Geschichten:Hirsch, Krähe, Katze – Die Katze nimmt Abschied

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Burg Basilstein, 2. Peraine 1043

Meara trat in den dunklen Raum hinein, er folgte ihr mit der Laterne, schloss die Tür und blieb dort stehen.

„Mutter?“, wisperte eine leise Kinderstimme.

Emer“, schluchzte Meara herzzerreißend, wandte sich um und erkannte ihre Tochter, „Emer!“ Sie eilte zum Bett des Mädchens und schloss sie in die Arme, herzte und küsste sie und hielt ihre Tränen zurück. Meara wollte nicht vor ihren Kindern weinen. Es würde schwer genug für sie sein, schwer genug ohne ihre Mutter zu sein. Das Einzige, ja das Einzige was sie noch für ihre Kinder tun konnte, war ihnen den Abschied so leicht wie möglich zu machen. Und eine Erklärung für die Trennung zu liefern.

„Emer. Meine kleine Emer“, hob die Rían leise an, während sich ihre Tochter liebevoll an sie schmiegte, „Ich werde eine Zeit lang fort gehen.”

„Weggehen?“, fragte das Mädchen verschlafen.

„Ja, weggehen.“

„Weit weggehen?“

„Nein, nicht weit weg. Ich bin ganz in eurer Nähe. Und...“, beschwichtigte die Mutter ihre Tochter, „... so lange ich fort bin, wirst Du mit deinem Bruder auch fort gehen.“

„Emer auch weggehen?“, wiederholte das Kind.

„Ja, Emer du gehst auch weg. Du und dein Bruder Reto. Zu Verwandten deines Vaters. Die werden dann gut auf euch beide aufpassen. Und bald, ja ganz bald werde ich euch auch besuchen“, log sie weiter, „Ganz, ganz, ganz bald. Also sei schön anständig und benimm dich, hörst du?“

Emer nickte.

„Aber jetzt... jetzt musst du wieder schlafen, Emer“, damit bettet sie das Mädchen in ihr Bett, strich sich die nahenden Tränen aus den Augen, deckte sie liebevoll zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, „Schlaf gut, Emer. Möge Boron dir schöne Träume schenken.“

Sie küsste ihre Tochter ein letztes Mal. Tränen in ihren Augen, die sie sich noch nicht zugestand zu weinen. Dann erhob sie sich und trat an das Bett ihres Sohnes. Reto schlief ruhig in seinem Bettchen. Er zählte knapp eineinhalb Götterläufe und würde seinen Vater nie kennenlernen, sich nie an ihn erinnern, sehr wahrscheinlich würde das auch Emer nicht. Ob ihre Kinder sich an sie erinnern würden? An ihre Mutter?

„Irgendwann...“, wisperte sie leise und strich ihrem Sohn sanft über sein feines Gesicht. Bereits jetzt ähnelte er seinem Vater. Er ähnelte ihm sehr. „... werden wir uns wieder sehen. Eines Tages. Nur die Götter wissen wann. Bis dahin wirst Du wachsen und gedeihen und ich... ich werde jeden Tag an dich und deine Schwester denken. Jeden einzelnen Tag bis...“ Da brach ihre Stimme. Heiße Tränen kullerten ihr über die Wangen. „... bis zu unserem Wiedersehen.“ Auch ihrem Sohn hauchte sie einen Kuss auf die Stirn. Einen Abschiedskuss. „Ich liebe dich, Reto. Du bist mein Sohn und das wird auch immer so bleiben, ganz gleich wo auch immer du bist...“

Meara wollte gerade gehen, da sagte Emer: „Emer hat Mutter lieb.“

„Ich liebe dich auch, meine kleine Emer.“

„Und Emer hat auch Vater lieb!“

„Ja, ich ihn auch“, erwiderte die Rían mit zugeschnürter Kehle, „Ich ihn auch...“