Geschichten:Die Schicksalstjoste - Spannung und tödliche Erlösung

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10. Travia 1044 BF, Silkwiesen

Mit übergroßer Spannung wurde nun der letzte Lanzengang erwartet und es hieß Nimmgalf von Hirschfurten gegen Rothger von Garm nach perval'schen Regeln!

Nimmgalf saß auf seinem treuen Streitross Finstermähne, seine vergoldete Gestechsrüstung und der mit einem prächtigen Hirschgeweih verzierte Helm glänzten in der Herbstsonne. Bei der Lanze hatte Graf Drego dabei auf ein "besonderes Stück" aus seiner Sammlung bestanden, damit sollte der Baron den Sieg für den Reichsforst erringen.

Er fixierte seinen Gegner genau: Rothger von Garm. Er kannte ihn nicht, oder besser nur vom Hörensagen. Ein älterer etwas verbitterter Ritter, der zuletzt bei einem Turnier in Vierok mit äußerster Brutalität ins Finale gekommen war, wo er sich dann aber im Fußkampf geschlagen geben musste. So einer war nicht zu unterschätzen. Er hatte immerhin schon großen Mut bewiesen, indem er als einziger Kaisermärker gegen ihn in die Schranken reiten wollte, und das mit echten Kriegslanzen. Damit stand sehr viel auf dem Spiel. Es ging nicht mehr nur noch um Sieg oder Niederlage in der Schicksalstjoste und dem damit verbundenen wichtigen Fehdesieg im Süden des Reichsforst, sondern möglicherweise auch noch um Leben und Tod. Er dachte an seinen letzten scharfen Lanzengang im Finale des Eslamsgrunder Turniers vor ein paar Jahren, was seinen Gegner, den Bruder des damaligen Brendiltaler Barons, einen Pulethaner, das Leben gekostet hatte. Ja, scharfe Lanzen waren kein Spielzeug, sondern eine fürchterliche Kriegswaffe, die schon vielen den Tod gebracht hatten, letztlich auch durch seine Hand. Aber genauso stand sein eigenes Leben auf dem Spiel. So kurz vor seinem 50. Tsatag wollte er es jedenfalls noch nicht beenden, daher besann er sich vor allem auf die Parade mit dem Turnierschild. Der wesentliche Unterschied zu einer normalen Tjost war, dass die Lanzen nicht brechen würden. Das bedeutete, der Aufprallwinkel musste so ausgelegt sein, dass die gegnerische Lanze abgleiten würde. Einfach nur den Schild vorzuhalten konnte also rasch ein böses Ende nehmen.

„Schwager, ich bringe dir die Lanze wie abgesprochen. Es ist die Kriegslanze meines Vaters. Sie wird uns den Sieg bringen!“ rief Drego ihm schon von weitem zu. Dass er als Graf die Aufgabe seines Knappen übernahm, ihm als Ritter die Lanze zu reichen, schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Nimmgalf wartete noch kurz ab, bis Drego heran war, und nahm dann die Lanze in Empfang. Sie war deutlich schwerer als eine hölzerne Turnierlanze, doch Nimmgalf war als äußerst erfahrener Schlachtreiter den Umgang mit diesen Waffen gewöhnt. Diese war wirklich ein außergewöhnliches Stück, sie trug das Luringer Hauswappen als Zier. Für Nimmgalf war es eine große Ehre, die Waffe seines Schwiegervaters und ehemaligen Lehnsherren Graf Danos in diesem Lanzengang führen zu können, dennoch fühlte es sich irgendwie seltsam an. Doch er schob es letztlich auf die große Anspannung vor dem Ritt.

„Ich danke dir, Drego!“ entgegnete er, auch wenn er immer noch kein Verständnis dafür hatte, dass Drego unbedingt wollte, dass dieser letzte DREIZEHNTE Lanzengang nach pervalschen Regeln ausgetragen werden sollte. „Ich werde mich dem Vermächtnis deines Vaters – meines alten Lehnsherren und Bundesbruders - würdig erweisen.“

„Dann zeig dem Kerl mal, wie wir Reichsforster kämpfen! Viel Glück, Schwager!“ Drego drückte beide Daumen und lief rasch zurück zu den anderen Reichsforstern.

Nimmgalf schloss sein Visier und nahm die Lanze in Anschlag. Dann machte er sich bereit. Der Turnierherold gab das Zeichen, und beide Streiter setzten sich in Bewegung. Schneller, immer schneller galloppierte er auf Finstermähne an der Tjostenbahn entlang, und sein Gegner tat es ihm gleich. Noch zwanzig Schritt, noch zehn, noch fünf… der Baron erkannte, dass sein Gegner hoch zielte und winkelte seinen Schild leicht an, um seinerseits im letzten Moment die Lanze tiefer zu halten, um den gegnerischen Schild zentral zu treffen. Der Aufprall war gewaltig wie ein titanischer Hammer, der auf den Amboss eines Riesen trifft. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Jubel und Entsetzen paarten sich in einer grotesken Kakophonie. Nimmgalf wurde zur Seite gerissen und spürte einen großen Schmerz in der linken Schulter, wo ihn die gegnerische Lanze getroffen und ein Stück seiner Rüstung weggerissen hatte. Doch er schaffte es noch mit letzter Kraft sich festzuhalten. Mit großer Mühe zog er sich wieder hoch in den Sattel und blickte sich um. Sein Gegner lag auf dem Rücken in einer Blutlache. Graf Danos Lanze hatte seinen Schild und ihn selbst komplett durchbohrt. Die herbeieilenden Heiler konnten nur noch den Tod des alten Ritters feststellen.

Noch ein toter Turniergegner, das hatte er nicht gewollt, und es ließ den Preis für diesen ohnehin schon teuren Sieg arg in die Höhe schnellen. Aber nichtsdestotrotz war es ein Sieg. Und dieses mal ein großer!

Zum Glück, hörte man gleichzeitig erste Gerüchte vom harten (und gerechten?) Vorgehen der Perricumer Truppen auf ihren ersten Missionen, und das sie wohl tatsächlich auch auf den Norden Reichsforsts ziehen würden.