Geschichten:Hirsch, Krähe, Katze – Die Flucht der Katze

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Goldlinden, 2. Peraine 1043

Meara hatte keine Zeit gehabt ihrem Vater zu schreiben. Sie hatte auch sonst niemandem schreiben können. Vielleicht hätte sie es ohnehin nicht getan. Vielleicht hätte die alte Hexe ihre Briefe auch abgefangen. Zugetraut hätte sie es ihr, ganz abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht gewusst hatte, was sie hätte schreiben sollen...

Noch in der Nacht brachen sie nach Schwarztannen auf. Die Pferde fanden sie bereits gezäumt und gesattelt vor. Viel Gepäck hatten sie nicht, waren dennoch nicht sonderlich schnell. Die Dunkelheit verlangsamte sie. Sobald es heller wurde, ging es dann merklich schneller. Gegen Mittag erreichten sie Goldlinden. Dort suchten sie sich eine Unterkunft. Stellten ihre Pferde unter. Nahmen ein Zimmer und ließen sich etwas zu essen bringen. Der Keilholtzer ließ sie nicht allein.

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„Esst“, forderte Unswin sie auf und deutet auf die noch volle Schale vor ihr, „Ihr müsst Essen, um bei Kräften zu bleiben.“

„Wozu?“, wollte Meara erschöpft wissen. Wie ein Häufchen Elend saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Aus verweinten Augen blickte sie ihn an. „Ich habe alles verloren: Meinen Mann, meine Kinder. Wozu das alles noch?“

„Weil Ihr lebt!“, erwiderte er ihm entschieden.

Meara entfuhr ein kehliges Lachen, wandte ihren Blick ab und murmelte: „Ach, was wisst Ihr denn schon...“

Da straffte der Greifenfurter sich und ergriff mit seiner linken ihre rechte Hand. Seine war ganz warm, ihre ganz kalt. Und Meara blickte zu ihm auf.

„Ich weiß, wie es sich anfühlt“, hob er an, „Ich kennen diesen Schmerz, habe ihn selbst erleben, erleiden, ertragen müssen.“ Gebannt begann sie ihn anzustarren. „Wenn es einem das Herz zerreißt, man nicht weiß, wie es weitergehen soll, weil man sich ein Leben ohne den anderen einfach nicht vorstellen kann und… auch nicht will. Ich kenne diesen Schmerz. Ich kenne ihn ganz genau.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich habe meine Frau verloren. Ich habe sie sehr geliebt. Der Liebe wegen haben wir geheiratet.“

„Wir auch“, erwiderte sie tonlos, „Gegen den Willen seiner Familie. Er sollte eine andere heiraten. Eine bessere Partie. Aber...“ Sie zuckte mit den Schultern. „... wir liebten uns.“ Kurz holte sie Atem. „Es ging nur weil... weil... Emer war unterwegs. Wäre sie nicht gewesen, dann...“ Meara schluchzte. „Meine süße, kleine Emer...“ Ruckartig entzog sie ihm ihre Hand und wischte sich die nahenden Tränen aus den Augen.

„Ihr seid nicht allein!“, versicherte er ihr, „Und deswegen müsst Ihr das nicht allein ertragen. Ich will für Euch da sein. Euch beistehen. Euch Hilfe und Stütze sein. Ihr könnt auf mich zählen.“

„Von...“, wandte sie da ein, „Von Greifenfurt aus?“

Er dachte kurz nach, ehe er vorschlug: „Dann kommt doch mit mir. Kommt mit nach Greifenfurt. Mit nach Friedheim. Mit auf mein Gut.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Dort seid Ihr sicher und...“

„Das geht nicht“, wisperte sie leise, „Meine Familie... meine Kinder... sie sind alle hier und dort... dort ist niemand, niemand außer... außer Euch.“