Geschichten:Stunden der Angst

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Dichte, düstere Nebelschwaden krochen schienen aus allen Ecken des Raumes herauszuquellen und schlängelten sich einer gift'gen Schlange gleich auf den jungen Mann zu. Er wich einen Schritt zurück, doch unaufhaltsam fingen die Nebelschwaden an ihn zu umringen und wohl mochte es nur noch wenige Herzschläge dauern bis die Schlange ihre Zähne in ihr Opfer zu schlagen gedachte.

Die Angst wallte in dem großgewachsenen Mann auf, seine Hand um den kirschhölzernen Handgriff seiner Waffe wurde allmählich feucht und kleine Schweißperlen bildeten sich auf der bleichen Stirn.

Langsam begannen diese von der Stirn über das Gesicht herabzurollen, um mit einem leisen Klatschen auf den kalten, unbelebten Boden. Der weiße Nebel hatte die Spitzen seiner Stiefel gerade berühmt und noch keine zwei Armlängen konnte er mehr sehen. Erschrocken sprang der gutgekleidete Mann einen Schritt zurück und schnaubte hörbar aus.

"War das nicht etwas?" deuchte es ihm. Gehetzt blickte er sich nach allen Seiten um und so vermochte er in jeder Schwade eine Bewegung oder eine Gestalt zu erahnen. Hektisch schlug er mit seinem schweren Rapier nach der Wesenheit, die ihn bedrohen zu schien. Gefährlich schnitt der Stahl durch Luft und zerfetzte die Nebelschleier wie Kleidungsstücke auseinander. Doch niemand war dort. Nur Nebel, Schatten und feine Wassertropfen...

Aus den konturlosen Schleiern brachen plötzlich dunkle Schatten hervor und bildeten aus der Formlosigkeit Ecken, Kanten und Rundungen.

Eine seltsam geformte Fläche aus einem dunkelbraunen Etwas schob sich in den Raum. Irgendwie kam ihm diese Seltsamkeit unheimlich bekannt vor. Viele, kleine Erhabenheiten bedeckten die Fläche und Bewegungen zuckten unter der Oberfläche.

Der junge Mann hörte bekannte, schlufernde Schritte auf sich zu kommen. Aus der Richtung der seltsamen Erscheinung. Ein Wesen, größer noch als er selbst, schälte sich aus dem düsteren Nebel heraus. Und er kannte dieses Wesen, dieses Etwas mit der led'rigen Haut, vielen kleinen Warzen und großen Klauen ...

Orlan wachte schweißgebadet in seinem Bett zwischen Seidenkissen auf und schwer schnaufend rang er nach Luft. Die Angst schnürte ihm noch immer die Luft ab und allmählich verfärbte sich sein Gesicht in ein dunkles Rot.

Eine Weile verging bis er wieder genügend Artemluft geschöpft hatte und das rotgefärbte Gesicht wieder blaß geworden war.

Jede Nacht seit dem Konvent im garetischen Puleth verfolgten ihn die Ereignisse von der dortigen Wallstatt, wo man Königin Rohaja samt ihrer noch jungen Leibwache überfallen hatte. Grausam hatten die gedungenen Schergen dieses Bernfrieds von Streitzig die Leibwache abgeschlachtet, nur die Königin und ein Gardist der Prinzengarde hatten überlebt. Wohl war jener ein Neffe des Barons von Gallstein, so vermutete Orlan.

Die Toten und das Schlachtfeld gingen ihm nicht aus dem Kopf: überall Blut, abgeschlagene Gliedmaßen und tote Gesichter. Gesichter, in die er sooft schon gesehen hatte auf dem Schlachtfeld. Gesichter, die Orlan nur ein einziges Mal gesehen hatte und doch oft genug, um ihm die Grausamkeiten eines Kampfes vor Augen zu führen.

Allein dies war noch nicht genug, denn ein anderes Bild vermochte ihn ebenso wie die Bilder der Toten zu fesseln. Ein Wesen, das nicht tot noch lebendig sein konnte. Ein Wesen groß an Gestalt, mit lederartiger Haut und vielen kleinen Warzen, großen und klauenbewehrten Händen. Ein Leichenfresser, ein Ghul ...

Wieder schnürte ihm die Angst die Kehle zu und nur sehr schwer war dieses Gefühl wieder unter Kontrolle zu bringen.

Sein Bruder Lassan, dieser Luftikus, Musikus wie auch immer, der hatte auf ihrer Rückreise zu freudig von seinen Erlebnissen auf dem Konvente berichtet. Für Orlans Geschmack etwas zu vollmundig, aber was wußte dieser Luftikus schon von Toten und Leichenfressern? Nichts, aber auch rein gar nichts...!

Doch was hatte diese Nivesenfrau zu ihm gesagt, diese Priesterin der Herrin Rondra?

"Euch scheint es an der rondrianischen Gesinnung zu fehlen ...", erinnerte er sich zu gut an ihre Worte. Aus ihren Worten hatte er schon fast herausgelesen, daß sie ihn für einen verwöhnten, reichen Weichling hielt, der noch nie etwas aus eigener Kraft geschafft hatte.

Das Schlimmste daran war jedoch, daß die Nivesin durchaus damit Recht hatte. Er war verwöhnt, wie seine Zwillingsschwester Ondinai auch, von seinem guten Vater Oldebor, dieser hatte den beiden jeden Wunsch erfüllt. Selbst den Kriegerbrief auf einer Garether Kriegerschule hatte er ihnen ermöglicht, fast schon könnte man es gekauft nennen. Und das alles, nachdem er und seine Schwester von Wehrheim geflogen waren.

Doch alles Jammern und Fluchen nutzte nichts, er war ein Höfling... Scheinbar hatte ihm der Vorwurf der rothaarigen Rondrapriesterin in ihm jedoch einen Drang aufkeimen lassen ...

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Oldebor ging gedankenversunken durch die Korridore der Villa Geldana. Seit der Rückkehr vom Konvent zu Puleth schon beobachtete er mit wachsender Sorge seinen Sohn Orlan. Die Ereignisse um den Überfall auf Königin Rohaja hatten ihn sehr verändert.

Oft genug schon berichteten ihm sein Gesinde von den nächtlichen Schreien aus den Gemächern Orlans und von nächtlichen Spaziergängen in einem dünnen Morgenmantel trotz dieser noch wenig anheimelnden Temperatur im Freien. Blaß war es stets zu Tisch und seit wenigen Praiosläufen nahm er wieder Fechtstunden. Manchmal übte er bis zur Erschöpfung.

´"Was mag wohl nur in den Jungen gefahren sein" fragte sich Oldebor. Seine Verwandtschaft aus dem Darpatischen und der bregelsaum'sche Burggraf zu Kaiserlich Hallingen hatten ihm erstaunlich Gutes von der Hochzeit im Hesinde berichtet. Nachdenklich strich er sich mit der Hand über das Kinn und ging sinnierend weiter ...