Geschichten:Sommer auf Rosskuppe - Frühstück

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Breitenau

Markgräflicher Marstall in der Baronie Hexenhain

Mitte Ingerimm 1033 BF

Dramatis Personae


Am nächsten Morgen wurde Ardo vom Krähen des Hahns und dem lauten Weinen zweier Kinder geweckt. Er hatte in seinem Bett herrlich geschlafen und fühlte sich das erste mal seit Wochen wirklich ausgeruht. Der Duft von frisch gebackenem Brot stieg ihm in die Nase und trotz des reichhaltigen Abendessens knurrte sein Magen herzzerreißend ob des köstlichen Geruches. Man hatte ihm und Mechthild jeweils ein eigenes Zimmer zugewiesen und das erste Licht fiel durch die geschlossenen Fensterläden.

Von der Treppe konnte er leise Stimmen hören. Dann zerriss das Klirren von auf einander treffenden Klingen die morgendliche Stille. Sofort war Ardo auf den Beinen und öffnete mit flinken Fingern den Fensterladen. Auf der anderen Seite des Hofes, in der Nähe des Pferdestalles, sah er Rondrian und einen etwa sieben jährigen Knaben die Klingen kreuzen. Beruhigt sah er ihnen eine Weile zu. Der erfahren Kämpfer erkannte auf den ersten Blick, dass der Bursche Talent hatte. Eine solche Gewandtheit und Schnelligkeit hatte er einem solch jungen Kerl gar nicht zu getraut. Ebenso hielt der Knabe ein richtiges Schwert in den Händen, mit dem er mühelos mit kräftigen Schlägen auf den Rondra-Geweihten einschlug. Dieser hatte allerdings keine Mühe diesen Schlägen auszuweichen oder sie zu parieren. Dennoch war es ein schneller Kampf und die Bewegungen zeugten von hoher Geschwindigkeit. Dies musste der Junge von Meran und Baradur sein, dachte Ardo und trat vom Fenster zurück, um sich frisch zu machen.

Er fand auf einem Schemel neben der Tür eine halbvoll gefüllte Waschschüssel mit kühlem Wasser, daneben ein Stück Seife und ein Leinentuch. Sein knurrender Magen trieb ihn zur Eile. Zudem fand er es unpassend, wenn alle Bewohner auf den Beinen waren und nur er so lange in den Federn lag. Zwar war Ardo der Gast, aber das konnte er mit seinem Stolz nicht ausmachen. Bald war er angekleidet, seine Stiefel hatte ein dienstbarer Geist vom Dreck des gestrigen Rittes gereinigt, und trat vor die Tür seines Zimmers. Fast wäre er dabei mit seiner Knappin zusammengestoßen, die bereits auf ihn wartete.

„Mechthild, guten Morgen. Hast du Lust bekommen Ihro Gnaden und dem Jungen Gesellschaft zu leisten? Oder magst du zuerst frühstücken? Dieser Duft ist verführerisch.“

Die Knappin schaute wieder einmal verlegen zu Boden, sprach jedoch klar und deutlich. „Der Junge ist sehr gut. Ich fürchte es würde mir schwer fallen gegen ihn so leicht zu bestehen wie Ihro Gnaden. Außerdem... habe ich Hunger.“

Ardo musste lächeln. Ihm gefiel, dass Mechthild trotz ihrer jungen Jahre ihre Fähigkeiten einzuschätzen wusste. Ihr beständigen Hunger war indes nur zu gut zu verstehen. Er entsann sich, wie seine Mutter immer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte, wenn sie die Mengen sah, die er in seiner Jugend aß. Sie hatte stets gemeint, es wäre selbst für Travias Herdfeuer eine echte Herausforderung gewesen, ihn satt zu bekommen. Mit Mechthild war es nun dasselbe und insgeheim freute er sich darüber.

„Sprich nicht immer zu deinen Füßen! Halte die Augen und den Rücken gerade! Du bist eine Edle und die zukünftige Junkerin von Kieselbronn. Lass die Menschen erkennen, wen sie vor sich haben. Mit gebeugtem Nacken und gesenktem Blick könnte man dich für eine Gemeine halten. Und nun komm. Ich denke in der Küche wird es etwas Gutes für uns geben. “

Als sie hinunter gingen, huschten zwei Mägde aus dem Weg und verneigten sich höflich.

Der Tisch in der großen Küche war reichlich gedeckt und Cella Brechlin schaufelte jedem eine ordentliche Portion Rührei und gebratenen Speck auf den Teller. Dazu gab es frisches Roggenbrot und einen großen Becher warme Milch. Die beiden Gäste bedachten die Frau mit dankbaren Blicken und machten sich mit einem: „Travias Dank!“, sogleich daran den morgendlichen Hunger zu stillen.

Bevor Ardo und Mechthild die große Küche verlassen konnten warf ihnen die dralle Köchin mit einem Lächeln noch einen Apfel zu. Ohne ein Wort zu sagen, überließ Ardo diesen seiner Knappin.

Kurz darauf traten sie vor die Tür und auf die Veranda. Urions Frau saß auf der einen Seite neben der Krippe mit ihren Jüngsten. Vorsichtig traten Ardo und Mechthild heran, nachdem Renzi sie mit einem herzlichen Lächeln begrüßt und heran gewunken hatte. Die Zwillinge, deren Schreie Ardo am Morgen geweckt hatten, schliefen inzwischen wieder friedlich und zufrieden.

„Das sind also die Schrei-Kobolde, von denen Urion gestern sprach.“

Ardo hatte leise geredet um die Kinder nicht wieder aufzuwecken. Sein Blick auf die Krippe war fast liebevoll. Er erinnerte sich an den Augenblick, als er seine kleine Schwester das erste Mal in ihrem Bettchen betrachtet hatte. Er war damals schon fast sechzehn gewesen und hatte sich sofort in das kleine Bündel Mensch verliebt gehabt, denn sie war alles was ihm von der geliebten Mutter geblieben war.

„Guten Morgen Ardo, Mechthild, ich hoffe ihr habt gut geschlafen und seid satt geworden? Und, ja die Rasselbande hält mich ganz schön auf Trab. Der dritte im Bunde ist mit Urion bei den Pferden. Aber er kommt sicherlich gleich“, begrüßte Renzi die beiden.

Auch Mechthild war hinter ihm herangetreten. In der Linken hielt sie noch immer den angebissenen Apfel und traute sich in der eingetretenen Stille nicht wieder ab zu beißen, um keine unpassenden schmatzenden Geräusche zu machen. Aber auch sie sah neugierig in die Kinderwiege.

„Tu dir keinen Zwang an Mechthild, die beiden sind beim Stillen eingeschlafen, ich wollte keine Amme und seid kurzem bekommen sie feste Nahrung und nur noch morgens und abends Milch.“ Renzi drehte sich in Richtung eines kleineren Stalles neben dem Bergfried.

„Da kommen sie schon“, sagte sie, als ein kleiner Junge von etwa drei Jahren wie ein Wirbelwind aus der Tür gelaufen kam. Hinter ihm trat Urion gemächlich aus dem Stall. Der Junge lief auf seine Mutter zu und begann zu sprechen. Sein Aussehen glich dem seiner Mutter und seine Stimme überschlug sich, so dass Ardo nur Satzfetzen verstehen konnte. „Dido... Fohlen... Milch...trunken..geben..“

Langsam hob Renzi ihren Ältesten hoch und versuchte ihn zu beruhigen. „Langsam, kleiner Mann, langsam. Du hast also Didos Fohlen Milch zu trinken gegeben? Das heißt, dein Vater hat dich schon wieder in die Boxen gelassen, obwohl ich darum gebeten hatte, es zu unterlassen.“ Sie funkelte Urion an, der jetzt herangetreten war.

„Aber Renzi, er ist alt genug und ist von sich aus vorsichtig,“ wehrte er sich und zog sich einen zweiten vernichtenden Blick seiner Frau zu. „Außerdem war ich ja dabei und Dido ist die Sanftmut in Person.“

Mechthild war indessen an die Wiege herangetreten. Andächtig betrachtete sie die schlafenden Kleinkinder und war in Gedanken bei ihrem Bruder, von dem sie im letzten Frühjahr so jäh getrennt worden war, nachdem sie selbst in Knappenschaft und Baldasar mit ihrer Mutter nach Gareth an die Akademie gegangen war. Seit seiner Geburt hatte es zuvor keinen Tag gegeben, an dem sich die Geschwister nicht gesehen und auf dem elterlichen Gut getobt hätten. Auch jetzt noch, nach über einem Götterlauf, fühlte sie sich manchmal schrecklich allein wenn sie an diese Zeit zurückdachte.

Jetzt wachten auch die Zwillinge in der Wiege auf und Renzi hob sie auf und stellte sie auf ihre Beine auf denen sie noch unsicher auf der Veranda ihre kleine Welt eroberten.

„Aber ich vergesse wiedermal meine gute Erziehung. Guten Morgen Ardo, guten Morgen Mechthild. Habt Ihr gut geschlafen? Doch zunächst muss ich euch, nachdem alle vollzählig sind, die Plagegeister des Marstalls vorstellen. Mein Ältester und Herr des kindlichen Chaos und allen Unfugs den man sich denken kann: Praiodan von Reiffenberg. Dann kommen noch die Lieblinge ihres Großvaters, die Tochter des Hauses Hilla von Reiffenberg und Reto von Reiffenberg. Wenn ihr ausreichend gefrühstückt habt, können wir mit einem Rundgang über den Marstall beginnen?“

„Guten Morgen Urion. Ich merke schon, es ist dafür gesorgt, dass es auf dem Marstall auch in der nächsten Generation hoch her gehen wird.“ Ardo hatte ein Grinsen auf dem Gesicht und Mechthild hatte sich gar beim Versuch ein Kichern zu unterdrücken an einem Bissen vom Apfel verschluckt. Schnappend und knallrot angelaufen kam sie gerade wieder zu Luft.

„Wir sind auch soweit. Das Frühstück war gut und reichlich und selbst Mechthild sollte bis zum Mittag gesättigt sein. Aber wenn sie so weiter isst, bekommt sie extra Lehrstunden mit Rondrian und Praiolin, damit sie kein Fett ansetzt. Lass uns gehen.“