Geschichten:Rückkehr nach Gallstein

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Fast drei Wochen nach der Jagd in Greifenfurt / fünfeinhalb Wochen nach demTurnier zu Greifenfurt


Ächzend stieg der Reiter von seinem Pferd, welches wie er müde und erschöpft war. Der Stallknecht eilte flugs herbei und nahm sofort die Zügel des Tiers an sich.

Claudio di Conserrano nahm den Dreispitz vom Kopf und klopfte den Staub heraus. Der Anblick der moosbewachsenen dunklen Mauern von Burg Mor'Tres wirkte beruhigend, aber zugleich auch abschreckend.

Der Liebfelder zog eine Augenbraue nach oben. Wie sehr vermisste er doch den Komfort und die Annehmlichkeiten seiner Heimat. Helle Bauten, luxuriös ausgestattete Salons, prächtige Gärten und wahre Kultur; Theater, Debattiercafés und Logen.

Gallstein war zwar bei weitem nicht herunter gekommen, aber es mutete im Vergleich zu den zentralen Provinzen des Alten Reiches eher rückständig an.

Alena, die Tochter des Herrn von Gallstein, kam gerade die Treppe des Haupthauses der Burg herunter, als sich ein Lächeln auf das Gesicht des Horasiers schlich. Er musste immer wieder feststellen, dass es trotzdem einige sehr angenehme Dinge in Gallstein gab. Ihr dunkles Haar fiel ihr in seidigen Bahnen über die schmalen Schultern, ihre feinen Züge wirkten blass. Der Saum des dunkelblauen, lange Kleids wurde im Spiel des Windes hin und her geweht.

„Claudio. Ich bin erfreut, Euch endlich wieder zu sehen. Wie war eure Reise ins ferne Greifenfurt?“

Der Liebfelder verneigte sich formvollended und griff nach der zarten Hand Alenas, um einen Kuss darauf zu hauchen. „Liebliche Dame Alena. Auch mein Herz und Auge erfreut es, Euer Antlitz wieder bewundern zu dürfen. Die Reise war anstrengend, aber durchaus lohnenswert. Wie ist es Euch ergangen?“

Sie lächelte und deutete auf den Eingang des Palas. „Sehr gut. Kommt doch herein, wir reden drinnen weiter.“

Claudio folgte der Edeldame und zog ein hellblaues Tuch aus seiner Tasche, um sich die Stirn zu tupfen.

„Da habt Ihr aber ein hässliches Taschentuch, mein Freund.“ Leise lachend winkte der Liebfelder ab. „Aber nein, es ist nur ein schlichtes Tuch, nichts weiter. Fast das gleiche Blau, wie die Schärpe der Pfortenritter, findet Ihr nicht? Ich habe es in Greifenfurt erstanden. Eine sehr schlichte, aber auch schöne Arbeit, wie ich finde.“ Er räusperte sich und sah seiner Begleiterin direkt in die Augen. „Es gibt da aber noch etwas, von dem ich unbedingt berichten muss.“ Seine Miene wurde mit einem Mal ernst. „Ich hörte auf meiner Reise von einem Überfall in Greifenhorst, aber ich bin nicht sicher, ob es etwas mit Eurem Vater und seinen Freunden zu tun hat. Die Gerüchte sagen jedoch, dass jemand ein Attentat auf die Jagdgesellschaft verübt hat.“

Alena schreckte zusammen und wurde blass. „Bei allen Göttern! Das ist ja schrecklich! Wie konnte so etwas geschehen?“

Beruhigend fasste der Horasier ihre Hand. „Beruhigt Euch. Wenn einer der Edlen getötet worden wäre, hätte das bestimmt einen gewaltigen Aufruhr gegeben. Solche Schreckensbotschaften sind aber nicht an mein Ohr gedrungen. Sorgt Euch nicht. Euer geehrter Vater ist zäh. Genau wie seine lieben Freunde.“ Ein seltsamer Tonfall schwang in Claudios Stimme mit, als er diese Worte aussprach. „Ich werde nachher noch kurz mit dem Magus sprechen müssen.“

„Und Ihr seid Euch wirklich sicher, dass meinem Vater nichts geschehen ist?“ Aufrichtige Sorge und Liebe für ihren Vater sprachen aus den Zügen der Dame.

„Ich wollte Euch nicht erschrecken, Alena. Verzeiht mir.“

Dies schien sie noch nicht wirklich zu beruhigen, denn sie ließ sich die folgenden Momente mehrfach und ausführlich vom Vogt versichern, dass es keine Anzeichen für ein Unbill gab, welches dem Baron von Gallstein widerfahren sein sollte. Schließlich seufzte sie und beschloss ihre Sorge vorerst ruhen zu lassen; so gut es ihr eben möglich war.

Beide schritten durch die Eingangshalle und machten sich auf den Weg in den ersten Stock. Die Diener verneigten sich artig und eine Zofe fragte ihre Herrin, ob sie noch etwas benötigte, doch die Dame des Hauses schickte die Untergebenen mit einer herrischen Geste fort. In Alenas Gemächern angekommen, legte Claudio das Rapier ab und noch während er die staubige Jacke mit den prunkvollen Goldknöpfen auszog, spürte er, wie ihre Arme sich um seinen Körper schlangen.

Ihre kühlen, vollen Lippen berührten seinen Nacken und sandten einen wohligen Schauer durch seinen Körper. Langsam drehte er sich um und nahm ihr ebenmäßiges und helles Gesicht in seine Hände. Ihre dunklen Augen funkelten lebhaft und voller Kraft. Claudio neigte seinen Kopf ein Stück herab und küsste sie zärtlich auf den Mund. Die Berührung ihrer Lippen war zunächst behutsam und sachte, wurde dann aber von Herzschlag zu Herzschlag fordernder und leidenschaftlicher.

Seufzend sank Alena auf das Bett und nestelte an ihrem Kleid.

„Es hat doch so seine Vorteile, wenn mein Vater nicht hier ist. Wir sollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.“

Claudio nickte langsam. „Von mir wirst du sicherlich keinen Widerspruch hören.“ Sie räkelte sich verführerisch auf den weichen Laken und raunte: „Nur eines musst du mir erklären, Claudio. Warum hast du den Bart abrasiert? Es sah vorher viel besser aus.“

„Es war nur eine Laune. Nichts weiter.“

Die dunkel gewandete Gestalt nahm ihr Ohr von der Tür, lächelte süffisant und schlich leise den Gang entlang, weg von den Gemächern Alenas. In ihrem eigenen Zimmer angelangt, setzte sie sich an den breiten Eichenholztisch und holte Pergament und Feder hervor. Es würde Yendor von Limpurg sicherlich interessieren, was in seiner Abwesenheit alles vorging...