Geschichten:Igelfehde - Den Leu zu wecken

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Burg Zwingzahn, 18. EFF 1044 BF

„He, alter Mann! Aufwachen!“

Bernhelm von Wetterfels schreckte hoch. Jedem anderen hätte er diesen respektlosen Ton mit einer saftigen Maulschelle vergolten, bei seiner Gemahlin Ariescha hingegen brummte er allenfalls missmutig und setzte sich auf. Nur für einen kurzen Moment hatte sich der Pfalzgraf von Reichsgau nach dem reichlichen Mittagsmahl in dem Armstuhl am hohen Ende der Tafel zurücklehnen und die Augen schließen wollen – und war dabei offensichtlich eingenickt. Er wischte sich mit seiner riesigen Pranke über Augen und den ergrauten Schnauzbart. Ob er lange so geschlafen hatte?

„Du schnarchst“, konstatierte die Nebachotin spöttisch und warf ihm einen ihrer herausfordernd-feurigen Blicke zu, die wohl beinahe jedem Mann auf Zwingzahn die Knie weich werden ließen und Ariescha von Brendiltal zur Adressatin so manches Minneverses oder anderer Avancen machten, mit welchen die hohe Dame ihren Gatten trefflich aufzuziehen verstand. Gleichwohl achtete sie darauf, dass ihr keiner dieser Verehrer zu nahe kam – den Zorn des Ogerfressers hätten diese wohl nicht überlebt.

„Vorsicht“, knurrte der Pfalzgraf, „Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken.“

„Dann lass dir mal auf den Zahn fühlen.“ Keck hielt sie ihm über die abgeräumte Tafel ein Papier hin, an dessen Ende das gebrochene Siegel des Grafen von Hartsteen baumelte: „Hier für dich. Der Bote hatte es ziemlich eilig und wollte gleich weiter nach Aldengrund.“

Bernhelm winkte schnaufend ab: „Nun sag schon was drin steht.“

Die Nebachotin verlas die Botschaft aus Oberhartsteen und der Pfalzgraf lauschte der Aufforderung zur Heeresfolge, wobei seine Lippen immer schmaler wurden. Als sie geendet hatte, blieb er schweigend eine Weile sitzen und starrte ins Leere, wobei das rhythmische Klopfen der Finger seiner rechten Hand an der Tischkante das einzige Geräusch im Rittersaal war.

Schließlich sah der Wetterfelser auf und nickte wie um sich selbst zu bestätigen: „Nun denn: Unsere Getreuen sollen sich gerüstet zum Kampf übermorgen auf Zwingzahn einfinden.“

„Wir kommen dem Aufruf also nach“, stellte Ariescha ein wenig überrascht eher fest als dass sie fragte.

„Ich denke gar nicht daran!“, brach es da donnernd aus dem alternden Hünen heraus. „Im Gegenteil! Jetzt ist die Zeit gekommen, wo wir dem jungen Gräflein deutlich machen werden, dass er so nicht mit der Familie Wetterfels umspringen kann! Wir sind keine Hunde, die stets schwanzwedelnd angelaufen kommen, wenn Herrchen pfeift und die sich mit ein paar vom Tisch heruntergefallenen Resten zufrieden geben!“

„Du willst es wirklich mit den Hartsteens aufnehmen? Hast du dir das auch gut überlegt, alter Mann?“, verfiel die Nebachotin wieder in ihren vertraut-spöttischen Tonfall.

Doch Bernhelms Augen blitzten, als er aufstand: „Pah! Ich bin schließlich auch mit dir fertig geworden...“