Geschichten:Die Schicksalstjoste - Gespräch zweier kaisermärker Ritter

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Silkwiesen, 9. Travia 1044

Im Zeltlager der Kaisermärker, das man unweit dem der Reichsforster aufgeschlagen hatte, ging es geschäftig zu. Die Ritter, die an der Tjoste teilnehmen sollten, bereiteten sich auf diesen vor, während sie von ihren Knappen begleitet werden und die Knechte und Mägde frisches Wasser aus den Fluß holten, die Pferde fütterten, letzte Absperrungen auf dem Turniergelände aufstellten oder die Nahrung zubereiteten, die die hohen Herrschaften in ihren Zelten oder auch an unter freiem Himmel aufgestellten Tischen verzehrten.

Es war laut. Ein Ritter rief ungeduldig nach seinem Knappen, damit dieser ihm bei der Rüstung helfen mochte, ein bellender Hund, der zwischen den Zelten einem entlaufenden Huhn hierher jagde und irgendwo wieherte ein Pferd. Die Gespräche der Knechte und Mägde, drehten sich um die bevorstehende Tjoste. Man war gespannt darauf, manche sprachen sogar schon von der Schicksaltjoste. Würde es danach wieder Frieden geben unter den Adligen? Denn dem einfachen Bauern war es recht egal, aus welchen Gründen der Adel seine Kriege focht, zu leiden hatten immer sie. So gab es im Laufe des letzten Jahres immer wieder Plünderungen, Überfälle oder gar Schlimmeres. Denn egal wer hier, bei dieser Tjoste, gewann, danach herrschte wieder Frieden - so die Annahme und auch die Hoffnung des einfachen Bauers.

Der Adel dachte aber anders. Hier ging es nicht nur um die Ehre, sondern auch um den Sieg gegenüber des anderen, um zu zeigen, daß man dem Gegenüber überlegen war. Und manch andere - die vielleicht weniger ehrenvollen - gedachten den Krieg einfach fortzuführen, wenn ihnen das Ergebnis des Turniers nicht gefiel.

Auch unter dem Adel herrschte Uneinigkeit, speziell unter den Kaisermärkern. Daß sich Gerion von Keres als 'Nachfolger Barnhelms durch eigenen Gnaden' aufgeschwungen hatte, gefiel nicht allen. "Er will sich unentbehrlich machen, damit er später von der Kaiserin zum Markvogt ernannt wird", sagen die einen, "die Kaiserin würde nie einen Magier von zweifelhaften Ruf zum Markvogt bestellen", sagen die anderen. Bei einem sind sie sich aber einig: mit dem Bündnis mit dem Haus vom Berg hat er eine relativ feste Basis geschaffen, und mit entsprechenden Inzenierungen wurde er mittlerweile nicht nur außerhalb der Kaisermark als dessen Repräsentant gesehen. Das war einigen Kaisermärkern ein Dorn im Auge. Denn es gab auch andere, die auf den kaisermärker Thron spekulierten.

So begab sich Alderan von Isppernberg zu Ugdalf vom Berg, der sich gerade auf sein Lanzengang vorbereitete und sich von einem Knappen die Rüstung anlegen ließ.

"Rondra zum Gruße, Ugdalf", begrüßte er ihn. Sie kannten sich noch aus der Zeit, als beide als Ritter am Hofe Barnhelms angestellt waren.

"Auch Euch zum Gruße, Alderan. Was führt Euch her?" Er überprüfte den Sitz der Rüstung.

"Natürlich um Euch Glück zu wünschen, Ugdalf. Schließlich wird sich durch Euch zwölf Streitern entscheiden, wie hier diese Fehde ausgehen wird." Alderan glaubte nicht wirklich an das, was er sagte. Er hatte hier etwas anderes im Sinn. "Allerdings frage ich mich, warum er Euch als seinen Stellvertreter in der Tjoste ausgewählt hat. Euch in allen Ehren, aber Ihr habt Euch noch keinen Namen in der Tjoste gemacht."

Ugdalf winkte ab. "Ich habe schon an etlichen Turnieren teilgenommen ...", begann er, wurde aber von Alderan unterbrochen.

"... und seit nie weiter als nur in die Vorrunden gekommen. Hier geht es um mehr, als nur Eitelkeit, Ugdalf! Ist es, weil Ihr nun mit seiner Tochter verlobt seid?" Alderan deutete auf Gerion von Keres, der sich gerade eben auf dem Turnierfeld mit Nimmgalf von Hirschfurten, der das Turnierfeld inspizierte, traf und mit ihm ein paar Worte wechselte.

"Selbstverständlich nicht", antwortete Ugdalf ungehalten. "Ich habe mich hier aus Überzeugung gemeldet. Und Ihr liegt falsch, Alderan, 1039 erreichte ich die Endrunden in der Tjoste. Seine wohlgeborene Exzellenz war so freundlich meinen Wunsch folge zu leisten."

Alderann verzog sein Gesicht. "Ihr wißt nicht, auf wen Ihr Euch da eingelassen habt, Ugdalf. Ihr seid mein Freund, deswegen will ich nicht schweigen. Wißt Ihr, daß er seine eigene Halbschwester, die als Bluthund die Reichsforster wieder tief zurück in ihre Grafschaft getrieben hatte, sehenden Auges in den Tot hat reiten lassen?"

Ugdalf sah ihn mißtrauisch an.

"Ja, so ist es, Ugdalf! Selo von Pfiffenstock schickte die Märtyrer auf eine Alveransmission, im Wissen der Rechten Hand, der diese Aktion billigte."

Ugdalf schüttelte den Kopf. "Und ist Euch nicht bekannt, daß er mit seiner eigenen Gilde im Streit ist? Er soll sogar mit dem Namenlosen im Bunde stehen!"

"Es reicht!" Ugdalfs Ausbruch war energischer als beabsichtigt, doch es verfehlte nicht seine Wirkung. Alderan schwieg. "Ihr versucht mich nur gegen ihn aufzubringen. Das wird Euch aber nicht gelingen, Alderan. Ich habe der Rechten Hand mein Wort gegeben, und das werde ich halten, sowohl was mein Eid als Gefolgsmann betrifft, als auch als zukünftiger Schwiegersohn. Ihr entschuldigt mich."

Er wandte sich ab und begab sich zu seinem Pferd. Er wollte sich ganz auf den bevorstehenden Lanzengang konzentrieren, doch es gelang ihm nicht. Er hatte auch schon Gerüchte gehört, von einem Alveranskommando, von geheimen Absprachen, in dem Gerion angeblich den Frieden mit den Reichsforstern anstrebt, als auch von namenlosen Umtrieben. Ugdalf schüttelte den Kopf um sich von diesen Gedanken zu befreien. Er mußte sich konzentrieren.