Geschichten:Im Winter reist man nicht gern... oder?

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Aufbruch nach Puleth


Auf dem Markt von Uslenried, unweit des Tores von Burg Greifenklaue, herrschte emsiges Treiben. Fuhrleute liefen zwischen ihren Gespannen hin und her, Pferde wieherten und schnaubten, und auch den ein oder anderen Menschen konnte man schniefen hören, gefolgt von einem herzlichen “Gesundheit”. Der Himmel war wolkenverhangen, und ab und an schwebte eine Schneeflocke zu Boden.

Inmitten dieses Gewühls bahnte sich Christophilius Datierlich, der erste Schreiber des Barons, schnaufend einen Weg durch die Massen. Kleine Dampfwolken stiegen auf, wenn er ausatmete; das Wetter war winterlich kalt, wie man es für Anfang Tsa nicht anders erwarten konnte.

Zielstrebig stapfte er über die glatten Steine dem Rondratempel entgegen, vor welchem der Baron zusammen mit seinen Schwestern wartete und das Treiben auf dem Platz beobachtete.

»Nun, wie sieht es aus«, fragte Baron Wulf von Streitzig jüngeren Hauses zur Greifenklaue, als sein Schreiber heran wahr.

»Zehn Wagen, bis zum Rand beladen mit Brettern und Balken. Werkzeuge und ein paar Kisten Nägel sind auch dabei«, meldete der dickliche Zyklopäer mit pflichtbewußtem Gesicht und wischt sich eine Schneeflocke aus dem kurzgeschorenen roten Haar. »Außerdem zwei Wagen mit Lebensmittel, einer mit Brennmaterial und einigen Fässern Rotbier, wie Euer Hochgeboren befohlen haben. Auch ja, und der Troßwagen des zweiten Rudels ist auch bereit« ergänzte er und sah des Barons Schwester Yalinda an, welche die uslenriedschen Söldner der Waldsteiner Wölfe befehligte. »Ich habe mich auch bereits darum gekümmert, das Eure Söldner nicht zu Fuß marschieren brauchen, sondern auf den Wagen mitfahren können.«

»Prächtig, dann kann es ja losgehen.« Wulf winkte seinen Schreiber an die Seite, so dass er freies Blickfeld auf den Platz hatte. »Alles aufgemerkt!« rief er sodann über den Platz, und die Menge – Fuhrleute, Söldner wie auch einige neugierige Bürger, die sich trotz des kalten Wetter neugierig auf den Platz getraut hatten – verstummte. Auffordernd blickte Wulf nach links zu seiner Schwester Rondrina. Diese trat demonstrativ einen Schritt vor, legte die Linke an den Schwertknauf an ihrer Hüfte und hob die Rechte empor.

»Ein Weg im Namen der Götter liegt vor euch, die ihr euch hier versammelt habt«, begann die Schwertschwester zu sprechen. »Es ist eine Reise, die dem Zweck dient, die Zwölfe zu ehren und Ihnen Dank zu erweisen für den Sieg über die schwarzen Horden des Dämonenmeisters. Ja, in gewisser Weise ist es eine Pilgerfahrt, auf die ihr Euch begebt, eine Fahrt zum Siegestempel zu Puleth, der sich alsbald über das Land erheben soll. So möge der Segen der Zwölfe über euch kommen!« 

Die Geweihte schlug das Zeichen des Schwertes, und die Menge verbeugte sich oder ging in die Knie. »Mögen die göttliche Leuin und ihre elf Geschwister euch auf dem Weg geleiten!« 

Sie wandte sich wieder zu ihren Geschwister um. »Mich friert«, sagte sie, »wenn es recht ist, begebe ich mich wieder in den Tempel.« Wulf nickte stumm, und Rondrina verschwand hinter der doppelflügeligen Tempelpforte. Datierlich schlotterte derweil vor sich hin und nahm dankbar zur Kenntnis, dass Wulf ihm mit einer Handbewegung bedeutete, sich ebenfalls zurückziehen zu dürfen. Die Arme vor der Brust seines grünen Gewandes verschränkt und den Kopf in den Schultern vergraben stapfte er durch die dünne Schneedecke dem Burgtor entgegen. Wulf und Yalinda blieben allein zurück.

»Nun, es wird Zeit für den Aufbruch, denke ich«, sagte die Söldnerführerin.

»Ja, das denke ich auch. Schließlich wollen wir hier ja nicht noch festfrieren. Wollen wir hoffen, das Frau Tsa bald ein Einsehen hat und dem Treiben ihres grimmigen Bruders Einhalt gebietet«, entgegenete Wulf. » Hast Du das Gold?«

Yalinda klopfte auf eine Wölbung unter ihrem Wams. »Sicher verwahrt. Ebenso das Schreiben an den Staatsrat«.

»Dann laß uns nicht länger warten. Sobald der Zug sicher in Puleth und das Gold in der Staatskanzlei ist erwarte ich Dich zurück. Bestell seiner Exzellenz einen schönen Gruß von mir; immerhin ist dies nur ein Anfang. Das übrige Gold werde ich in Kürze persönlich übergeben; der Konvent naht mit großen Schritten...«

»Leb wohl, Bruderherz« sagte Yalinda, und die Geschwister umarmten sich zum Abschied.

»Gute Reise, kleine Schwester«, entgegenete Wulf, »Rondra, Phex und Kor mit Dir.«

Mit wehendem Umhang schritt Yalinda auf ihr Pferd zu. »Alles aufsitzen!« befahl sie und schwang sich selbst in den Sattel. Wenig später setzte sich der Zug in Bewegung. Wulf und einige Bürger sahen ihnen nach, bis auch der letzte um die Ecke verschwunden war. Schließlich drehte er sich um und marschierte gemessenen Schrittes in die Burg zurück, derweil man vom Praiostempel die zehnte Stunde schlug. »Genau die richtige Zeit für eine Tasse heißen Tee« murmelte er vor sich hin. Als er die Freitreppe zum Palas von Burg Greifenklaue heraufstieg, nahm der Schneefall zu. Ein wenig bedauerte er die Fuhrleute und seine Söldner, die nunmehr unterwegs waren, doch in Gedanken saß er schon mit einer dampfenden Tasse Tee mit Sinya am warmen Ofen in der Bibliothek...