit angeht, da gebe ich dir ohne jede Einschränkung recht. Zwar habe ich nicht in Wehrheim studiert, aber selbst ein einfacher Haukerl hat Arme und einen Kopf, um den Rekruten zu verdeutlichen wie und wo sie hinzuschlagen haben. Außerdem fällt es immer leichter sich etwas vorzustellen, wenn man es bildlich vor Augen hat. Deswegen lasse ich meine Zwergenschmiede auch gerne Zeichnungen anfertigen wenn sie mir wieder mit einem neuen komplizierten Mechanismus kommen.“

„Die Herstellung sollte sowieso kein kein Problem darstellen. Orks mit Bögen, Orks mit Schwertern und Lanzen, vielleicht gar auf ihren Ponys oder mit ihren Bluthunden. Ich bin mir sicher, dass einige meiner Schmiede genug erlebt haben, um die Formen für die Schwarzpelze aus dem Gedächtnis zu formen. Grenzjäger oder Landwehr sind sogar noch einfacher, da kann man die bisherigen Formen für Ritter und Soldaten als Vorlage nehmen und anpassen. Die Frage ist die Lieferzeit. Vor dem Jahreswechsel wird das nichts mehr werden, selbst wenn ich der Bestellung Priorität einräume. Die Formen brauchen etwas Zeit und zudem läuft gerade massiv die Produktion der Kaiser-Kollektion. Alles was gerade hergestellt wird, ist im Prinzip schon verkauft und meine Zwischenhändler rechnen mit weiteren enormen Absatzmöglichkeiten zum anstehenden Thronjubiläum Rohajas. Wenn du bis Ende Praios warten kannst, verspreche ich dir jedoch die originalgetreuesten Orkfiguren, die du je gesehen hast.“

„Ich werde auch überlegen, ob ich nicht ein paar Exemplare mit zu den Landwehrübungen nehme. Zwar werde ich den Bauern kaum genügend taktisches Verständnis einbleuen können, dass sie solche Hinterhalte verstehen, ob nun mit Schnapsgläsern oder mit Zinnfiguren. Aber die Unteroffiziere werde ich mir ranholen und ein paar Lektionen weitergeben. Wahrscheinlich werde ich auch noch einen Abgänger der märkischen Kriegerschule als Adjudanten anfordern. Ich halte mich zwar für kompetent was die Taktik bei einem Lanzenangriff zu Pferde angeht und den Drill der Soldatenzeit kenne ich auch noch gut genug. Aber die Feinheiten des Formationskampfes zu Fuss gehen mir dann doch ab. Ich will mir am Ende nicht vorwerfen lassen meinen Leuten nicht die bestmögliche Ausbildung gegeben zu haben.“

Urion drehte drei der Schnapsbecher um, nahm eine kleine Flasche vom Tisch und füllte eine klare Flüssigkiet ein. „Hesindelburger Birnenbrand, überaus schmackhaft.“

„Es eilt überhaupt nicht, Ardo. Lass deinen Leuten Zeit. Wenn du das mit den Zinnfiguren mal ausprobieren möchtest, dann mach das und berichte mir von deinen Erfahrungen. Du hast recht, die gewöhnlichen Bauern der Landwehr wären wahrscheinlich überfordert, aber die Weibel und Krieger dürften zumindest genug Übersicht haben. Und wie gesagt, es soll vor allem die Führer schulen. Meine Überlegungen gingen dahin, unsere Grenzreiter auszubilden und da kann ich selbst vom einfachen Reiter ein gewisses taktisches Verständnis erwarten. Und wenn es soweit ist, dann bläue diesen hirnlosen Bauern bitte auf jeden Fall eines ein. Einen Kavallerieangriff überlebts du nicht, wenn du wegläufst. Das Pferd ist immer schneller. Mit den Sensen und Piken einen großen Kreis bilden und verhindern, dass man umgeritten wird.“

„Ich werde daran denken. Eine anständige Pikenformation aufzustellen ist neben dem Bogen noch immer die Hauptaufgabe der Landwehr. Meine Kressenburger werden vor allem Schützen stellen. Davon haben wir viele Geübte, denn in Kressenburg sind Schießübungen an Markttagen seit jeher Brauch. Zudem nennt fast jeder Bauer einen Bogen sein Eigen um Hasen und Geflügeldiebe auf seinen Feldern zu jagen. Ich hoffen nur, dass mir die anderen Barone nicht unbedingt die Begriffstutzigsten schicken. Es wird schwer genug ihnen begreiflich zu machen, dass sie mit der Pike nicht so umgehen können wie mit einer Hacke beim Unkraut jäten.“

„Ich vermute, dass Gerbald den Auftrag bekommt, die Landwehren der westlichen Baronien auszubilden. Ich habe ja mit den Grenzreitern genug zu tun. Gerbald hebt sicherlich die normalen Fußtruppen mit Sense und Piken aus. Aber wenn die Hand voll Armbruster heile von der Grenzwacht zurückkommen, wird er damit bestimmt die Landwehr verstärken. Was die anderen Barone angeht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man immer eine gesunde Mischung bekommt. Die Begriffsstutzigen musst du nur richtig einsetzen, da fällt dir bestimmt was ein.“ Urion grinste. „Aber dass sie dir die Formation sprengen, musst du auf jeden Fall verhindern.“

„Bezüglich der Figuren würde ich Folgendes vorschlagen. Wir brauchen von allem etwas, quasi eine Ork-Kollektion bestehend aus Champion, Schamame, Elitekriegern, Kriegern, Bogenschützen, Kriegshunden und einen Kriegsoger. Bist du schon mal einem begegnet? Da bist du nicht nur als Führer gefordert, deine Leute an den Flucht zu hindern. Wenn dieser Koloss auf dich zukommt hast du besser ein gutes Pferd unter dir und eine stabile Lanze. Im Fußkampf ist die Chance praktisch null, es sei denn, die Formation hält und du hast genug Bogenschützen. Meine erste und einzige Begegnung mit solch einem Ungetüm kostete mich mein Schlachtross. Ich habe ihn frontal angeritten und die Lanze in der Nähe des Herzen platziert. Dennoch hatte der Riese genügend Kraft, um mein Pferd einfach weg zu fegen, bevor er starb. Dass mir bei diesem Sturz nicht passiert ist, grenzt an eine Wunder. Die Flanke des Pferdes hingegen war aufgerissen und es ist, noch bevor ich wieder bei Bewusstsein war, verblutet. Und dennoch bleibt mir kaum etwas anderes übrig als die Lanzenattacke.“

„Und darauf vertrauen, dass Rondra deine Lanze führt. Ein wahrlich fürchteinflößender Gegner.“

„Ja, und wo ich gerade dabei bin mir Kollektionen auszudenken, würde ich auch gerne eine kleine Figurensammlung für die Kinder vorschlagen. Neben den Helden des Reiches natürlich auch die Schurken und normale Kriegsleute, den ein oder anderen Magier vielleicht. Die kann ich auch als Sonderbestellung nur für die meinen in Auftrag geben, sollte sich kein Markt dafür finden. Was meinst du?“

„Das meiste was du für die Kinder haben möchtest ist vorrätig. Helden, Ritter, Soldaten. Magier und Schurken waren bisher nicht gefragt, aber da wird sich sicherlich was machen lassen, ähnlich wie bei den Orks. Wann hatte dein ältester Tsatag? Anfang Praios wenn ich mich nicht irre? Das bekommen wir hin.“ Mit einem zuversichtlichen Lächeln prostete Ardo dem Rittmeister zu und trank einen Schluck vom Birnenschnaps. „Wenn die Formen dann einmal gefertigt sind, kann ich die Magier und Bösewichte genauso gut mit in die Sammlung aufnehmen, das ist dann einerlei. Je größer die Auswahl, desto schneller kann ich auf Wünsche reagieren und desto zufriedener sind die Kunden.“

„Unser Praiodan vollendet am 6. Praios den dritten Götterlauf. Es wäre schon pfundig, wenn das klappen würde. Der Kleine ist ja jetzt schon ganz vernarrt seinem Onkel und Vetter bei ihren Übungskämpfen zuzuschauen. Natürlich nur, wenn er sich nicht gerade in den Scheunen rumtreibt oder anderen Unfug im Kopf hat. Dann sieh doch mal, ob du eine kleine Kollektion für unseren Filius auf die Reise schicken kannst, Ardo.“ Urion schmunzelte als er zu Renzi herüberschaute „Aber, Phexian soll die Rechnung an das Gut Rosskuppe schicken, wegen der Bücher, weißt du?“

“Und ich habe übrigens meinen Tsatag am gleichen Tag wie Prinz Ulfried Halmdahl von Wertlingen, der Erbe der Mark. Apropos Prinzengeburtstag. Renzi, meine Liebe, könntest du mich daran erinnern, dass ich am 1. Praios schon in aller Frühe das Geschenk des Prinzen nach Greifenfurt bringe. Ich will vermeiden, dass ich noch in den Tagen des Namenlosen reisen muss. Außerdem erfolgt die Übergabe erst am späten Vormittag, so dass noch genügend Zeit bleibt es vorzubereiten. Gleich danach komme ich nach Kressenburg, so dass wir weiter nach Hundsgrab reisen können. Übrigens können wir meinen Tsatag ja mit Ardo und den Garafanis feiern. Auf Burg Pechackern gibt es bestimmt die ein oder andere Möglichkeit einen Humpen zu heben.“

„Das ist eine wunderbare Idee. Das Feiertagsbier können wir gleich aus Kressenburg mitbringen. Immerhin wird auf Burg Pechackern nicht nur dein Tsatag gefeiert werden. Dann können wir wenigstens sicher sein, dass es gutes Zwergisches zum Anstoßen gibt.“