Geschichten:Das Blut der Alten - Schwarze Wehr

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Junkertum Ebengard, Anfang Praios 1044 BF:

Im Galopp ritten Junker Turhan von Turatal und sein Enkel und Erbe Raban über die weiten, mit unendlich scheinenden Wiesen bedeckte Ebene Ebengards. Pferde waren der ganze Stolz der Menschen hier und das galt für Nebachoten wie Raulsche gleichermaßen. Sie waren der kostbarster Besitz eines jeden Mannes und einer jeden Frau. Die Götter meinten es gut mit diesem Landstrich – allen voran Tsa, Peraine und natürlich Rahja. Die Wiesen waren satt und das Korn gedieh prächtig auf dem fruchtbaren Ackerboden. Bis vor wenigen Götterläufen lag das Land der nebachotischen Familie Turatal mitten in der Baronie Brendiltal – umgeben von Freunden, geachtet und respektiert; schließlich waren sie weitläufig mit der Baronsfamilie verwandt. Doch Zeiten waren im Wandel begriffen, aus Freunden wurden Feinde, aus Frieden wurde Krieg. Die Baronie Brendiltal gab es nicht mehr, ihr Kadaver wurde zerlegt und neuen Herren zu Fraß vorgeworfen. Die weiten Ebenen Ebengards waren unvermittelt Grenzland geworden, umstritten und umkämpft von zwei Herren. Das ordnende Machtwort des Markgrafen sollte Ebengard schließlich der neu entstandenen Baronie Herdentor zuschlagen, doch nun klaffte eine blutige Wunde im Süden der Lande – die Grenze zur gleichsam neuen Baronie Sebarin. Die Grenzen mochten per markgraflichem Dekret gesetzt worden sein, doch die Begehrlichkeiten der anderen Seite blieben.

Auf einem der sanften Hügel kamen die Reiter zum stehen. Ernst blickte der alternde Junker gen Süden.

„Es ist ruhig jenseits der roten Grenze, zu ruhig. Du musst lernen jede Regung des Feindes zu erkennen, denn Wachsamkeit ist das höchste Gebot um die Unsrigen zu schützen. Was waren das für Zeiten, als ich mit Martok und gar mit dem großen Eslam selbst über dieses Land ritt.“

„Es waren andere Zeiten, Großvater“, entgegnete Raban entschlossen. „Eslam und sogar Martok reiten nicht mehr an deiner Seite, Eslam ist tot und Martok ist nicht mehr der stolze Ammayin, der er mal war.“

„Hüte dich und sprich nicht schlecht über der großen Martok, er ist unser Marben.“ Mahnend erhob der Alte seine Hand.

„Martok ist Vergangenheit, die raulschen Höflinge sind die Gegenwart, doch wer ist die Zukunft?“ Raban blickte seinen Großvater ungerührt an.

„Die Zukunft ist das!“ Der Herr der Pferde zeigte in die Ferne. Raban konnte erkennen, wie dort Arbeiter Gräben aushoben und Mauern aufschichteten. „Die Schwarze Wehr! Ein Kastell zum Schutz unserer Untertanen. Ich würde so wie du auch viel lieber auf dem Rücken der Pferde in die Schlacht reiten und ehrenhaft den Sieg erringen, so wie ich es so oft mit Martok und seinem Vater tat, doch die Zeiten des offenen Kampfes sind vorüber. Der Säbel spricht nicht mehr, sondern der vergiftete Dolch.“

„Ein Kastell, bezahlt von dem Gold der S'aratan'a?“, fragte Raban mit bebender Stimme halb rhetorisch.

„Mit den Zuwendungen des großen Martok Al'Jahfadir!“, verbesserte Turhan seinen Enkel.

„Sie werden das nutzen um uns zu beherrschen, siehst du das denn nicht?“ Beinahe flehentlich blickte Raban zu seinem Großvater. „Was, wenn dort statt den Sonnenrössern die Ras'Waharis der Spinne von Reichsgard stationiert werden?“

„Wir sind das Bollwerk gegen die dunklen Begehrlichkeiten aus dem Süden, wir sind die Herren der Pferde! Niemand beherrscht uns, Raban, merk dir das!“

„Der Kampf mit dem vergifteten Dolch ist nicht der unsrige, es ist der mit dem Säbel!“, entgegnete der junge Nebachote.

„So wie du mein Erbe bist, ist der Enkel von Martok sein Erbe und wir werden treu zu ihm stehen. Doch es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass er nach unseren Traditionen aufwächst und nicht in den Fängen der Aranier verweichlicht. Wir werden das Rat'Kahal Sharu'ben nutzen um Einfluss auf seine Erziehung zu nehmen.“

„Ich hoffe du irrst nicht, Großvater.“ Raban biss sich auf seine Unterlippe. Sein Großvater hatte Unrecht, da war er sich sicher. Er und die anderen nebachotischen Junker waren alt und des Kampfes überdrüssig geworden. Der große Martok, Sohn der noch größeren Lichtgestalt Eslam, von dem der Alte mit leuchtenden Augen sprach, war nur noch ein Schatten seiner selbst, verblendet und entrückt in einem Kloster ohne Macht. Diese hatten nun andere in ihren Händen. Rabans Großvater und die anderen Alten arrangierten sich mit den neuen Mächten, doch er konnte das nicht.



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Kleines nebachotisches Glossar:

  • Ammayin = Krieger
  • Marben = Baron
  • S'aratan'a = Vögtin
  • Al'Jahfadir = der Beschützer (Ehrentitel)
  • Rat'Kahal Sharu'ben = Rat der Junker (traditionelle Versammlung)