Geschichten:Igelfehde - Unsere Familienangelegenheiten

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Ende Boron, Kommandatenzelt der Kaiserlichen Truppen an der Natter

Veriya von Gareth machte eine einfache Geste zum einfachen Holzstuhl, über dem ein paar Felle lagen. Ihr Gast lächelte leise in sich hinein – so kannte Alrik von Gareth seine Cousine. Eine herrische kleine Ziege, stets bemüht sich gegen alle Welt zu behaupten.

Oft hatten sie sich, während sie noch Kinder waren, auf den Familienfesten gesehen. Die Feste der Yuris-Linie, ging es Alrik durch den Kopf, denn Kaiser Hal hatte sich nicht viel um seine garetische Familie bemüht. Zu fern von allen familiären Dingen hatte der Gottkaiser gethront, gemeinsam mit seiner Al’Anfanischen Gattin und ihrem verträumten Prinzen Brin. Sippschaft ward geboren, Sippschaft war verstorben – der Kaiser blieb fern.

Nahe waren sich aber die Familien der Burggrafen und Baronie der garetischen Yuris-Linie. Man kannte sich gut, man hielt die Familie so gut zusammen wie es ging. Vor allem der „Alte Storko“, den Alrik schon damals bewundert hatte und sich noch immer fragte, wie sein Oheim es trotz seines hohen Alters noch heute es schaffte, die Angelegenheiten des Hauses Gareth im Blick zu behalten und strategisch kluge Entscheidungen über Knappenschaften und Traviabünde zu treffen. Diese stille Leitung der Familie hatte längst sein jüngerer Bruder Gerwulf übernommen, und Alrik war ausgesprochen froh, diese schwere Bürde nicht tragen zu müssen. Ließ ihm dies doch Zeit genug, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.

»Teurer Vetter, auch wenn ich mich natürlich über einen Familienbesuch freue, aber leider ist meine Zeit knapp bemessen.« Veriyas Stimme war hart und kalt.

‚Ich bin in wichtiger Mission der Kaiserin unterwegs. Ich bin wichtig. Was willst du von mir, du Wicht?‘, übersetzte Alrik die Worte seiner Cousine für sich. »Ich danke dir daher umso mehr, Veriya, dass du mir von deiner wertvollen Zeit etwas erübrigst. Das Haus Gareth muss zusammenhalten, vor allem in dieser unübersichtlichen Zeit.«

»Was willst du?«, fragte die garetische Marschallin frei heraus, ohne Umschweife.

Alrik holte tief Luft. »Ich komme auf Bitten des Hartsteener Grafen. Er hat… Probleme an seiner nördlichen Flanke. Mein alter Freund Bernhelm setzt ihn unter Druck und will ihm gemeinsam mit dem Aldenrieder Mores lehren.«

»Und? Was hat das mit mir zu tun?«

»Der Graf hat mich entsendet zu sondieren, ob die Kaiserkrone einen mäßigenden Einfluss auf ihr Klientel nehmen wird, um die Flammen der Fehde nicht weiter antreiben zu lassen. Wenn du dem Reichsgauer Pfalzgrafen zu verstehen gibst, dass die Kaiserin…«

»Nichts dergleichen werde ich tun, Vetter«, fiel im Veriya unwirsch ins Wort. »Andersherum wird ein Schuh daraus: Wenn das Hartsteener Gräfchen nicht aufpasst und der Schaden für die Schatulle der Kaiserin zu groß wird, dann komme ich persönlich und klopfe ihm auf seine frechen Fingerchen. Die Güter und Burgen der Kaiserin sind tabu – und die der Königin damit natürlich auch. Geh und sag das deinem Grafen.«

Mit diesen Worten gab Veriya ihrem Vetter zu verstehen, dass ihr Gespräch beendet sei.

Alrik blieb entspannt sitzen. Es entstand ein Moment der angestrengten Ruhe, dann des offensichtlichen Ärgers auf dem Gesicht der Marschallin. Sie wusste genau, dass sie unmöglich vor ihren Untergebenen einen engen Verwandten und Mitglied des Kaiserhauses grob aus ihrem Kommandantenzelt werfen konnte. Ein Lächeln umspielte Alriks Lippen.

»Was willst du noch?«

Alrik kannte diesen Ton enttäuschten Stolzes. Vor seinem inneren Auge sah er manches Familienfest, bei dem die damals jüngste Generation der Yuris-Gareths sich vor den Alten in die Parks und Gärten der Landschlösser zurückgezogen hatte. Alrik war dabei stets der Älteste gewesen, und hatte immer mit etwas Abstand zugeschaut, wie sein jüngerer Bruder Gerwulf und seine Cousine Veriya versuchten, sich gegenseitig ihren Willen aufzuzwingen. Häufig hatte es damit geendet, dass Veriya ihrem gleichaltrigen Vetter eine blutige Nase verpasst hatte, während dieser nüchtern seiner Base eröffnete, dass Alrik und er in der Familie über ihr standen. Gerwulf wusste, dass das ein abwegiger und törichter Gedanke war – aber er zeigte immer die gewünschte Wirkung.

»Veriya, die Angelegenheiten des Königreichs sind die Angelegenheiten des Hauses Gareth. Vergiss nicht, wer du bist – und wer in Garetien und wer im Haus Gareth das Sagen hat.« Alrik sprach die Worte leise aus.

»Ich weiss, wer das Sagen hat« zischte die Marschallin zurück. »Diejenige, die die kaiserlichen Ritter befiehlt. Und jetzt – geh, bevor ich tatsächlich vergesse, was die Angelegenheiten des Hauses Gareth sind.«

Etwas in Veriyas Stimme ließ Alrik einen Schauder über den Rücken laufen. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm hoch, ein Gefühl von Gewalt und Tod, der von seiner Cousine ausging. Dann verflog das Gefühl und er stand auf. Lächelnd verbeugte er sich zum Abschied von seiner jüngeren Base. »Wir sehen uns wieder, teure Cousine. Ich hoffe nur, dass es unter besseren Umständen sein wird.«