Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Feuerprobe

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Breitenau

Markgräflicher Marstall in der Baronie Hexenhain

Mitte Ingerimm 1033 BF


Dramatis Personae

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Der Keilholtzer beobachtete seine Knappin bei allem ganz genau. Was das Pferd konnte wusste er, doch es war interessant zu sehen, wie weit Mechthild inzwischen gekommen war. Reiten konnte sie, keine Frage. Doch wie sah es mit einem fremden Pferd aus, noch dazu einem ausgebildeten Schlachtross. Es war eine Sache auf dem gemütlichen Warunker durch die Lande zu zuckeln, eine andere dagegen auf einem ihr fremden Greifenfurter Kalten in eine für das Pferd bedrohliche Situation zu reiten.

Urion nahm die Zügel seines Rappen und reichte sie Mechthild. „Dein Schwertvater hat dich das Reiten gelehrt. Du kannst es und es ist eigentlich egal auf welchem Pferd du sitzt.“ Er schmunzelte: „Ich möchte nicht abschätzig klingen, aber ich wette, du sitzt gleich sicherer im Sattel als auf deinem Warunker.“

Als er Mechthild in die Augen blickte sah er, dass das Mädchen seinen Worten nicht gänzlich vertraute. „Also, egal was passiert, bewege dich so, wie du es gelernt hast. Steigt er vorne, beuge dich an seinem Hals vorbei nach vorn steigt er hinten Rücken gerade nach hinten durchdrücken. Steigt er auf allen Vieren einfach locker sitzen bleiben.“

Mechthild wurde bei den Anweisungen flau im Magen. „Herr und wenn er wegen des Feuers durchgeht?“

Urion lachte: „Es wird alles passieren, nur das nicht.“ Spöttisch fügte er hinzu: „Wenn doch, festhalten, Schenkeldruck und zu den Zwölfen beten.“

Die Bemerkung des Rittmeisters beruhigte die Knappin zusehends und sie atmete tief durch. Dann nahm sie allen Mut zusammen und saß auf.

Nachdem der Rittmeister die Steigbügel auf die Beinlänge der jungen Frau angepasst hatte und sie fest im Sattel saß ging Urion zu seinem Vormann und ließ sich eine brennende Fackel geben. Alrik und zwei weitere Knechte nahmen sich ebensolche und begaben sich auf den Platz.

„Nun junge Dame, du musst schon zu uns reiten, wenn ANTLITZ ans Feuer kommen soll.“ rief Urion ihr zu und Mechthild übte, wie sie es gelernt hatte, einen leichten Schenkeldruck auf ANTLITZ linke Flanke aus. Sofort reagierte das Tier und drehte nach Rechts zu den Gattern hin. Dann erhob sich Mechthild kurz im Sattel. Auch dieses Signal setzte das Tier umgehend um und Schritt langsam nach vorn auf die Mitte des Platzes zu.

Mechthilds Bewegungen passten sich denen des Tieres an. Es war für sie ein ganz neues Gefühl diese Einheit mit den Bewegungen ihres Reittieres zu spüren. Außerdem fand sie, dass der breitere Rücken des Streitrosses das feste Sitzen unterstützte. Jetzt verstand sie, dass dies eine wesentliche Voraussetzung war, um eine Kriegslanze oder auch nur eine Reiterlanze ruhig führen zu können. Auch spürte sie die Atmung des Pferdes, welche ruhig und entspannt war. Trotz des scharfen Rittes auf dem Hinweg hatte sich das Tier erstaunlich schnell erholt. Es begann langsam, Mechthild Spaß zu machen, als sie die Mitte des Platzes erreicht hatte. Leicht zog sie die Zügel an und ANTLITZ hielt an. Auch das war ein Unterschied zu ihrem Warunker. Bei ANTLITZ reichte die kleinste Rührung und der Hengst wusste was zu tun war.

Urion stand gute vier Schritt seitlich vor ihr und hielt die Fackel in der Hand. „Nun gut, es zählt Mechthilde. Zunächst werden wir jetzt versuchen, ob dein Ross ganz normal durch die Gassen gehen wird.“

Mechthild gab dem Pferd das Signal, und ANTLITZ umrundete ruhig alle Fackelträger. „Na, das geht ja schon sehr gut“, rief der Rittmeister. „Dann wollen wir mal sehen, was passiert, wenn jemand mit der Fackel vor dem Tier rum fuchtelt, um es zum scheuen zu bringen.“

Der Vormann trat vor und schwang die Fackel, dass es ein sausendes Geräusch machte, doch das Pferd blieb ruhig stehen. Als Alrik an der Flanke des Pferdes vorbei schlug und dabei gefährlich nah an Mechthilds Bein vorbei kam spürte sie die Hitze und zuckte kurz zusammen. Urion hatte die schnelle Bewegung gesehen. „Na, na hat da die Reiterin mehr Angst vorm Feuer als ihr Pferd?“

In Mechthilds Gesicht erschien ein fein Röte, als sie verstand, dass der Reitknecht genau diese Reaktion herbei führen wollte.

„So, tapfere Rittfrau, dann werden wir dich und dein Pferd mal so richtig angreifen und du solltest dir überlegen, wie du dich zu Wehr setzen willst.“

Mechthild wurde wieder mulmig, als sie die Worte vernahm. Sie packte die Zügel fester und raffte sich im Sattel. Ob dieser leichten Bewegung tänzelte ANTLITZ leicht nach rechts, wo ein fackelschwingender Reitknecht auf sie zu kam. Verzweifelt suchte Mechthild nach einer Möglichkeit dem Angriff auszuweichen und trieb das Pferd an. ANTLITZ schnellte vor und wich so der Fackel aus. Sie wendete das Pferd als sie merkte, dass der Raum für einen Sprung nicht ausreichte. Jetzt kamen alle vier Fackelträger auf sie zu. Mechthild wurde klar, dass sie nicht ewig ausweichen konnte und dann kam ihr eine Idee. Und sofort wieder der Zweifel. Würde das Tier ihre Kommandos richtig verstehen und entsprechend reagieren? Naja, vermutlich musste sie es einfach ausprobieren und sich auf das Können des Pferdes verlassen. Sie zog die Zügel ruckartig an und drückte dem Streitross den rechten Schenkel in die Seiten. ANTLITZ reagierte augenblicklich und das Mädchen beugte sich nach vorn. Das Ross stieg und schlug mit dem rechten Huf nach der Fackel in der Hand des Rittmeisters. Als der tellergroße Huf die Fackel traf, konnte Mechthild sehen, wie sie dem Rittmeister aus der Hand geschlagen wurde und zu Boden fiel. In der aufgewühlten Erde erlosch die Fackeln nach kurzer Zeit.

Mit einem leichten Ruck kam das Tier wieder auf die Beine und Mechthild sah, wie die anderen ihre Fackeln senkten.

„Na, bravo Mechthild, hervorragend gelöst. Dein Schwertvater hat dir bereits eine Menge beigebracht. Aber das Wichtigste, nämlich seinen eigenen Kopf zu gebrauchen und sich auf sein Können zu verlassen, stand dabei wohl an erster Stelle“, rief Urion erfreut aus. Dann trat er an seinen Rappen und streichelte ihm sanft über die Nüstern.

Urion bot Mechthild die Hand und half ihr aus dem Sattel. Dann gingen sie zu Ardo herüber, der an der Umzäunung wartete.

„Sehr gut gemacht. Das Kunststück hätte dein Großonkel sehen müssen. Dann wüsste er, dass seine Sorgen um deine Fortschritte unbegründet sind. Ich werde dafür sorgen, dass du bei Gelegenheit ein anständiges Streitross erhältst. Phexian wird einsehen müssen, dass dein Talent an dem zahmen Warunker verschwendet ist.“

Das Lob ihres Schwertvaters ließ Mechthild verlegen zu Boden schauen. So entging ihr das leichte Stirnrunzeln Ardos, der ihre schüchterne Unterwürfigkeit überhaupt nicht zu schätzen wusste. Das Mädchen konnte wirklich schon viel für ihr Alter, nur das rechte Selbstbewusstsein wollte sich nicht einstellen. Immerhin hatte sie bei der Übung gerade richtig und selbstbewusst gehandelt. Eine Greifenfurter Junkerin musste in erster Linie gut kämpfen können, die gestelzten Reden mochte sie getrost den Gareter Hofschranzen überlassen. Trotzdem war der selbstsichere Umgang mit dem gesprochenen Wort keine Schande. Aber Mechthild war jung und er hatte noch Jahre, um ihr all das beizubringen. Vielleicht, so hoffte er, gab sich die Schüchternheit mit dem Alter auch von selbst.

Urion betrachtete das schüchterne Mädchen. „Also, jetzt hör mir mal zu Mechthild, das kannst du deinem Schwertvater gleich mal sagen, dass das kein Kunststück war. Und ich meine mich zu erinnern, dass du eine von Kieselholm bist. Deine Schüchternheit ist vollkommen unangebracht. Du hast eben Mut bewiesen, der einigen deiner Altersgenossen abgeht. Dein Herz ist auf dem rechten Fleck und du hast auf diesem Schlachtross bewiesen, dass man mit dir rechnen kann. Also möchte ich, dass du darauf stolz bist, denn Ardo und ich sind es auch. Wäre ich jetzt noch in Wehrheim, würde ich dir ein lautes und selbstbewusstes ‚Jawoll, Herr Rittmeister’ abverlangen“, aber die Zeiten sind vorbei. Stattdessen ein ‚Kopf hoch! Augen gerade aus und stolz lächeln’.“

„Jawohl, Herr Urion.“ Mit dem gewünschten Lächeln auf den Lippen hob Mechthild das Gesicht und blickte die beiden Männer an. Die halbe Standpauke und halbe Belobigung durch den Rittmeister half ihr sichtlich dabeim die Schultern zu straffen.

Ardo meinte in diesem Monent den Fehler zu erkenne, den er bisher bei ihrer Ausbildung gemacht hatte. Seine Knappin brauchte einfach mehr Zuspruch. Sie war lernwillig und eifrig, aber bisher hatte er sie für die, für einen Ritter selbstverständlichen, Dinge nie gelobt, was dazu geführt hatte, das Mechthild bisher kaum je ein Lob von ihm erhalten hatte. Aber vielleicht war bei ihr gerade das manchmal notwendig um ihr zu zeigen, dass sie auf dem richtigen Weg war.

Mit einem Blick über den Platz und die umliegenden Hügel wand er sich an Urion. „Wie weit reichen eigentlich die Ländereien die zum Marstall gehören? Für so eine Menge Pferde wirst du große Weiden und noch mehr Wiesen für Winterfutter brauchen. Fünfunddreißig Fohlen hast du gesagt? Dazu die beiden älteren Jahrgänge in Ausbildung, die Stuten und Hengste. Das müssen gut und gerne hundertfünfzig Tiere sein. Und die Zucht wird jedes Jahr größer?“

Urion nickte. „133 mit Deinem BOROMIL. Aber bei 40 Zuchtstuten ist Schluss. Dann kann ich endlich anfangen, Auswahlzucht zu betreiben. Bisher habe ich jede Stute gleich wieder in der Zucht einsetzen müssen. Jeder Hengst ging an die Ritterschaft oder ans Militär, teilweise um die Grenzreiter aufzufüllen, teilweise um die Lücken zu füllen. Ab dem nächsten Jahr sieht es dann besser aus. Dann kann ich auch endlich wieder jedes Jahr eine große Auktion durchführen. Das bringt auch wieder zusätzliche Dukaten in die Kasse der Mark.“

„Das kann sicherlich nicht schaden.“ Ardo dachte an die Zeit auf dem elterlichen Gut zurück, wo die Erträge kaum ausgereicht hatten um seinen Vater und Großvater gleichermaßen standesgemäß auszurüsten. Jetzt als Baron eines wohlhabenden Lehens war es dieses Problems weitgehend enthoben. Natürlich konnte nicht im Traum daran gedacht werden den Prunk und die Verschwendung Garetiens nachzueifern, doch hatte ihm sein Vogt mehr als einmal daran gemahnt wie glücklich man sich im Gegensatz zu anderen Baronien schätzen konnte.

„Was die Ländereien betrifft gehören zum Marstall auch noch drei Außenhöfe, die den Marstall versorgen. Die schauen wir uns aber nicht an. Was dann noch fehlt, liefern die Güter aus Markgräflich Breitenbruck. Manchmal wende ich mich auch an meinen Vater in Hexenhain oder nach Rosskuppe. Da ist es beruhigend, dass Renzi es versteht, die verschiedenen Lehensrollen zu führen. Es liegt nahe, dass ich natürlich nicht ausschließlich die Herstellungskosten für das Futter verrechne, aber seit ich die Möglichkeit habe, hat die Mark immer unterdurchschnittliche Preise bezahlt. Der Vorteil, dass das Geld in der Region bleibt, ist mir wichtiger. Wir sind hier auch jetzt an der Südgrenze der Edlenherrschaft Rosskuppe, ein Markgräfliches Lehen, dessen Belehnung stets an die Verwaltung des Marstall gebunden ist. Das Edlengut zeige ich Euch heute Nachmittag, dann machen wir einen größeren Ausritt, an dem auch die Reiffenberger teilnehmen werden, die alt genug sind, um sich im Sattel zu halten.“

„Das klingt nach Spaß.“ Mechthilds Augen leuchteten bei der Vorstellung einmal nicht die Jüngste auf einem Ausritt zu sein. Denn wie sie den jungen Praiolin einschätzte, würde er wohl neben dem Schwertkampf auch schon das Reiten gelernt haben. Sie jedenfalls hatte es in dem Alter schon gekonnt. Es konnte also ein recht vergnüglicher Nachmittag werden.