Geschichten:Raulsmärker Erfahrungen

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mochten die Tage in Puleth auch noch so kurz gewesen sein, sie hatten nachhaltigen Eindruck bei Lassan von Weyringhaus-Rabenmund j.H. hinterlassen. Schon seine Mutter glaubte, als sie ihn das erste Mal begrüßte, eine Veränderung an ihrem Augapfel bemerkt zu haben, ohne jedoch genau sagen zu können, welche. Erst ihre Zofe brachte sie auf die richtige Spur - war es möglich, dass ihr Goldschatz sich spürbar gerader hielt als noch eine Woche zuvor?

Ebenfalls neu, doch von Merisa mit aller weiblicher Intuition und mütterlicher Menschenkenntnis nicht zu entdecken ist die Tatsache, dass Lassan ihr nicht alles erzählt hat, was er erlebte. Jedenfalls fertigt er (getreu der ursprünglichen Order seines Vaters) die Geschehnisse im verfluchten Wald mit deutlich weniger Worte ab, als es eigentlich nötig wäre. Und unbegreiflicherweise gelingt ihm das Kunststück, die Neugier seiner Mutter nicht näher darauf zu lenken... und immerhin ist sie eine Frau! Besitzt Lassan etwa Talente, die bisher Niemand in ihm vermutet hätte?

Immerhin, seine doch regelmäßigen Besuche des Peraine-Tempels kann die Gräfin nicht übersehen - und (nachdem sie den Schrecken, dass ihr Herzblatt sich inmitten von Giftanschlägen, Söldnerattentaten und Hochverrat befand, verdaut hat) so wendet sie sich auch an ihren Angetrauten: "Schatz, bist du dir sicher, dass die Politik dem Jungen gut tut? Auch wenn du in dem Alter bereits Burggraf gewesen sein magst - er ist doch nicht so robust wie du!" Die Antwort des Burggrafen ist nicht unsere Sache.

Immerhin kann er noch von Glück sagen, dass Lassans Augen bei diesen Dingen nicht so gefunkelt haben, wie zu dem Zeitpunkt, wo Mikhailja ihm von ihren Nachforschungen erzählt hat... dagegen war er über die Handlungen seines Vaters von ungebrochener Bewunderung.

Apropos Funkeln in den Augen: Auch über die Person der Königin ist Lassan in weniger Worten hinweggegangen, als ihm eigentlich im Herzen brannten. Und dies kann seiner bisher engsten Vertrauten eigentlich nicht völlig verborgen bleiben. Nun, die Gräfin hofft, es handelt sich um nichts als eine harmlose, jugendliche Schwärmerei für eine potentiell wirklich große Monarchin - zweifellos hat sie damit recht - die dem Haus Gareth einst einen weiteren treuen Gefolgsmann bescheren wird, in welcher Grafschaft des Mittelreichs auch immer.

Die Worte, die Lassan für sich behalten hat, fließen des Nachts aus Gänsekielen über Pergament zusammen mit Dutzenden von Noten - ebenso rasch hingeschrieben wie wieder ausgestrichen. Und kaum eine Stunde vergeht, dass der junge nicht zu seinem Spinett stürzt, getragen von einem plötzlichen Einfall - als hätte all die Musik, die er sich in den letzten Jahren einverleibt hat, einen Damm gebrochen und flösse nun wieder aus ihm heraus.

Seine Lehrer dagegen ist die neue Entwicklung eher unangenehm, müssen sie doch oft bemerken, dass ihr Schüler keineswegs ihren Ausführungen folgt, sondern an einer Stelle durch die Mauer hindurchzublicken scheint - keiner von ihnen ahnt, dass das die Richtung des kaiserlichen Palastes ist, aber sie kennen sich mit diesem Alter aus und denken sich ihren Teil... da sie alle auch mal jung waren, bestrafen sie auch ihren Schüler nicht all zu streng - zumal sein allgemeines Interesse für einige Fächer, namentlich Etikette und geschichtliche Bildung (vorzugsweise des Mittelreichs) sprunghaft angestiegen ist.

Wo wir schon bei oben erwähnten Palast sind ... Nicht nur die Lage der Gasthäuser, die Lassan in den nächsten Wochen aussucht, auch alle anderen Wege, die er in Gareth einschlägt, scheinen einer seltsamen Raumkrümmung zu unterliegen ... sie alle laufen näher an genanntem Gebäude vorbei, als zwingend notwendig wäre.

Ob es auch damit zusammenhängt, dass Lassan die Übungen mit dem Florett plötzlich sehr viel verbissener betreibt? Jedenfalls wundert sich sein Lehrer über den Elan und - die Worte seines Bruders noch halb im Ohr - nimmt Lassan nun auch gelegentlich ein Kurzschwert zur Hand.

Nun, dies alles sind Entwicklungen der nächsten Wochen und Oldebor ahnt davon noch nichts, als er bei der Rückreise in der Kutsche nachdenklich das Gesicht seines Sohnes betrachtet und - kurz nach der Abzweigung nach Rohalsweil - fragt: "Sag einmal, mein Sohn - glaubst du nicht, dass es allmählich Zeit wird, dass du dir einmal den Bart abschabst?"

Und Mikhailja vom Born? Natürlich liegt es nicht innerhalb unserer Kompetenz, darüber zu entscheiden, was die junge Bardin gemacht haben mag, doch gehen wir davon aus, dass sie kurz nach der Jagd in Puleth die Gastfreundlichkeit der burggräflichen Familie in Anspruch zu nehmen aufgehört hat, sich herzlich von Lassan verabschiedet hat (natürlich mit der Auflage, wiederzukommen) und weiter ihrer Wege zog, bis sie nur noch ein grüner Punkt am Horizont war ... Wir können nicht einmal vermuten, was sie dabei gedacht hat, doch sicherlich wünscht sie dem jungen Garether, dass er besser mit seinem Stand zurechtkommen möge als sie - oder dass er ebenfalls den Mut finden würde, sich zu widersetzen.