Geschichten:Igelfehde - Zwingzahner Briefe

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Hartsteener Grafenhof, Anfang Travia 1044 BF

Die Hofleute am Hartsteener Grafenhof hätten guter Laune sein können – eigentlich. Immerhin hatte das versammelte Ritteraufgebot unter Führung des Grafen in der letzten Woche einen fast mühelosen Sieg gegen die auf dem Rückzug befindlichen Schlunder errungen und die bisher noch besetzt gehaltenen südlichen Teile Hartsteens befreit. Allerdings, bis auf die Stolzenfurts hatten die Ritter aus dem Reichsgau und Aldenried bei dieser Unternehmung durch ihre Abwesenheit geglänzt. Alle Mahnungen zur Eile, sich unter dem Igelbanner zu sammeln, waren unbeantwortet geblieben und so hatte Graf Odilbert schließlich nicht länger auf die Verstärkung aus den nördlichen Baronien warten wollen. Darum waren trotz des jüngsten Erfolgs, den die gräflichen Aufgebote nun durch scharfe Überwachung der Natterübergänge zu sichern trachteten, unter Hartsteener Vasallen Fragen aufgekommen.

Als Brinhart von Wetterfels nun an diesem Morgen ernst und gemessenen Schrittes den Saal betrat, in dem Graf Odilbert Audienz hielt, verstummten die Gespräche der anwesenden Edlen und machten einem leisen Gemurmel Platz. Odilbert von Hartsteen, gekleidet in einen grünen Wappenrock mit aus Silberfäden bestickten Igelwappen auf der Brust, saß am oberen Ende des Saals mit dem spitzbogigen Glasfenster im Rücken und winkte den Zeugmeister heran. Der Wetterfelser kam der Aufforderung mit einer Verbeugung nach und trat vor den Grafenthron.

„Wir haben Euch in den letzten Tagen vermisst, Herr Brinhart – und ebenso Euren Vetter“, begann der Graf die Unterredung. „Auch wenn wir seiner Unterstützung den Göttern sei Dank nicht benötigten, so verwundert es mich sehr, dass uns keinerlei Zeitung von ihm – oder Euch – erreichte. Da Ihr nun wieder hier seid, werdet Ihr sicher eine Erklärung dazu vorbringen wollen.“

Brinhart von Wetterfels verbeugte sich erneut und antwortete förmlich: „Euer Hochwohlgeboren, ich war in dringenden Familienangelegenheiten gebunden, die meine frühere Rückkehr verhinderten, wofür ich aufrichtig um Vergebung bitte. Der Pfalzgraf zu Reichsgau entbietet Euch seinen Gruß. Er hat mich auch beauftragt, Euch dieses Schreiben hier zu überbringen.“

Der Zeremonienmeister Parinor von Hartweil nahm den Brief entgegen und reichte ihn dem Grafen, der zuerst still las. Als er geendet hatte, gab er das Papier mit einem Stirnrunzeln an den Hartweil zurück und meinte mit Blick auf die Runde der anderen Anwesenden im Saal:

„Ein jeder hier kann und soll hören, was der Pfalzgraf mir schreibt.“

Mit der geübten Stimme verkündete nun der ehemalige Schlunder Herold:

Bernhelm von Wetterfels, Pfalzgraf zu Reichsgau an Odilbert von Hartsteen, Graf zu Hartsteen, die Zwölfe zum Gruß, Praios und Rondra voran!
 
 
 
 
Es ziemt sich, dass ein Lehnsmann seinem Herrn die Treue hält und in guten und schlechten Stunden mit Rat und Tat zur Wahrung von Frieden und Ordnung zur Seite steht, ganz wie es dem Herren Praios wohlgefällt. Dabei darf der Lehnsmann darauf vertrauen, dass diese Treue ihrerseits mit Treue vergolten wird und herausragende Taten im Dienste für den Herrn Würdigung durch ebensolche Gaben verdienen. Wenn der Lehnsherr diesem Umstande unbedachterweise keine Beachtung schenkt und stattdessen seine Huld hemmungslosen Opportunisten und intriganten Schmeichlern schenkt, wird dadurch nicht nur der Lehnsmann gekränkt, sondern das Ansehen des Lehnsherrn und seine Würde beschädigt - also seine Herrschaft insgesamt gemindert. Seine vermeintlichen Freunde nämlich wissen ihm keinen Dank und auch der getreueste Vasall wird sich schließlich von ihm abwenden, wenn er keine angemessenen Beneficien zu erwarten hat, wie es nur billig wäre. Darum seid also stets eingedenk, auf welche Eurer Lehnsleute Ihr Euch auch in den schwersten Stunden verlassen konntet und die weit über das festgelegte Maß hinaus sich für Euch einsetzten und Euch beigestanden haben. Seid stets bestrebt, diese Treue zu erhalten und dadurch selbst an Ansehen und Würde zuzunehmen. Dagegen achtet erwiesene Treue nicht gering und wehret den falschen Freunden, denn aus dergleichen kann nur Übles entstehen, wie das Exemplum Reichsforst jüngst zeigte.
 
 
 
 
Gegeben zu Zwingzahn, 25. Efferd 1044 BF

Im Saal war es bei diesen Worten mucksmäuschenstill geworden. Das hitzige Gemüt Graf Odilberts war bekannt und in der Haut Brinharts von Wetterfels mochte jetzt keiner stecken, denn zu offensichtlich war die vorgetragene Provokation. Doch der Hartsteener beherrschte sich und sprach gefährlich leise: „Wetterfels, Euer Vetter hat sich unserer Aufforderung zum Trotz nicht an unserem jüngsten Heerzug gegen die Schlunder beteiligt, so dass ich auch nicht sehe, dass er irgendwelche Ansprüche anmelden könnte im Gegensatz zu all den anderen Tapferen hier.“

„Nur aus dem Grund, als Ihr Herrn Bernhelm und der Familie Wetterfels die gerechte Entschädigung für seinen Einsatz im letzten Jahr vorenthaltet“, entgegnete Brinhart.

„Ich verstehe. Und an was für ein ‚Benefizium’ denkt Euer Vetter?“

„Die Familie Wetterfels wird Euch weiterhin mit aller Kraft treu und noch mehr als je zuvor zur Seite stehen, wenn ihr die Baronswürde von Natzungen übertragen wird. Darüber hinaus erwartet sie zusammen mit den Familien Schallenberg und Firunshöh, dass entweder die Vergabe der Baronie Praioreth rückgängig gemacht oder zumindest eine würdigere Person mit dem Baronsamt betraut wird.“

Graf Odilbert stand auf und legte die Hand auf den Griff seines Schwertes, das er stets umgürtet hatte: „Nun denn. Richtet Eurem Vetter aus, dass wir nicht daran denken, diesen ungebührlichen Forderungen nachzukommen – und schon gar nicht, nachdem er uns seine Unterstützung verweigert hat!“

Brinhart von Wetterfels straffte sich: „Dann bin ich zu meinem Bedauern beauftragt, Euch dieses zweite Schreiben zu überreichen.“

An Odilbert von Hartsteen, Graf.
 
 
 
 
„Da Ihr Euch weigert Unseren berechtigten Forderungen nachzukommen, wollen Wir Euer Feind sein und Euch, Euren Helfern und Helfershelfer ab dem dritten Tage , an welchem Ihr diese Absage erhaltet, also schaden sowohl an Leib als auch Hab und Gut, bis Ihr Eure Irrtümer eingestanden, den Missständen Abhilfe geschaffen und zur gerechten und ritterlichen Herrschaft zurück gekehrt seid oder die Grafenwürde an einen Besseren abgetreten habt.“
 
 
 
 
Bernhelm von Wetterfels und die Familie Wetterfels

Felan Rondrik von Schallenberg und die Familie Schallenberg

Vicarius von Firunshöh und die Familie Firunshöh

Gegeben zu Zwingzahn, 25. Efferd 1044 BF

Der Wetterfels trat zurück und verkündete laut: „Das Band ist zerrissen, die Fehde ist erklärt.“